Von Wilfried Mommert
BERLIN (BLK) – Für Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist der Dialog mit den Künstlern „eine der vornehmsten Aufgaben von Politik“. Diesen Dialog hat er vorangetrieben wie bisher kein Bundesaußenminister vor ihm und sich damit als engagierter Kulturpolitiker zu erkennen gegeben. Steinmeier merkt man an, dass ihm die Gespräche mit Schriftstellern und Künstlern auch persönlich interessieren, sogar eine „Herzensangelegenheiten“ im politischen Alltag sind. Der 52-Jährige steht auch für eine Trendwende in der Auswärtigen Kulturpolitik, die wieder stärker ins Blickfeld gerät und mit mehr Geld rechnen kann, denn „wir brauchen die kreative Auseinandersetzung mit dem scheinbar Fremden“.
Aber auch im Inland hat der SPD-Politiker die Erfahrung gemacht, „dass ein Verständnis der kulturellen Zusammenhänge auch die politischen Aufgabenstellungen besser begreifen hilft“, wie es Steinmeier einmal in einem Beitrag für den Deutschen Kulturrat selbst formulierte. „Deswegen suche ich auch ganz persönlich den Rat der Kulturschaffenden.“ Er ermuntert Künstler und Schriftsteller sogar, den Politikern ruhig öfter „auf die Finger zu sehen“. Kunst und Literatur seien auch willkommen, wenn sie „ein herrliches Durcheinander“ anrichten. Künstler könnten Dinge sehen und beschreiben, „an die der Realismus des Alltags nicht heranreicht, deshalb braucht die Wirklichkeit ihre Hilfe“.
Natürlich geht es hier wie anderswo oft auch um handfeste Dinge wie „schnödes“ Geld und Steinmeier scheut dabei keine Vergleiche: „Knapp 130 Goethe-Institute sollten uns als kulturelle Infrastruktur in aller Welt durchaus so viel wert sein wie 12 bis 15 Kilometer Autobahn in Deutschland.“ Aber auch die wirtschaftliche Bedeutung des Kultursektors für Arbeitsmarkt, Wachstum und technologischen Fortschritt ist dem Vizekanzler und früheren Kanzleramtschef durchaus bewusst, wie er ebenso wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nicht müde wird hervorzuheben.
Für einen Minister, den die Öffentlichkeit eigentlich meist eher im Flugzeug und auf internationalen Konferenzen wähnt, kreuzt Steinmeier erstaunlich oft bei kulturellen Veranstaltungen auf, die bei Politikern gemeinhin nicht auf der obersten Prioritätenliste stehen. So sah man ihn in letzter Zeit etwa in der Berliner Akademie der Künste mit Nobelpreisträger Imre Kertész, Schauspieler Mario Adorf, Filmemacher Wim Wenders und Schriftsteller Wole Soyinka im Gespräch, auf der Museumsinsel bei einer Tagung zum Thema „Nationalkultur“ oder in der Babylon-Ausstellung und bei kulturpolitischen Symposien oder Musik- und Literaturabenden in seinem Auswärtigen Amt. Und wenn ein deutscher Literaturnobelpreisträger wie Günter Grass seinen 80. Geburtstag feiert, ist Steinmeier der Überraschungsgast.
Der Außenminister macht sich öffentlich Gedanken über die mittelständische Kinoindustrie, die man bei der anstehenden Digitalisierung nicht alleinlassen dürfe, sorgt sich um das UNESCO-Welterbe in Dresden und äußert sich natürlich vor allem über die von ihm vorangetriebene Neujustierung und Aufwertung des Goethe-Instituts, das nach Jahren der Kürzungen wieder mit mehr Geld rechnen kann und mit dessen neuem Präsidenten Klaus-Dieter Lehmann Steinmeier einen idealen Ansprechpartner für eine Bildungsoffensive im In- und Ausland hat („Er ist der erste globale Kulturmanager Deutschlands“).
Deutschland erwirbt nach Ansicht Steinmeiers Vertrauen, Achtung und Zuneigung in der Welt „weit weniger, als wir uns das manchmal vorstellen, über wirtschaftliches Wachstum, Produkte und Dienstleistungen, sondern durch das, was in der kulturellen Arbeit hier geschaffen wird“. Er sei auch davon überzeugt, dass Filme von Fatih Akin, Bücher von Ilija Trojanow oder Feridun Zaimoglu „Leuchttürme der inneren Heimat für viele Menschen in Deutschland sind“.
Bei Intellektuellen macht es Eindruck, wenn ein redegewandter Außenminister in der Akademie der Künste illustre Geister wie Blaise Pascal, Milan Kundera oder Peter Rühmkorf zitiert und in seinen Betrachtungen bis zum Peloponnesischen Krieg in der Antike zurückgeht und für einen Politiker ungewöhnlich freimütig darüber öffentlich philosophiert, dass „wir wissen, dass wir zu lernen haben“. So etwas kommt bei Schriftstellern und Künstlern gut an, die sich fast in die Arme genommen fühlen, wenn sie ein hochrangiger Bundespolitiker bittet: „Lassen Sie uns Politiker, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger nicht allein!“
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