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Steter Wandel – von Menschen, Ländern und Kulturen

Presseschau vom 6. Juni 2008

© Die Berliner Literaturkritik, 06.06.08

 

BERLIN (BLK) – Die „SZ“ beschreibt Yi Yun-Gis „Kurve und Gerade“ als meisterliche Entdeckung. Der Autor schreibe gekonnt vom Zerfall der Traditionen. Kein Prosaist setze den Verlust der schwarzen Identität derart gekonnt um wie Edward P. Jones in seinem Storyband „Hagars Kinder“, lobt die „NZZ“. Außerdem in der Presseschau: Hartmut Zwahrs „Die erfrorenen Flügel der Schwalbe“.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Die „FAZ“ bescheinigt Eugeni Xammars Berichten aus dem Berlin der Inflationszeit in „Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre. 1922 bis 1924“ eine nahe Distanz. In den Inflationsjahren während der Weimarer Republik habe der katalanische Journalist Eugeni Xammar aus Berlin vom deutschen Alltag berichtet, schreibt der Rezensent Rainer Hank. Nach dem Hitler-Putsch im November 1923 führte Xammar sogar ein Interview mit Adolf Hitler, „das man aus heutiger Sicht als spektakulär bezeichnen“ müsse, schreibt die „FAZ“.

Die Lektüre von „Mohammed und die Zeichen Gottes“ des Reformtheologen Nasr Hamid Abu Zaid findet die „FAZ“ wegweisend. Das Buch enthalte einen differenzierteren Ansatz des Reformtheologen zur Auslegung des Korans Für die vierzehn Kapitel der Interviewreihe sei der Theologe in seiner Heimat Marokko stark angefeindet worden. Was in dem Band geschrieben stehe, ist nicht nur ein moderner Blick auf den Islam, es könne getrost als „Manifest“ betrachtet werden, meint Rezensentin Karen Krüger.

Die „FAZ“ lobt James Cañóns facettenreichen Debütroman „Der Tag, an dem die Männer verschwanden“, der an „Der Herr der Fliegen“ erinnere. Die „angewandte Gender-Studie“ schildert die Geschichte eines kolumbianischen Dorfes, das von Guerilla-Gruppen schikaniert wird. Eines Tages kommt es zur Geiselnahme der männlichen Dorfbevölkerung durch die Guerillas und somit zur Aufspaltung der Gesellschaft – die Frauen bleiben allein zurück. Der Roman besteche durch Humor, Liebenswürdigkeit, Sensibilität und einen kritischen Verstand, lobt Rezensentin Julia Bähr.

Mit dem von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) rezensierten Tagebuch „Die erfrorenen Flügel der Schwalbe“ möchte Hartmut Zwahr ein Bild der DDR vermitteln. Speziell beleuchte er die Phase während des „Prager Frühlings“ und dessen Folgen auf den „politischen und gesellschaftlichen Alltag“. Zwahrs Aufzeichnungen setzten einige Kenntnisse über die Wirklichkeit in der Deutschen Demokratischen Republik voraus. Ihm sei ein „aufschlussreiches, geistreiches Buch“ gelungen, das wichtig für die zeithistorische Forschung im 40. Jahrestag der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ sei, meint die „FAZ“.

„Neue Zürcher Zeitung“

Kein Prosaist setze den Verlust der schwarzen Identität derart gekonnt um wie Edward P. Jones in seinem Storyband „Hagars Kinder“, lobt Thomas Leuchtenmüller in der „NZZ“. Diesen zwar vertrauten Ansatz setze momentan kein Prosaist in Übersee „derart gekonnt“ um wie Jones, meint die „NZZ“. Edward P. Jones’ Leistung sei es, den „bunten Kosmos, der mit dem jahrzehntelangen Marsch der Schwarzen auf Washington entstand, sensibel zu erfassen, als Stoff bravourös zu bezwingen und präzise darzustellen“, schreibt die „NZZ“ anerkennend.

Jorge Edwards’ „Faustino“ sei ein anspielungsreiches und turbulentes Stück Politprosa und eine Goethe-Parodie, meint Andreas Breitenstein in der „NZZ“. Nach 21 Jahren liege die „Polit-Parabel“, die Chiles Geschichte schildere, nun erstmalig auf Deutsch vor. Faustino ist nach dem Putsch in Chile vom 11. September 1973 in die DDR gekommen. Dort lernt er den chilenischen „Genossen“ Apolinario Canales kennen, der ihm einen Pakt vorschlägt. Der Rezensent bemängelt die Figurenzeichnung, Edwards’ Fähigkeit zur „Kritik in eigener linker Sache“ sei jedoch beeindruckend, lobt die „NZZ“.

Emmanuelle Paganos vierter Roman „Der Tag war blau“ handle von der „Neugeburt“ seiner Heldin Adèle, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“). Das Buch begleite die auf einer französischen Hochebene lebende Schulbusfahrerin an „sechs ausgewählten Tagen“ im Winter, schreibt Rezensent Peter Urban-Halle. Lobenswert seien die Naturbeschreibungen und die Umsetzung des Geschwister-Verhältnisses, jedoch seien Adèles Gedanken zu ihrer Geschlechtsumwandlung „irgendwie hölzern und angelernt“, so dass die Passagen „ein wenig pflichtbewusst“ klingen, meint die „NZZ“.

„Süddeutsche Zeitung“

Die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) schreibt, dass nun erstmals der meisterliche koreanische Erzähler Yi Yun-Gi in dem Band „Kurve und Gerade“, zu entdecken sei. In allen Geschichten gehe es um den steten Wandel – von Menschen, Ländern und Kulturen. Über dem stehe allerdings die Zeit – und „natürlich“ der Tod. Der Rezensent ist voller Begeisterung: Zum einen zeichne Yun-Gi die Veränderungen – den Zerfall der Traditionen, die Orientierung am westlichen Lebensstil – im Leben der Koreaner nach. Zum anderen zeige er dem Leser die „Brutalität des Lebens“.

Die „SZ“ ist sehr angetan von der kraftvollen Erzählweise in Göran Sahlbergs Erstling „Sieben wunderbare Jahre“. Schweden werde fern der uns geläufigen „ Ikea- und Pippi Langstrumpf“-Ästhetik geschildert. Die Geschichte spiele im Milieu der freikirchlichen Evangilisationsbewegung während der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die SZ erkennt eine „spielerische Distanz“ Sahlbergs – „zum eigenen Erzählen“, die man nicht verkennen sollte.

In dem Buch „Muss es sein?“ beschreibe Sonia Simmenauer, wie es ist, wenn ein Individuum mit den jeweiligen Macken der anderen drei leben muss, berichtet die „SZ“. Ein Streichquartett sei keine einfache Konstellation. Man binde sich aneinander, reise gemeinsam, verbringe auch privat viel Zeit miteinander. Nach der Lektüre gehe man „nach Hause“, mit der Lust sich ein Streichquartett zu gönnen, nie habe es sich schöner angehört, findet Alex Rühle.

Wolfgang Frühwalds Exkurs „Das Gedächtnis der Frömmigkeit“ bespricht die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). Aus vier Jahrhunderten, zwischen Barock und Gegenwart, porträtiere er deutsche Dichter und Literaten, die die Einigkeit zwischen „Religion, Kirche und Literatur“ vertreten. Der Rezensent Alf Christophersen befindet die Porträts als sehr empathisch. Das Buch könne auch als „Ehrenrettung der Frömmigkeit“ gelesen werden, als Kritik gegen bürgerliche Verbrämtheit und Snobismus. (car/lea/sat/wip)

Literaturangaben:
CAÑÓN, JAMES: Der Tag, an dem die Männer verschwanden. Roman. Aus dem Amerikanischen von Sky Nonhoff. Ullstein Verlag, Berlin 2008. 396 S., 19,90 €.
EDWARDS, JORGE: Faustino. Roman. Aus dem chilenischen Spanisch von Sabine Giersberg. Wagenbach Verlag, 2008. 187 S., 18,90 €.
FRÜHWALD, WOLFGANG: Das Gedächtnis der Frömmigkeit. Religion, Kirche und Literatur in Deutschland vom Barock bis zur Gegenwart. Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2008. 378 S., 22,80 €.
JONES, EDWARD P.: Hagars Kinder. Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Hans-Christian Oeser. Hoffman und Campe Verlag, Hamburg 2008. 463 S., 23 €.
PAGANO, EMMANUELLE: Der Tag war blau. Roman. Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger. Wagenbach Verlag, Berlin 2008. 176 S., 17,90 €.
SAHLBERG, GÖRAN: Sieben wunderbare Jahre. Roman. Übersetzt aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Karl Blessing Verlag, München 2008. 302 S., 19,95 €.
XAMMAR, EUGENI: Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre. 1922 bis 1924. Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt. Berenberg Verlag, Berlin 2007. 192 S., 21,50 €.
YUN-GI, YI: Kurve und Gerade. Erzählungen. Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 224 S., 22 €.
ZAID, NASR HAMID ABU: Mohammed und die Zeichen Gottes. Der Koran und die Zukunft des Islam. Herder Verlag, Freiburg 2008. 222 S., 19,95 €.
ZWAHR, HARTMUT: Die erfrorenen Flügel der Schwalbe. DDR und „Prager Frühling“. Tagebuch einer Krise 1968 bis 1970. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2007. 434 S., 28 €.

Presseschau vom 30.Mai 2008

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