TEL AVIV (BLK) - Neue Wendung im bizarren Rechtsstreit um den Nachlass der Schriftsteller Max Brod und Franz Kafka in Israel: Bei einem Einbruch in der Wohnung der Erbin Hava Hoffe könnten wichtige Dokumente gestohlen worden sein. Hoffes Anwalt Uri Zfat bestätigte am Donnerstag (20.5.), es sei innerhalb des letzten halben Jahres drei Mal eingebrochen worden, zuletzt am Montag und Mittwoch vergangener Woche. Dies wird jedoch von Meir Heller, Anwalt der israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem, in Zweifel gezogen. Die Nationalbibliothek fordert den Nachlass für sich und besteht auch darauf, dass er in Israel bleibt.
Vor Gericht gab Hoffe an, bei dem letzten Einbruch seien Bücher, Briefe und Partituren gestohlen worden, wie die israelische Zeitung „Haaretz“ am Donnerstag berichtete. Sie wisse allerdings nicht genau, was entwendet worden sei. Nach Angaben des Anwalts Zfat handelt es sich vor allem um Briefe der Mutter, Esther Hoffe, der ehemaligen Sekretärin Brods. Alle wirklich wertvollen Dokumente seien ohnehin nicht in der Wohnung, sondern in Safes.
Der Anwalt der Nationalbibliothek befürchtet hingegen, es könnten wertvolle Dinge aus der Wohnung verschwunden sein. „Es ist verantwortungslos, dass Frau Hoffe bislang Zugang zu der Wohnung verweigert hat“, sagte Heller. Er bezeichnete es zudem als „merkwürdig“, dass die angeblichen Einbrüche ausgerechnet zu einem Zeitpunkt passierten, als das Anwaltsteam Hoffes vor Gericht Rückschläge zu verzeichnen gehabt habe. „Wir erwarten, dass die Polizei klärt, was dort genau vorgefallen ist“, sagte er.
Franz Kafka hatte vor seinem Tod 1924 seinen Freund und Förderer Brod gebeten, seine Werke zu verbrennen. Brod ignorierte diese Bitte jedoch und brachte die Bücher zur Veröffentlichung - Kafka errang daraufhin Weltruhm. 1939 musste Brod vor den Nationalsozialisten aus Prag fliehen und emigrierte mit seiner Frau nach Palästina. Kafkas Werke hatte er in einem Koffer dabei.
Nach Brods Tod 1968 ging der Nachlass mit vielen Kafka-Texten an seine ehemalige Sekretärin Esther Hoffe. Sie verkaufte einen Teil der Texte, darunter 1988 das Roman-Manuskript „Der Prozess“ für etwa zwei Millionen Dollar, einen anderen Teil bewahrte sie in Safes in Israel und der Schweiz auf. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren im Alter von 101 Jahren vererbte sie den Brod-Nachlass an ihre Töchter Ruth und Hava. Beide sind Holocaust-Überlebende und heute etwa 80 Jahre alt.
Die israelische Nationalbibliothek kämpft vor dem Bezirksgericht in Tel Aviv um die Rechte am Nachlass von Brod und damit auch an unbekannten Kafka-Texten. Es soll verhindert werden, dass die Hoffe-Schwester die Texte ins Ausland verkaufen. Die Nationalbibliothek fordert die Öffnung der Safes, damit Experten sie einsehen können. In dieser Frage wird kommende Woche mit einer Entscheidung des Bezirksgerichts in Tel Aviv gerechnet. (dpa/jos)
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