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Stück über Geiselnahme in Moskauer Theater nach Premiere abgesetzt

Offiziell begründete das Premierentheater das Absetzen des Stückes mit einer „schweren Erkrankung“ der Hauptdarstellerin

© Die Berliner Literaturkritik, 07.04.08

 

MOSKAU (BLK) – Fünfeinhalb Jahre nach der Geiselnahme im Moskauer Musicalhaus „Nord-Ost“ ist in Russland ein kritisches Theaterstück über das damalige Geschehen gleich nach der Premiere abgesetzt worden. Die Behörden hätten Druck auf die Leitung des Theaters in der nordkaukasischen Stadt Machatschkala ausgeübt, vermutete die in London lebende russischstämmige Autorin Natalia Pelevine (30) in der Moskauer Zeitung „Kommersant“ (Montag, 7. April 2008). Offiziell begründete das Premierentheater in der Hauptstadt der Teilrepublik Dagestan das Absetzen des Stückes „In deinen Händen“ mit einer „schweren Erkrankung“ der Hauptdarstellerin. Pelevine nannte dies „absurd“.

Das umstrittene Theaterstück erzählt die Geiselnahme aus der Sicht einer Terroristin und einer weiblichen Geisel. Pelevine musste sich in Russland den Vorwurf gefallen lassen, sie habe die Terroristen nicht unmenschlich genug gezeigt.

Der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew kritisierte die Absetzung als „präzedenzlos“ und sprach von einem „Angriff auf die Freiheit“. Der Premiere in Machatschkala hatten auch prominente Gäste wie Dagestans Präsident Muchu Alijew beigewohnt. „Ich sah deren zunehmende Unzufriedenheit. Aber wenn jemand das Stück als Sympathiebekundung gegenüber Extremisten wahrnimmt, ist das eine kranke Ansicht“, sagte Pelevine. Sie habe ihr Stück nach der Uraufführung 2006 in London im vergangenen Jahr vergeblich Moskauer Theatern angeboten.

Am 23. Oktober 2002 hatten Terroristen das Moskauer Musicaltheater „Nord-Ost“ nahe der U-Bahn-Station Dubrowka während einer Aufführung überfallen und mehr als 900 Menschen in ihre Gewalt gebracht. Das Terrorkommando forderte den Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien. Fast drei Tage lang mussten die Geiseln ohne Essen und Trinken in Todesangst ausharren. Nach 58 Stunden stürmte die Polizei dann nach dem Versprühen von Betäubungsgas das Gebäude. Offiziellen Angaben zufolge kamen dabei etwa 130 Geiseln ums Leben. Laut den Behörden wurden alle 41 Terroristen erschossen. Die genauen Umstände des Einsatzes sind bis heute nicht aufgeklärt. (dpa/wip)


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