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Suche nach jüdischer Identität

Doron Rabinovicis Roman „Andernorts“

© Die Berliner Literaturkritik, 29.09.10

Von Frauke Kaberka

Doron Rabinovici kennt keine Berührungsängste, wenn es um die jüdische Identität oder vielmehr um die Suche nach ihr geht. In seinem neuen Roman „Andernorts“ spart der in Tel Aviv geborene und in Wien lebende Autor nicht mit verschiedenen Sichtweisen, schrägen Perspektiven und ebenso überdrehten wie geradlinigen Formationen, die sowohl dem Angriff als auch der Verteidigung seines Haupthelden Ethan Rosen dienen.

Rabinovici schickt den international anerkannten Wissenschaftler Ethan Rosen nach Israel, an das Grab seines väterlichen Freundes Dov Zedek. Doch dessen Nachruf schreibt ein anderer: ausgerechnet Rudi Klausinger, ein mit Ethan um einen Wiener Lehrstuhl konkurrierender Intellektueller. Und den wird er fortan nicht mehr los. Noch schlimmer: Klausinger, so scheint es, ist sein Halbbruder. Zwei Antipoden - gefühlsmäßig, religiös und wissenschaftlich - und doch seltsam miteinander verbunden.

Dazu gesellen sich Ethans Eltern, seine Geliebte Noa und ein Hartcore-Rabbi, der den Messias klonen will. Diese irre Idee in dem wunderbaren Roman bringt letztlich eine Erkenntnis, die keiner will. Und dem polyglotten Ethan hilft sie auch nicht wirklich weiter bei dem, was er sucht: seine Identität beziehungsweise die Lösung eines Konflikts, der sich aus seinen zwei Identitäten ergibt, denn in Israel ist er ein anderer (ungläubiger) Jude als in Österreich.

Was Rabinovici dem Leser serviert, muss ihm beim Schreiben ebenso viel Vergnügen wie Schmerzen bereitet haben: Der Autor beleuchtet alle möglichen und unmöglichen Seiten seines Volkes, das mit sich selbst zumeist immer noch im Unreinen ist. Zu vielfältig sind die in Israel zusammengewürfelten Kulturen und Nationen, die nur der Wunsch nach einem Heimatland und der jüdische Glaube eint.

Man lernt sie kennen: die Schweinefleisch essenden oder verachtenden Juden, die jüdischen Nazis, die politischen Juden (rechts und links), die Chassidim und streng orthodox Gläubigen – mit all ihren liebenswerten, unverständlichen und verschrobenen Seiten. Und Ethan? Klar ist bei ihm lediglich, dass seine Position fern jedes orthodoxen Fundamentalismus' liegt.

Die skurrile Vielseitigkeit des Romans, der seitenweise eher essayistisch geschrieben ist, macht ihn zu einem ganz besonderen Stück Literatur - voller Ironie, subtiler Komik und Weisheit.

Doron Rabinovici: Andernorts, Suhrkamp Verlag, Berlin, 286 S., 19,90 €


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