JOHANNESBURG (BLK) – Der mehrfach für den Literatur-Nobelpreis nominierte südafrikanische Schriftsteller André Brink meldet sich bei den deutschen Lesern mit der Übersetzung seines vor Jahren herausgegebenen Kolonialromans „The other side of the silence“ (Die andere Seite der Stille) zurück. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa spricht Brink über den Roman mit deutschem Bezug und kündigt für Anfang 2009 seine Memoiren an. Außerdem äußert er sich enttäuscht über die gesellschaftliche Entwicklung am Kap.
Was hat Sie zu diesem ungewöhnlichen Kolonialroman inspiriert?
Brink: „Ich habe in einer namibischen Zeitung einmal einen Artikel über deutsche Frauen gelesen, die in die Kolonien geschickt wurden um den Soldaten der Schutztruppe ihr Los zu erleichtern. Diese Geschichte ließ mich nicht los. Aber es dauerte eine Weile, bis ich sie umsetzte. Ich brauchte eine fiktive Frau, die das Los der vielen Frauen repräsentierte. Ich fand die Geschichte so schrecklich, dass ich viele Jahre brauchte, bevor ich sie schließlich angehen konnte.
Warum hat es trotz des deutschen Bezugs so lange gedauert, bis der Roman in Deutschland erscheint?
Brink: „Das ist mir selbst ein Rätsel, denn sonst war er überall ein Erfolg. Ich habe mehrfach gehört, dass deutsche Verleger die Geschichte zu brutal fanden. Das mag ich vor dem Hintergrund der modernen (deutschen) Geschichte einfach nicht glauben. Ich bin aber sehr froh darüber, dass sich dann doch ein Verleger gefunden hat. Letztlich wird er also in dem einen Land veröffentlicht, in dem ich ihn stets veröffentlicht sehen wollte.“
Ihre Romane sind oft düster, voller Verzweiflung.
Brink: „Ich persönlich sehe ‚Die andere Seite der Stille’ nicht als ganz pessimistische Geschichte, denn zum Schluss triumphieren ja Mut und Menschlichkeit. Hanna, die Hauptfigur, mag physisch in mehrfacher Hinsicht besiegt worden sein, aber moralisch behält sie die Oberhand. Ich sehe die Hoffnung für die Zukunft der Menschen dieser Geschichte in der bevorstehenden Geburt eines Kindes. Möglicherweise wird zumindest die nächste Generation aus den Fehlern und dem Leiden der vorherigen lernen. Mit dem ungeborenen Kind am Ende der Geschichte versuche ich anzudeuten, dass in Zukunft etwas Besseres passieren kann. Ich spiele auch mit dem Gedanken, eines Tages einen Fortsetzungsroman zu schreiben.
Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Brink: „Ich beende gerade meine Memoiren, die Anfang kommenden Jahres herauskommen werden. Dann werde ich endlich wieder Romane schreiben, ich kann es gar nicht erwarten. Ich habe Arbeit für mehrere Jahre, die auf mich wartet...“.
Sie galten bereits zu Apartheidzeiten als kritische Stimme und aufmerksamer Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklung. In welche Richtung entwickelt sich Südafrika zur Zeit?
Brink: „Zur Zeit herrscht völlige Verwirrung. Es gibt eine enorme Unsicherheit, die momentan jeden einzelnen Aspekt des Lebens erfasst. Mir scheint, dass wir auch nicht allzu zuversichtlich hinsichtlich der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 sein können.“
Sind Sie enttäuscht über die Richtung, in die ihre Heimat driftet?
Brink: „Ich bin zutiefst enttäuscht und am Boden zerstört angesichts der Ereignisse der vergangenen Jahre. Vielleicht wurde ich ein Opfer dieser großartigen, wunderbaren Euphorie, die nach der ersten demokratischen Wahl das Land erfasst hatte. Obwohl mir schon recht früh bewusst war, dass sie nicht anhalten würde. Obwohl ich bereit war zu akzeptieren, dass Gewalt, Korruption und andere unschöne Dinge weiter geschehen würden. Dennoch dachte ich, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickeln würde. Heute bin ich da nicht mehr so zuversichtlich. Dennoch werde ich das Land nicht verlassen.“
Warum?
Brink: „Ich denke, dass es wichtig ist, dass Menschen, die das Land zum Erfolg führen wollen, auch bleiben. Sie sollten versuchen, zusammenzuarbeiten und weiter Hoffnung zu geben.“
Doris Lessing ist mehrfach für den Literatur-Nobelpreis nominiert worden und hat ihn erst sehr spät in ihrem Leben erhalten. Sie wurden ebenfalls mehrfach nominiert – wann ist es bei Ihnen soweit?
Brink: „Die Arbeit der Nobelkommission ist unergründlich. Ich kann mir das Warten aber einfach nicht erlauben. Ich bin ganz begierig darauf, mit der Schreiberei weiter zu machen.“
(Interview: Ralf E. Krüger, dpa/vol)