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Ein Sommer in den Südstaaten

Childress veröffentlicht seinen neusten Roman

© Die Berliner Literaturkritik, 27.06.11

MÜNCHEN (BLK) – Im August 2011 erscheint der neue Roman von Mark Childress. Es ist bereits der sechste Roman des Südstaatlers.

Klappentext:Sie tröstet vermögende (Ehe-) Männer. Keiner weiß vom anderen. Eine Stadt steht Kopf. In dem kleinen Ort Six Points in Alabama ist Georgia Bottoms stadtbekannt. Sie ist der Inbegriff der hübschen, temperamentvollen und wohlhabenden Südstaatenschönheit. Doch was niemand weiß: Von dem einst ansehnlichen Vermögen der Bottoms ist nichts mehr übrig. Georgia hat sich deshalb erfolgreich auf die Tröstung gelangweilter Ehemänner verlegt. Von Dienstag bis Sonntag trifft sie sich jeweils mit einem anderen vermögenden Herrn, allesamt respektable Würdenträger der kleinen Stadt. Keiner weiß vom anderen – und so soll es auch bleiben. Doch als die Pfarrersgattin Eugene Georgia auf die Schliche kommt und der untreue Ehemann sonntagmorgens auf der Kanzel seine Schuld bekennen will, bleibt der jungen Frau nichts anderes übrig als drastische Gegenmaßnahmen zu ergreifen …

Der 1957 geborene Mark Childress ist ein amerikanischer Autor und Journalist. Er veröffentlichte bereits fünf Romane, von denen zum Beispiel „Verrückt in Alabama“ sich wochenlang auf den Bestsellerlisten hielt. Childress gilt als einer der wichtigsten neueren Südstaaten-Schriftsteller und wird zuweilen mit Harper Lee verglichen. Derzeit lebt er in New York und New Orleans.

 

Leseprobe:

©Goldmann©

 

1

Wenn Eugene nur nicht so lange predigen wollte, dachte Georgia, dann hätte man viel leicht auch nicht die Zeit, darüber nachzudenken, wie heiß es in der Kirche war. Schweißperlen suchten sich ihren Weg um die einzelnen Rückenwirbel he rum und in den Bund ihrer Strumpfhose. Es war September, aber noch hielt der Sommer Alabama fest in seinen Klauen. Die globale Erwärmung scherte Georgia nicht im Geringsten, denn sie wusste, dass es in Alabama unmöglich noch heißer wer den konnte, als es jetzt schon war. Zwar sagten alle, es sei nicht so sehr die Hit e als viel mehr die Luftfeuchtigkeit, aber die Hitze allein genügte, um einen wahnsinnig zu machen. Und dann kamen noch die Moskitoschwärme hin zu und erledigten einen vollends.

   Den Sommer in Alabama konnte man nur auf eine Weise überleben: Irgendwann im April setzte man sich hin und hielt still bis Oktober. Oder man verschwand ganz aus Alabama. Oder man folgte dem Rest des Südens und füchtete sich in die Arme der einen wahren Religion – der Klimaanlage –, deren Segen die First Baptist Church und der größte Teil von Six Points zu diesem späten Zeitpunkt noch immer nicht empfangen hatten.

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   Für Fremde ist es schwer zu glauben, dass es noch im Jahr 2001 eine Stadt gab, die so weit weg von der Interstate und so weit hinter der Zeit zurücklag, dass sie kein Kabelfernsehen und keinen Walmart, weder McDonald’s noch Starbucks und kaum Klimaanlagen hatte. Die meisten Leute in Six Points fanden es gar nicht schlecht, ein paar Schritte hinter dem Rest der Welt her zu trödeln. Sie saßen gern auf ihren Veranden und kühlten sich mit einem Glas Eistee ab. Sie hatten gern einen so verlässlichen Grund zum Klagen, wie die Hitze es war.

   Georgias Haus war das einzige in der Magnolia Street, das über eine zentrale Klimaanlage verfügte. Die Pinsons, zwei Häuser weiter, hat ten ein Gerät unter dem Fenster im Schlafzimmer, aber die Simpsons besaßen überhaupt keine Klimaanlage, und die Wallers auch nicht, ja, nicht mal Billy Russum an der Ecke Cedar mit seiner schicken Freundin Dawn aus Lowndes County, bei der man doch hätte meinen können, sie wäre die Erste, die eine haben wollte. Nein, in Six Points herrschte die allgemeine Auffassung, eine Klimaanlage mache einen heißen Sommer nur noch heißer, denn immer wenn man in die Hitze hinausging, zählte man die Augenblicke, bis man wie der ins Kühle zurückkonnte. Richter Barnett sagte immer, Klimaanlagen seien etwas für Leute, die nicht genug Geduld für die Hitze hätten. Georgia fand das lächerlich und hielt sie alle für Idioten. Die Klimaanlage war die größte Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit. Im Juli und August stellte sie den Thermostat immer auf zwanzig Grad, und die große Carrier-Anlage im Garten brummte dann wie ein Dynamo. Am liebsten wäre sie noch in diesem Moment aus der brütend heißen Kirche geflohen und nach Hause gelaufen, um den Thermostat so weit herunter zu drehen, dass sie fror und eine Wolldecke für die Füße brauchte. Dann würde sie den Propanbrenner im Kamin einschalten und ein schönes Tässchen Tee trinken, während alle anderen in der Stadt in ihre Fruit-of-the-Looms schwitzten.

   Ob sie den Thermostat so weit herunterschalten könnte, dass sie Erfrierungen bekäme? Und wenn man ihr Finger und Zehen amputieren müsste, könnte sie dann wohl einen Job bekommen, bei dem man einen Computer mit einem von diesen Headsets bediente, in die man hineinpusten musste?

   „Wenn wir eine interpretierende Perspektive einnehmen“, drang Eugene Hendrix’ monotones Geleier an ihr Ohr, „begreifen wir allmählich, warum Paulus in seiner Antwort an die Epheser eine verwunderte Haltung einnimmt, fast so, als stürzte ihr mangelnder Glaube ihn in Zweifel. Als wäre ihr Agnostizismus eine ansteckende Krankheit, die ihn auch befallen habe.“

   Wenn Eugene doch nur nicht mit diesen Zehn-Dollar-Wörtern aus dem Seminar um sich werfen wollte – „Agnostizismus“ und „interpretierende Perspektive“ und so weiter. Er sah nicht übel aus, eigentlich sogar ganz gut auf seine nervöse, gelehrtenhafte Art, aber als Prediger hätte er eine ordentliche Dosis „Halt-den-Mund-und-setz-dich-hin“ gebrauchen können. Sei ne kleine Haartolle war niedlich, wie sie so senkrecht hochstand. Die John-Lennon-Brille verstärkte die jungenhafte Erscheinung. Das Problem war, dass seine Predigten sich endlos hinzogen, bis Georgia den unwiderstehlichen Drang verspürte hinaus zu rennen. Wenn Eugene doch nur ab und zu im Reader’s Digest blättern und etwas halbwegs Witziges oder Geistreiches heraussuchen würde, damit sie wach bliebe, statt sich auf das Rinnsal zu konzentrieren, das da durch die Täler ihrer seidenen Unterwäsche tröpfelte.

 

©Goldmann©

 

Literaturangabe:

CHILDRESS, MARK: Haben Sie das von Georgia gehört? Übersetzt von Rainer Schmidt. Goldmann Verlag, München 2011. 320 S., 18,99 €.

 

Weblink Goldmann


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