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Superkapitalismus

Wie die Wirtschaft unsere Demokratie untergräbt

© Die Berliner Literaturkritik, 17.07.09

FRANKFURT/MAIN (BLK) – Im Januar 2008 ist beim Campus Verlag das Sachbuch „Superkapitalismus“ von Robert Reich erschienen.

Klappentext: Nie zuvor war die Wirtschaft so mächtig wie heute. Sie dominiert alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens, auch die Politik. Robert Reich berichtet, wie es dazu kam und wie wir als Bürger die Demokratie stärken können. Früher gab es einfach nur Kapitalismus. Heute gibt es den Superkapitalismus. Unter dem Druck der globalen Konkurrenz und der Finanzmärkte haben die einzelnen Unternehmen an Macht verloren, hat die Wirtschaft insgesamt an Dynamik und Stärke gewonnen. Sie expandiert und nutzt alle Mittel, bemächtigt sich der Politik und gefährdet so die Demokratie. Dieser Konflikt steckt in jedem von uns.Wir sind Anleger und Verbraucher und als solche werden wir von der Wirtschaft gut bedient. Zugleich sind wir Bürger und spüren die Schwäche der von der Wirtschaft dominierten Politik. Robert Reich ruft dazu auf, unsere bürgerlichen Interessen wieder klar zu erkennen und den Superkapitalismus aus der Politik zu verbannen.

Robert Reich ist Professor an der University of California und einer der einflussreichsten Intellektuellen der USA. Er war von 1993 bis 1997 Arbeitsminister unter Bill Clinton. Reich ist Autor mehrerer Bücher, darunter „Die neue Weltwirtschaft „ (1993) und „Goodbye, Mr. President“ (1998). (rud/ber)

Leseprobe:

©Campus Verlag©


Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die Revolution in Wirtschaft, Demokratie und Alltag

Ein Blick auf den Superkapitalismus der USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts vermittelt Ihnen einen Eindruck davon, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen wird. In den USA ist der Superkapitalismus am weitesten entwickelt, doch der Rest der Welt hat denselben Weg eingeschlagen. Von allen Industrienationen weisen die USA die größte Ungleichverteilung von Einkommen und Wohlstand auf, doch die Einkommensschere geht auch in den anderen Nationen immer weiter auseinander, da Globalisierung und technologischer Wandel die Arbeitsmärkte weltweit spalten. Im Vergleich zu ihren Mitarbeitern verdienen US-Vorstandsvorsitzende mehr denn je, doch die Vorstandsvorsitzenden anderer Länder holen auf, da der Arbeitsmarkt für Topmanager immer globaler wird. Die Arbeitsplatzunsicherheit ist in den USA größer als in anderen Industrienationen, doch diese Entwicklung hat längst auch den Rest der Welt erfasst. Die USA verbrauchen weltweit die meisten Rohstoffe und sind der größte Umweltverschmutzer, doch der Abstand zu Ländern wie China, Indien und der Europäischen Union verringert sich. In den USA leiden mehr Menschen unter Übergewicht, doch auch hier holen andere Länder auf.

Kritiker beschuldigen gern die USA für Fehlentwicklungen, sprechen von der „amerikanischen Krankheit“ oder beklagen, dass die USA dem Rest der Welt „ihr System“ aufzwängen. Doch das ist ein naives und gefährliches Missverständnis. Der wahre Schuldige ist der Superkapitalismus, ein immer stärker werdendes Wirtschaftssystem, in dem Verbraucher und Anleger immer mehr Macht haben und Arbeitnehmer und Bürger immer weniger.

Dieser Superkapitalismus ist jedoch eine paradoxe Erscheinung, denn wir sind in der Regel nicht nur Arbeitnehmer und Bürger, sondern auch Verbraucher und in wachsendem Maße Anleger. Die Machtverschiebung von Arbeitnehmern und Bürgern zu Verbrauchern und Anlegern, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten, ist also auch eine Verschiebung in uns selbst und hat einen Wandel unserer Weltsicht, unserer Prioritäten, unseres Alltags und unserer gesamten Gesellschaft zur Folge. Immer häufiger sehen wir uns an erster Stelle als Verbraucher und Anleger und sind als solche unablässig auf der Suche nach den bestmöglichen Kaufangeboten und Anlagemöglichkeiten.

Der Superkapitalismus hat unsere Spielräume als Verbraucher und Anleger radikal vergrößert und ermöglicht es uns, in aller Welt nach Schnäppchen zu suchen. Den Preis dafür bezahlen wir als Arbeitnehmer und Bürger. Unsere Arbeitsplätze und Löhne werden immer unsicherer, und wir sind immer weniger imstande, unsere Rolle als Bürger auszufüllen.

In vielen Ländern der Welt ging dem Superkapitalismus ein Wirtschaftsmodell voraus, in dem Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie eine wie immer geartete Verbindung eingingen. In den USA nannte sich dieses Modell „demokratischer Kapitalismus“, in Deutschland war es die „soziale Marktwirtschaft“. Wie immer man dieses System nennen mag, es handelte sich um eine Mischung aus freier Marktwirtschaft, sozialer Absicherung und demokratischen Prozessen. Diese „Mischwirtschaften“ waren enorm erfolgreich, sie ließen weite Teile der Bevölkerung am Wohlstand teilhaben und boten ihren Bürgern ein hohes Maß an Sicherheit.

Doch dank der neuen Technologien haben Verbraucher und Anleger in den vergangenen Jahren eine geradezu grenzenlose Vielfalt neuer Wahlmöglichkeiten hinzugewonnen. Die Folge war eine Stärkung der freien Märkte und eine Schwächung der sozialen Sicherungssysteme.

Die Antwort kann nicht darin bestehen, den globalen Konzernen mehr »soziale Verantwortlichkeit« abzuverlangen oder zu erwarten, dass Nichtregierungsorganisationen einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz schaffen. Im Zeitalter des Superkapitalismus können es sich global agierende Konzerne gar nicht leisten, sozial verantwortlich zu handeln, da Kunden und Investoren anspruchsvoll sind und die Konkurrenz groß ist. Nichtregierungsorganisationen sind nützliche Einrichtungen, doch sie können kein Ersatz für demokratische Prozesse sein, in denen wir als Arbeitnehmer und Bürger die Vorstellungen unserer Gesellschaft formulieren.

Wie ich auf den folgenden Seiten ausführen werde, muss die Antwort vielmehr darin bestehen, den Unternehmen so viel Spielraum im Konkurrenzkampf zu lassen, wie sie im Superkapitalismus benötigen, um uns als Verbraucher und Anleger auf diese Weise die bestmöglichen Angebote unterbreiten zu können. Doch sie muss auch darin bestehen, die Demokratie vor dem Superkapitalismus zu schützen und den Einfluss der Unternehmensgelder und der Lobbyisten einzuschränken, sei es in Washington, Brüssel, Berlin, Tokio, Peking, Seoul, New Delhi, Sydney oder an jedem anderen Ort, an dem die repräsentative Demokratie unsere Werte als Arbeitnehmer und Bürger zum Ausdruck bringt.

©Campus Verlag©

Literaturangabe:

REICH, ROBERT: Superkapitalismus. Wie die Wirtschaft unsere Demokratie untergräbt. Übersetzt von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008. 328 S., 24,90 €.

Weblink:

Campus Verlag


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