Von Gisela Ostwald
NEW YORK (BLK) - Kaum erschienen, hat „Flammender Zorn“, der dritte und letzte Band von Suzanne Collins postapokalyptischer Jugendbuchreihe „Die Tribute von Panem“, die Bestsellerlisten in Deutschland erobert. „Spiegel“ und „Focus“ führen das Buch aktuell auf Platz eins. Und dies, obwohl die Fantasy-Story um Jugendliche, die in einer Arena zu tödlichen Spielen gegeneinander antreten müssen, kein leichter Lesestoff ist.
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Selbst Collins Kollegen sind begeistert. „Ich konnte sie einfach nicht aus der Hand legen“, schwärmte der Thriller- und Horrorautor Stephen King über die „Panem“-Bücher. Stephenie Meyer, die mit den „Twilight“-Vampiren Weltruhm erworben hat, empfiehlt, sich einen Tag freizunehmen und schon ganz früh am Morgen mit dem Lesen zu beginnen. Schon der zweite Band habe ihre „sehr hohen Erwartungen weit übertroffen“, sagte Meyer.
Für den ersten Band, „Tödliche Spiele“, war Collins 2009 der Literaturpreis Buxtehuder Bulle und ein Jahr später der Deutsche Jugendliteraturpreis verliehen worden. Es gibt Internet-Foren und Clubs, die sich mit dem Inhalt der Trilogie, der Rebellion junger Idealisten gegen eine gewalttätige Regierung, auseinandersetzen.
Ein solches Echo ist genau das, was Collins sich gewünscht hatte: “Mir liegt daran, dass meine Leser darüber nachdenken, wie sie selbst sich in den Situationen verhalten würden, in denen (die beiden Helden) Katniss und Peeta ums Überleben kämpfen, und wie solche Situationen am besten zu vermeiden sind“.
Die 47-jährige Amerikanerin lebt mit ihrem Mann, einem Sohn (16) und einer Tochter (11) unweit von New York City im US-Bundesstaat Connecticut. Collins hatte ursprünglich Schauspielerin werden wollen, entschloss sich dann aber, lieber Texte selbst zu schreiben als die von anderen zu sprechen, wie sie der Nachrichtenagentur dpa bei einem Gespräch verriet. Sie studierte in New York und ging dann zum Fernsehen, wo sie Drehbücher für Familien- und Kinderprogramme unter anderem beim Sender Nickelodeon verfasste.
Erst 2003 hängte Collins ihren TV-Job an den Nagel. Nun sitzt sie jeden Morgen zu Hause an ihrem Schreibtisch und schreibt, wenn sie in Fahrt kommt, etwa fünf Stunden „wie in Trance“. Schon ihre erste Buchserie über die Abenteuer von Gregor und seiner kleinen Schwester Boots wurde in mehrere Sprachen übersetzt. „Die Tribute von Panem“ werden mittlerweile von Fans in 41 Ländern verschlungen, sagt die Autorin nicht ohne Stolz.
Mit ihnen hofft Collins, Jugendlichen klarzumachen, dass Kriege alles auslöschen und die Erde bei der heutigen Waffentechnologie unbewohnbar machen können. Die Geschichte von Panem, einem Staat, der aus den Trümmern eines zerstörten Nordamerika entstand, ist eine beklemmende Zukunftsvision um Liebe, Tod und die Gewalt der Medien. Sie ist wunderbar geschrieben, tiefgründig und fesselnd, voller Action, Tempo und Überraschungen. Kein Wunder, dass Hollywood die Rechte erworben hat und Teil eins voraussichtlich 2012 in die Kinos bringt. Das Drehbuch? Stammt natürlich von Collins selbst.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa äußert sich Collins (47) dazu, wie es zu der Bestsellerserie kam.
Was wollen Sie Ihren jungen Lesern durch die Trilogie vor allem näher bringen?
Collins: „Wenn ich mich auf einen Punkt beschränken muss, ist es dieser: Krieg ist der falsche Weg für uns Menschen, um Konflikte zu lösen. Die Geschichte hat uns gelehrt, Probleme gewaltsam anzugehen. Heute müssen wir umdenken: Durch die technischen Fortschritte und die Verbreitung von Waffen kann ein Krieg unseren Planeten so gut wie unbewohnbar machen. Um das zu verhindern, müssen sich alle beteiligen. Einer allein schafft es nicht. Ich hoffe auf die Evolution unserer Gesinnung. Das heißt, dass die Menschheit sich darauf einigt, friedliche Lösungen für ihre Konflikte zu finden.“
Die Trilogie wird von der am Ende 17-jährigen Katniss in Ich-Form erzählt. War es schwer für Sie, sich in die Welt von Heranwachsenden hineinzuversetzen? Haben Sie Ihre eigenen Kinder um Rat gefragt?
Collins: „Nein, mein Sohn (16) und meine Tochter (11) lesen die Bücher immer erst, wenn sie gedruckt sind. Was mich angeht: Ich empfinde meine Jugendjahre in der Erinnerung weitaus lebendiger als beispielsweise mein Alter in den Dreißigern. Ich glaube, dass es die Intensität der Teenager-Jahre ist, die sich so tief ins Gedächtnis eingräbt. Ich jedenfalls hatte keine Probleme, aus der Sicht von Jugendlichen zu schreiben.“
Warum schreiben Sie für junge Leser und nicht für Erwachsene?
Collins: „Ich finde jüngeres Publikum einfach spannender. Kinder und Teenager bilden sich erst noch ihre Meinung. Sie sind noch offen für eine Vielfalt von Ideen, während Erwachsene - ich selbst eingeschlossen - eher mit festen Ansichten an ein Thema herangehen. Außerdem schätze ich an jungen Leuten, dass sie so ehrlich sind. Sie halten ihr Urteil nicht zurück, ganz gleich, ob man es hören mag oder nicht. Wer als Schriftsteller Denkanstöße geben will, kann seine Leserschaft gar nicht jung genug wählen. Ich meine, dass junge Leser sich durch ein Buch schon früh mit Fragen beschäftigen können, mit denen sie später im wahren Leben konfrontiert werden. Ist das nicht ein sehr wertvoller Beitrag zu ihrer Entwicklung?“
Ihr Vater war ein hoher Offizier und für die Nato tätig. Kann es sein, dass Sie als Kind am Tisch oft Gesprächen über Kriegsgefahren zugehört haben?
Collins: „Mein Vater war nicht nur beim Militär, er war auch ein promovierter Politikwissenschaftler. Er hat unter anderem in der Militärakademie West Point Geschichte, Philosophie und Politik gelehrt. Es lag ihm ganz besonders am Herzen, seinen vier Kinder zu erklären, was Kriege auslöst, was in einem Krieg passiert und welche Folgen er haben kann.“
Waren Sie schon einmal in Deutschland?
Collins: „Ja, ich habe während der Schulzeit vier Jahre in Belgien gelebt. Das war von meinem 12. bis zu meinem 16. Lebensjahr. Von Brüssel sind wir über die Schule ständig zu Wettkämpfen nach Deutschland gefahren, einfach mal so zwölf Stunden für ein Volleyballspiel nach Bremen. Auch mit meiner Familie war ich viel in Deutschland: Ein wunderschönes Land.“
Literaturangabe:
COLLINS, SUZANNE: Die Tribute von Panem - Flammender Zorn,
Oetinger Verlag, Hamburg 2011. 430 S., 18,95 €.