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„Tatort“ Krankenhaus

Mängel am Gesundheitswesen

© Die Berliner Literaturkritik, 20.10.08

 

Von Susanna Gilbert-Sättele

In diesem Gesundheitswesen kann nicht jeder Patient genesen: Eine Fülle kritischer Beiträge zur aktuellen Gesundheitspolitik und dem deutschen Gesundheitswesen erscheinen in diesem Herbst auf dem Buchmarkt. Unter den Autoren auch der Journalist Udo Ludwig, der seit vielen Jahren den Mängeln der medizinischen Versorgung hierzulande nachspürt. In „Tatort Krankenhaus. Wie Patienten zu Opfern werden“, schildert Ludwig anhand exemplarischer Einzelschicksale, was schief läuft in Krankenhäusern. Und er beschreibt die Folgen eines Gesundheitssystems, das vor lauter Effizienzdenken das Wohlergehen der Patienten aus den Augen verliert. Immerhin kommen nach seinen Recherchen rund 400.000 Patienten jährlich durch Behandlungsfehler zu Schaden.

Auch der Mediziner und Wissenschaftsredakteur Werner Bartens beschäftigt sich in seinem Buch „Auf Kosten der Patienten. Wie das Krankenhaus uns krank macht“, mit dem Klinikalltag. Er beschreibt den Teufelskreis aus Effizienzdenken, Einsparwahn und Zeitmangel, in dem Ärzte, Pflegepersonal und Patienten gegeneinander ausgespielt werden.

Deutliche Kritik an unserem Gesundheitssystem übt Renate Hartwig in ihrem Buch „Der verkaufte Patient“. Die Autorin nennt Betreiber, Nutznießer und Trittbrettfahrer der fehlgeschlagenen Gesundheitsreformen und appelliert eindringlich an Ärzte und Patienten, sich aktiv Tendenzen entgegen zu stellen, die das bisherige Gesundheitssystem zu einem kommerzialisierten System verkommen lassen könnten.

Auch Gaby Guzek stellt in „Patient in Deutschland. Verraten und Verkauft“ das deutsche Gesundheitssystem an den Pranger. Sie wirft einen Blick hinter die Kulissen und beschreibt anhand praktischer Erfahrungen von Patienten und Ärzten die zunehmende Bürokratisierung sowie die Kontroll- und Sparzwänge im Gesundheitswesen, die Einflüsse der Lobbyisten und die Profitsucht von Unternehmen, die sich auf dem Gesundheitssektor tummeln.

In „Wachstumsmotor Gesundheit“ hat der CDU-Politiker Friedrich Merz als Herausgeber eine Reihe von Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens zu Aufsätzen über das Thema animiert – unter anderem Ärzte, Klinikbetreiber, Ökonomen, Pharmaexperten und Interessenvertreter. Unter den Autoren finden sich so prominente Namen wie Jörg-Dietrich Hoppe, der langjährige Präsident der Bundesärztekammer, oder Bert Rürup, der durch seine Vorschläge zur Reform des deutschen Rentenrechts bekannte Professor der Volkswirtschaftslehre. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl W. Lauterbach und Herbert Rebscher als DAK- Vorstandsvorsitzender skizzieren, was unternommen werden müsste, damit das Gesundheitssystem zum Wachstumsmotor der Wirtschaft werden kann.

Eine ganz handfeste Frage, mit der dann oft auch gesundheitliche Aspekte einher gehen, treibt Sabine Merta in ihrem Buch: „Schlank! Ein Körperkult der Moderne!“ um, nämlich die Frage, woher der moderne Kult um die Figur kommt. Die Autorin verfolgt das Ideal vom schlanken Körper zurück bis ins 19. Jahrhundert, als die Lebensreformbewegung gegen den „fetten“ Leib zu Felde zog und einen Lebensstil kultivierte, dessen Schönheitsideal uns bis heute prägt. Der Boom von Diäten, Fitnessgurus und Ernährungsratgebern belegt das. Einen Blick zurück in die Vergangenheit wirft auch Manfred Vasold in „Grippe, Pest und Cholera. Eine Geschichte der Seuchen in Europa“. Er kommt zu dem Schluss, dass die Frage, wer erkrankt, wer überlebt oder stirbt, keine rein medizinische, sondern immer auch eine soziale ist. Vasold analysiert daher die epochalen Infektionskrankheiten und ihre Einbettung in soziale und kulturelle Gegebenheiten.

Die beiden Autoren Gerhard W. Hacker und Ursula Demarmels wollen in ihrem Buch „Die neue Dimension der Gesundheit. Ganzheitlicher Schutz vor belastenden Umwelteinflüssen. Ein Ratgeber aus wissenschaftlicher und spiritueller Sicht“ das Thema Gesundheit auf eine viel höhere und umfassendere Ebene stellen. Das Ehepaar widmet sich den Fragen, ob gesundes Leben überhaupt noch möglich ist, und ob man den schädigenden Umwelteinflüssen noch etwas entgegenzusetzen hat. Die Autoren gehen unter anderem auf bestimmte Aspekte der Ernährung ein, sowie auf die Themenkomplexe Atemluft, Umweltgifte, Elektrosmog und Geopathie.

Beuge vor, und Du lebst länger, versprechen Gesundheitspolitiker und Ärzte. Untersuchungen zur Früherkennung von Krebs gelten mittlerweile fast als Bürgerpflicht. Der Medizinjournalist Werner Bartens nimmt in seinem Buch: „Vorsicht Vorsorge! Wenn Prävention nutzlos oder gefährlich wird“ gängige Empfehlungen unter die Lupe – vom Idealgewicht bis hin zu speziellen Krebsvorsorgeuntersuchungen –, um darzulegen, was Vorsorge ist und kann – und was nicht. Ebenfalls mit einer Vorsorgestrategie, nämlich Sport zu betreiben, um länger und gesünder zu leben, befasst sich der Biologe Midas Dekkers in seinem Buch „Der Gesundheitswahn. Vom Glück des Unsportlichseins“. Auf höchst vergnügliche und unterhaltsame Weise schlägt der Autor ketzerische Töne gegen den „Homo adidas“ an: „Man muss schon einen gehörigen Splitter im Auge haben, um eine Aktivität, die so viele Verletzte produziert, für gesund zu halten“.

Wer ab und zu krank ist, bleibt auf lange Zeit gesund. Dies behauptet Bert Ehgartner in „Lob der Krankheit. Warum es gesund ist, ab und zu krank zu sein“. Der Medizinjournalist plädiert darin für einen gesünderen Umgang mit Krankheiten und stimmt ein Loblied auf das Immunsystem an. Ehgartner will sein Buch nicht als Absage an ärztlichen Beistand verstanden wissen, auch nicht als generelle Absage an Antibiotika, fiebersenkende und entzündungshemmende Medikamente oder Impfungen, sondern er plädiert dafür, die Anwendung der Medizin kritisch zu hinterfragen.

Literaturangaben:
BARTENS, WERNER : Vorsicht Vorsorge! Wenn Prävention nutzlos oder gefährlich wird. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2008. 193 S., 7,50 €.
BARTENS, WERNER: Auf Kosten der Patienten. Wie das Krankenhaus uns krank macht. Eichborn Verlag, Frankfurt 2008. 280 S., 19,95 €.
DEKKERS, MIDAS: Der Gesundheitswahn. Vom Glück des Unsportlichseins. Karl Blessing Verlag, München 2008. 416 S., 19,95 €.
EHGARTNER, BERT: Lob der Krankheit. Warum es gesund ist, ab und zu krank zu sein. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008. 382 S., 16,95 €.
GUZEK, GABY: Patient in Deutschland. Verraten und Verkauft. Humboldt Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2008. 224 S., 14,90 €.
HACKER, GERHARD W. / DEMARMELS, URSULA: Die neue Dimension der Gesundheit. Ganzheitlicher Schutz vor belastenden Umwelteinflüssen. Ein Ratgeber aus wissenschaftlicher und spiritueller Sicht. Südwest Verlag, München 2008. 240 S., 17,95 €.
HARTWIG, RENATE: Der verkaufte Patient. Wie Ärzte und Patienten von der Gesundheitspolitik betrogen werden. Pattloch Verlag, München 2008. 284 S., 16,95 €.
LUDWIG, UDO: Tatort Krankenhaus. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 280 S., 16,95 €.
MERTA, SABINE: Schlank! Ein Körperkult der Moderne. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2008. 421 S., 29,50 €.
MERZ, FRIEDRICH (Hg.): Wachstumsmotor Gesundheit. Die Zukunft unseres Gesundheitswesens. Hanser Verlag, München 2008. 405 S., 19,90 €.
VASOLD, MANFRED: Grippe, Pest und Cholera. Eine Geschichte der Seuchen in Europa. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2008. 310 S., 24,90 €.


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