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T.C. Boyle wird 60

„Wassermusik“ und „Willkommen in Wellville“

© Die Berliner Literaturkritik, 02.12.08

 

Von Barbara Munker

SAN FRANCISCO (BLK) – T.C. Boyle hat nichts zu befürchten: Kritiker lieben seinen brillanten Erzählstil, neunzehn Bücher hat der Bestseller-Autor seit den 80er Jahren geschrieben, seine Romane sind in mehr als zwei Dutzend Sprachen übersetzt worden. Hochglanz-Magazine reißen sich um seine Kurzgeschichten, er zählt zu den Stars der amerikanischen Postmoderne, und doch hat er Angst, Rezensionen seiner Werke zu lesen. „Dazu braucht man eine dicke Haut, die ich nicht habe“, bekannte der Schriftsteller kürzlich bei einer Buchmesse im kalifornischen Santa Barbara.

Boyle, der am Dienstag (2. Dezember) 60 Jahre alt wird, geht im Februar mit seinem neuen Buch „Die Frauen“ auf Werbetour quer durch die USA. Im März reist er durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Auf über 500 Seiten beschreibt er den berühmten US-Architekten Frank Lloyd Wright aus der Sicht von dessen Frauen und Geliebten. Der Autor hat ein Faible für exzentrische historische Figuren. In „Wassermusik“ (1982), seinem ersten Roman, heftet er sich an die Fersen des britischen Afrikaforschers Mungo Park. „Willkommen in Wellville“ (1993) spielt im Sanatorium des Gesundheits-Apostels Dr. Kellog, der als Erfinder der Cornflakes in die Geschichte einging. Alan Parker hat den Kultroman über die exzentrische amerikanische Oberschicht um 1900 mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle verfilmt.

Mit „Dr. Sex“ (2005) über den amerikanischen Sexualforscher Alfred Kinsey knöpfte sich Boyle erneut einen Mann mit missionarischem Eifer und despotischem Charakter vor. „Ich fühle mich zu solchen Figuren hingezogen“, sagt der Autor, aber „ich kann Autorität nicht leiden“. Boyle liebt die Außenseiter der Gesellschaft und Menschen in Extremsituationen. Schräge Typen, absurde Geschichten und schwarzer Humor sind sein Metier.

In „Drop City“ (2003) folgt er einer Hippiekommune von Nordkalifornien nach Alaska. Der 1948 geborene Schriftsteller beschreibt das Aussteiger-Nirvana und den Rausch von freier Liebe und Drogen so treffend, als wäre er selbst 1970 dabei gewesen. Dass er mit Drogen und Alkohol viele Jahre experimentierte, gibt der Ex-Punk in seiner Biografie offen zu. Als Thomas John Boyle wuchs der Sohn eines Busfahrers und einer Sekretärin im US-Staat New York auf. Mit 17 nahm er den Namen Coraghessan eines irischen Vorfahrens an. Er studierte Englisch und Geschichte und wurde Lehrer an seiner alten, liberalen High-School. Er nahm Drogen, protestierte gegen den Vietnamkrieg und schrieb seine ersten Kurzgeschichten.

Nach der Aufnahme in den renommierten „Writers Workshop“ an der Universität in Iowa promovierte Boyle und folgte 1978 einem Ruf nach Los Angeles, wo er bis heute Kreatives Schreiben unterrichtet. Mit seiner Frau und drei Kindern lebt der Naturliebhaber allerdings abseits der Stadt in den Bergen bei Santa Barbara. Wie seine meist schrägen Charaktere fällt Boyle gerne aus dem Rahmen. Der hagere Kultschreiber mit Frank-Zappa-Bärtchen, Ohrringen und ungezähmten Haaren nimmt kein Blatt vor den Mund.

Der vehemente Gegner von US-Präsident George W. Bush schimpfte im Frühjahr über die Millionenspenden zur Finanzierung des Präsidentenwahlkampfes. Er forderte ein Verbot zur Verwendung fossiler Brennstoffe. Ein Jahr zuvor prophezeite er der Menschheit eine düstere Zukunft. „Wir werden untergehen, eine weitere ausgestorbene Art, und die Natur wird fortdauern, bis die Sonne irgendwann ein Roter Riese ist, der ohnehin alles verbrennt“, schrieb Boyle in der in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Menschen seien selbst Schuld am Untergang. Sie hätten durch ihre Technologie und ihre Gier die Natur schwer geschädigt, so Boyle.

In seinem Roman „America“ (1995) schilderte er das elende Leben illegaler Arbeiter in den USA. „Eine seltene literarische Leistung. Ein wahrhaft notwendiges Buch“, befand die „New York Times“ nach der Bucherscheinung. Boyle lege Feuer an die Moral des amerikanischen Mittelstands, hieß es. Sein erster Science-Fiction-Roman „Ein Freund der Erde“ (2001) handelt von einer apokalyptischen Umweltkatastrophe. Zuletzt beschäftige er sich in „Talk Talk“ (2006) mit den Gefahren von Identitätsdiebstahl.

Boyle liebt Buchtouren und sieht sich „als geborener Witzbold, der gerne auftritt“. Auf seiner Webseite „tcboyle.com“ wendet er sich häufig direkt an seine Fans. Ende September verriet er dort, dass schon 135 Seiten seines „neuen, neuen“ Romans fertig sind. Im Sommer 2009 wolle er „When the Killing's Done“ herausbringen. Um was es geht verriet er aber nicht.


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