Werbung

Werbung

Werbung

„Teufelskuss“

Die tödliche Leidenschaft eines Engels

© Die Berliner Literaturkritik, 28.04.10

MÜNCHEN (BLK) – Der Penhaligon Verlag hat den Roman „Teufelskuss“ von Sarwat Chadda im Januar 2010 veröffentlicht. Der Orginaltitel lautet „The Devil’s Kiss“ und wurde aus dem Englischen übersetzt von Maike Claußnitzer.

Klappentext: Das Leben ist nicht leicht für die junge Billi SanGreal, denn ihr Vater ist der Großmeister des Ordens der Tempelritter, und er hat sich in den Kopf gesetzt, seine Tochter ebenfalls zur Tempelritterin auszubilden. Doch Billi wäre lieber ein ganz normales Mädchen. Stattdessen muss sie sich nachts mit Waffenübungen, Geheimwissenschaften und Dämonen herumschlagen – und kann tagsüber in der Schule kaum noch die Augen aufhalten. Kein Wunder, dass sie die Chance ergreift, dem Orden und ihrem Vater den Rücken zu kehren, als der mysteriöse Michael in ihr Leben tritt. Er verspricht ihr einen Ausweg – und den Zauber der ersten Liebe. Doch Michael ist kein Mensch, sondern der Engel des Todes. Er plant, die Zehnte Plage – den Tod aller Erstgeborenen – über die Menschheit zu bringen. Und Billi soll dabei sein apokalyptisches Werkzeug sein.

Sarwat Chadda ist mit Geschichten über Saladin, Richard Löwenherz und die Kreuzzüge aufgewachsen. Er hat als Ingenieur an Großprojekten überall auf der Welt mitgearbeitet. Inzwischen lebt er mit seiner Familie in London und schreibt an der Fortsetzung der Geschichte von Billi SanGreal. (olb)

Leseprobe:

©Penhaligon Verlag©

Es sollte leicht sein, ihn zu töten. Er ist doch erst sechs. Warum dann dieses widerliche, zusammenschnürende Gefühl tief in ihren Gedärmen? Warum die kalte, klamme Feuchtigkeit, die ihr über den Rücken lief ? Er ist erst sechs. Billi stapfte durch das hohe, stachelige Gras auf das Ende des Parks zu. Der herbstliche Nachtwind flüsterte ihr etwas ins Ohr, hier unten in „der Grube“. Was für ein Name für einen Spielplatz! Aber niemand spielte hier – schon seit Jahren nicht mehr. Der niedrige Zaun war längst zusammengebrochen; vermoderte Bretter ragten aus der Erde hervor wie schiefe, schwarze Zähne. Die Wipptiere beobachteten sie aus leeren, hohlen Augen, und ihre alten Federn quietschten, als sie zur Begrüßung nickten. Der Junge saß auf einer Schaukel, der mittleren von dreien. Erst sechs. Billi ging mit der Maglite-Taschenlampe in der Hand näher heran; der Lichtstrahl erhielt Unterstützung vom Vollmond und den roten Lichtern des Crystal-Palace-Sendeturms, der über ihr wie ein großer, schwarzer Stachel in den Himmel aufragte. Die rostigen Ketten knarrten, als der Junge hin und her schaukelte, während er sie musterte. Vielleicht ist er es nicht. Vielleicht ist er nur ein normales Kind. Vielleicht muss ich ihn nicht umbringen. Er sah normal aus. Abgelatschte Turnschuhe, ein Paar Jeans mit Dehnbund und ein blaues Crystal-Palace-Oberteil. Ein Junge von hier. Normal, bis auf die Male an seinem Hals. Seine weiße Kehle war von dunkelvioletten Blutergüssen umgeben. Billi holte tief Luft und stieg über den alten Absperrzaun; das Herz pochte ihr heftig unter den Rippen. Der Spielplatz war kiesbestreut. Überall lag Müll: alte Dosen, schimmelige Zeitungen und brüchiges, braunes Laub, das von den skelettartigen Bäumen auf der Hügelkuppe heruntergeweht war. Aber die Fäulnis war nicht nur auf sanfte Alterungsprozesse zurückzuführen. Alle Anzeichen waren da. Für eine Verwüstung: einen Ort des Bösen. Unschuldiges Blut war vergossen worden und hatte den Boden selbst besudelt. Billi nahm an, dass sie, wenn sie zu lauschen gewagt hätte, noch immer das Echo von Todesschreien im Wind hätte hören können – und das Rascheln von Blättern im letzten Atemzug eines Kindes. Ein süßlicher, öliger Dunst stieg aus der Erde auf. Er hatte schon vorher in der Luft gelegen, aber als Billi die Schwelle überschritt, wurde er doppelt so dicht, und nach einigen Schritten fühlte sich ihre Lunge an, als würde sie darin ertrinken. Die wenigen Blumen und Gräser, die hier sprossen, waren grau und missgestaltet. Glänzende schwarze Käfer huschten mit gepanzerten Körpern über die Steine; dicke weiße, leuchtende Würmer wanden sich unter ihren Füßen. „Hallo“, sagte der Junge. „Hallo“, sagte Billi. Der Junge sah sie an. Ihm fehlte ein unterer Schneidezahn, aber abgesehen davon ließen seine Milchzähne sein Lächeln weich und ungezwungen wirken. Genau wie auf dem Foto. Ich könnte mich trotzdem irren. Aber mit jedem weiteren Schritt wurde ihr klarer, dass sie sich nicht täuschte. Wegen der Blutergüsse. Billi blieb ein paar Meter von ihm entfernt stehen. Die Male ließen auch nach all dieser Zeit noch die Abdrücke von Fingern erkennen. „Bist du zum Spielen hier?“, fragte er. Sieh ihm in die Augen. Das hatten sie ihr gesagt. War das nicht eine der ersten Lektionen, die sie im Orden gelernt hatte? Die Fenster der Seele. Sie hatte oft in ihre eigenen schwarzen Augen gestarrt und sich gefragt, was wirklich dahinter lag. Vielleicht nur noch mehr Dunkelheit. Der Junge stieg von der Schaukel, und Billi trat einen Schritt zurück; sie konnte nicht anders. Er sah zu ihr hoch, so dass der Mond ihm direkt ins runde Gesicht mit der Zahnlücke schien. Seine Augen funkelten wie Spiegel, wie Katzenaugen. Billi starrte sie an, aber da war nichts, nur ein leeres Spiegelbild. Er ist es. „Es tut mir leid, Alex. Ich bin hier, um dich zurückzubringen.“ „Woher weißt du, wie ich heiße?“ Was gab es schon, was sie nicht über ihn wusste? Sie hatte die alten Zeitungen gelesen und sich eine Woche lang durch die Bibliotheksarchive gewühlt. Sogar den verblassten, selbstgedrehten 8-mm-Film hatte sie sich angesehen, eine flackernde, gelbstichige Illusion von Leben auf einem weißen Bettlaken. Alexander Weeks. Sechs Jahre alt. Bartholomew Street 25. Schüler an der St.-Christopher’s-Grundschule. Bruder von Penny. Zuletzt 1970 gesehen.

©Penhaligon Verlag©

Literaturangabe:

CHADDA, SARWAT: Teufelskuss. Penhaligon Verlag, München 2010. 320 S., 14,95 €.

Weblink:

Penhaligon Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: