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Thomas Bernhard wäre 80 Jahre alt

Erregung und Aufruhr waren das Lebenselixier des faszinierenden Dramatikers

© Die Berliner Literaturkritik, 08.02.11

Von Irmgard Rieger

WIEN (BLK) - Ein Thomas Bernhard, altersmilde lächelnd, im Café Bräunerhof eine Mélange genießend, in Zeitungen blätternd und still sinnierend: „Hab ich's nicht gesagt“? Nichts kann sich Peter Fabjan, Halbbruder und Nachlassverwalter des Schriftstellers, weniger vorstellen. „Er würde sagen, Es ist alles schlimmer, als ich vorhergesagt habe, schrieb Fabjan in einem E-Mail-Interview der Nachrichtenagentur dpa: „Erregung war immer sein Lebenselixier".

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Stoff gäbe es auch heute genug für den „Antiheimatdichter“, den „negativen Staatsdichter“ Österreichs, wie er zu Lebzeiten genannt wurde. Die neue Rechte in Österreich zum Beispiel, die die Alt-Nazis abgelöst hat. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Auch „der weitere Niedergang zivilisierten Umgangs miteinander in Politik und Öffentlichkeit“, wie es Fabjan formulierte. Schließlich waren die gesellschaftlich-politischen Zustände stets der Ausgangspunkt für Bernhards Tiraden.

Am saturierten Bürgertum, das sich selbst genügte und die eigene nationalsozialistische Vergangenheit verdrängte, rieb er sich auf. Seine messerscharfen gesellschaftlichen Analysen wurden vom Feuilleton gefeiert, und sie spalteten die Nation. Mit pointierten Übertreibungen und groteskem Humor hielt er Österreich den Spiegel vor - und erntete dafür den Hass des Boulevards. In der Uraufführung von „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheater in der Regie von Claus Peymann erreichte die Aufregung um Bernhard 1988 einen letzten Höhepunkt.

Kurze Zeit später, am 12. Februar 1989, starb er mit 58 Jahren an einer Herzerweiterung. Bereits in Jugendjahren hatte er an Tuberkulose gelitten, Krankheit war sein lebenslanger Begleiter. Bernhard, der in Holland geboren wurde und in Salzburg sowie im südbayrischen Raum aufwuchs, machte seine subjektive Lebenserfahrung zum Schlüssel für seine literarische Welt. Krankheit und Tod wurden zu zentralen Motiven in seiner Prosa, der Grundton ist atemlos und getrieben, über weite Strecken monologisierend. Die Dramen sind getragen von gesellschaftskritischem Impetus, die brillanten Dialoge verlangen von den Schauspielern hohe Sprechkultur und Präzision.

„Der Blick auf Bernhards Werk hat sich stark geändert“, urteilte Martin Huber, Leiter des Thomas-Bernhard-Archivs in Gmunden in Oberösterreich, im Gespräch mit der dpa. „Als der Heldenplatz zum Skandal wurde, war Österreich geprägt von der Waldheim-Affäre und stand am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Inzwischen hat sich doch sehr viel getan. Bernhard löst keinen Skandal mehr aus. Heute wird sehr viel mehr die literarische Bedeutung wahrgenommen“. Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek fasste es einmal so zusammen: „Er ist das Maß der österreichischen Literatur. Keiner wird je mit ihm mithalten können.“


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