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Thomas Steinfeld als Sprachverführer

Zahlreiche Essays über den Umgang mit der Deutschen Sprache

© Die Berliner Literaturkritik, 22.06.11

STEINFELD, THOMAS: Der Sprachverführer. Die deutsche Sprache: was sie ist, was sie kann. Hanser, München 2010, 272 S., 17,90 €.

Von Sandra Fluhrer

Ein wenig scheint Thomas Steinfeld ihr nachzutrauern, der Zeit „Als Gotthold Ephraim Lessings oder Friedrich Schillers Theaterstücke ganze Völkerschaften in ihren Bann schlugen“, als, wie Steinfeld schreibt, „das Deutsche erfunden“ und in einer umfassenden Literarisierungskampagne „eine ganze Gesellschaft in einer Kultur“ zusammengeschlossen wurde. 

Doch dass Steinfeld, Leiter des SZ-Feuilletons und Professor für Kulturwissenschaften, in seinem Sprachverführer zwischenzeitlich dem Pathos und der Übertreibung anheim fällt, sei ihm verziehen, hat er doch nicht eigentlich ein reaktionär-kulturpessimistisches Buch geschrieben, sondern in erster Linie ein leidenschaftliches, leserfreundliches und unterhaltsames.

So beginnt Steinfelds Stilkunde auch nicht mit Goethe, Schiller und Lessing, sondern mit Kafka und einer präzisen Sektion des ersten Satzes der „Verwandlung“. Anhand zahlloser weiterer Beispiele kanonisierter sowie weniger stark rezipierter deutschsprachiger Literatur philosophiert Steinfeld in kurzen Essays über stilvollen und kreativen aber auch unschönen Umgang mit dem Deutschen. Durch die relativ zwanglose Form seiner Darlegungen vermeidet der promovierte Germanist ins Lehrbuchhafte abzugleiten und entwirft wie nebenbei eine kleine Geschichte der deutschen Sprache.

Dabei ist Steinfeld besonders an der Bedeutung der Literatur für die Entwicklung der Sprache gelegen. Neben überschwänglichem Lob für die großen Sprachverführer des Deutschen – Franz Kafka und Brigitte Kronauer werden besonders oft zu Rate gezogen – offenbart sich Steinfeld auch einmal mehr als harscher Kritiker. An den verschwurbelten Tautologien und Vagheiten des Wissenschaftsrates lässt der Feuilletonist kein gutes Haar: „Wer immer so schreibt, und so schreiben viele, scheint keine Vorstellung davon zu haben, dass es gutes Deutsch überhaupt gibt. Geschweige denn, dass er wüsste, wie es aussieht oder klingt.“ 

Aber auch Sätze von Günter Grass oder Judith Hermann beanstandet Steinfeld, wenngleich seine Kritik am oft unhinterfragten und von der Technik beeinflussten Alltagsgebrauch der deutschen Sprache schwerer wiegt. Symptome seiner ‚Berufskrankheit’ treffen Steinfeld auch jenseits des Schreibtischs und so holpert es den feingeistigen Feuilletonisten vom Touchscreen des Aufzugs im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung unerbittlich an: „Geben Sie Ihr gewünschtes Zielstockwerk ein“.

Im Vergleich mit Sprachen, die dem Deutschen nahe stehen, es prägen und geprägt haben – wie dem Lateinischen, Englischen und Französischen – weist Steinfeld auf Absurditäten und produktives Potential der deutschen Grammatik hin und kommt zu dem Schluss: „Viel mehr als eine noch so genaue Kenntnis der Regeln nutzt offenbar das Nachdenken, der bewusste, im wahrsten Sinne des Wortes: bedachte Umgang mit der deutschen Sprache.“ Grammatik und Leidenschaft sind für Steinfeld untrennbar verbunden.

Immer wieder zeigt sich Steinfeld als begeisterter und begeisterungsfähiger Leser. Zu einer Baggerbeschreibung Brigitte Kronauers fragt er, „Sieht man ihn nicht vor sich, diesen dicken Bagger, wie er brummt und brütet, klirrt und schaufelt?“ und zieht den eigenen Leser geschickt gleichzeitig in seinen Bann und in den Kronauers. Kein Zweifel, hier schreibt jemand, den die Sprache verführt hat und immer wieder neu betört. 

Als Nachschlagewerk eignet sich Steinfelds Stilkunde nicht, doch ist sie dafür umso leserfreundlicher. Durch ihre essayistische Form entwickelt sie eine eigene Ästhetik, die das Anliegen Steinfelds unterstreicht, Leidenschaft für und bewussten, aber gleichzeitig kreativen Umgang mit Sprache zu vermitteln.

Der Sprachverführer. Die deutsche Sprache: was sie ist, was sie kann ist ein kluges und anregendes Buch, das nicht nur für angehende Germanisten und Journalisten verständlich und lesenswert ist. Gerade deshalb schmerzt jedoch die Entscheidung des Verlags für den arg abgedroschenen Untertitel.

Weblink: Hanser Verlag


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