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Titanic – 30 Jahre unversenkt

Eine vollkommen ernst gemeinte Rückschau auf das Satire-Magazin

© Die Berliner Literaturkritik, 16.03.10

Von Marco Gerhards

Word up: „Egal, woran Sie glauben, was Sie gut finden, wem Sie vertrauen oder wen Sie bewundern – wir sind dagegen!“ Und das seit 1979, seit der ersten Ausgabe der Titanic, die anfänglich „Die Sonne“ heißen sollte. Oder sogar Einfalt Frankfurt, verfolgt man die süffisanten und auch nicht ganz ernst gemeinten Hintergrundartikel, die diese Best-of-Collage kräftig würzen.

Peter Knorr, einer der Gründungsväter und auch heute noch aktiv Mitwirkender, erinnert sich an fehlende Redaktionsräume, primitive Künstlergruppen und Egogebolze, das sich alles auf einen Nenner bringen lässt, der den Endsiebzigern anscheinend doch so zu Eigen war: der Idealismus! 50.000 Mark nämlich investierten die ersten Redakteure aus eigener Tasche, um den Start zu stemmen, man munkelt, sie hätten es nie zurückbekommen. Doch spätestens hier darf man anfangen, das Satirische auch als solches zu verstehen. Doch das ist bei der Titanic ja nicht immer einfach, denn alles, wirklich alles, so wie es das Eingangszitat, das dem Buch als nette Widmung vorangestellt wird, erklärt, wird verhunzt, verunglimpft, parodiert und getötet. So und nicht anders funktioniert radikale Hinterfragung und schonungsloser Journalismus.

Wir sind immer noch dankbar für den Papst und seinen heißen Akt der Sodomie, für Gabis erste Banane und Björn Engholms Quietscheentchenbad als Anspielung auf Barschels Wannenselbstmord. All dies legendäre Titelbilder, dem Prunkstück und wichtigsten Aufmacher des Satiremagazins, die in diesem schweren und opulenten Hardcoverbuch reanimiert werden. Doch nicht nur diese kommen wieder: die besten Artikel, die besten Glossen, die besten Bilder an die Leser, die besten Comics, der sonderbarste Sondermann, der abgefeimteste Hitlerwitz, die ehrlichste Blasphemie, die dümmsten Tricks, all das als Best-Of-Kollektion garniert mit ein paar frisch editierten Backgroundstorys.

Die endgültige Teilung Deutschlands forderte die Titanic kurz nach dem Mauerfall. Gut so, denn irgendeiner musste das ja in dieser Deutlichkeit mal machen. Deutschland war noch nie ein Land der Aufständigen, der Revoluzzer und der Unangepassten. Es nimmt ja auch nicht Wunder, dass die Titanic so was wie ein Vorzeigeantiblatt ist, den Ex-Ossi Eulenspiegel kennen doch die Wenigsten bzw. gibt’s den überhaupt noch?

So ist dieses Buch für Leute, die sich selbst in die Hose pinkeln, nicht gedacht, sondern mehr für diejenigen, die faschistoiden Fußballfans beim Pinkeln in die Hose zugucken wollen oder, der seltene Glücksfall, sich selbst in die Hose pinkeln und! darüber lachen können. Kann man das, hat man ein Kompendium für den immerwährenden Bücherschrank und eine herrliche Liste mit Helmut-Kohl-Gags, die auch heute noch unschlagbar sind. Ein jeder, der es noch nicht kennt, muss folgende Titelbilder aufsuchen: „Kohl gedopt! Wiedervereinigung war ungültig“ oder „Kohl 10 Gramm leichter. – Ist es Aids?“ Danke dafür, Titanic.

 

Literaturangaben:

KNORR, PETER: Titanic - das endgültige Satirebuch: Das Erstbeste aus 30 Jahren. Rowohlt Verlag, Berlin 2009. 400 S., 25 €.

 

Weblinks: Rowohlt

 

 


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