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Toni Morrison wird 80

Amerikas wortgewaltige Anklägerin blickt auf viele literarisch erfolgreiche Jahre zurück

© Die Berliner Literaturkritik, 18.02.11

Von Gisela Ostwald

NEW YORK (BLK) - Mit epischer Wortgewalt bohrt Toni Morrison seit vier Jahrzehnten in Amerikas Wunde. In allen ihren Romanen und Erzählungen kämpft die Tochter schwarzer Arbeiter leidenschaftlich gegen Rassismus. Eine „barbarische Ungerechtigkeit“ zerreißt nach ihren Worten die USA: „Schwarze haben keine Nationalität in diesem Land.“ Schon in ihrem Debüt „Sehr blaue Augen“ (1970) brodeln die Wut der Schwarzen gegen die Weißen und der Hass gegen sich selbst. In „Gnade“ (2010), ihrem jüngsten Werk, lässt Toni Morrison das Sklavenmädchen Florens von der Knochenarbeit auf einer Plantage in Viginia am Ende des 17. Jahrhunderts erzählen. An diesem Freitag (18.2.) wird Amerikas wortgewaltige Anklägerin 80 Jahre alt.

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Als ihr 1993 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, begründete Stockholm seine Entscheidung damit, dass Morrisons Romankunst, „geprägt von visionärer Kraft und poetischer Prägnanz, eine wesentliche Seite der amerikanischen Wirklichkeit verlebendigt.“ Sie war die erste Afroamerikanerin - und die erste gebürtige Amerikanerin seit John Steinbeck 1962 -, der diese höchste Ehre für Schriftsteller zuteil wurde.

Sie selbst vergleicht ihr episches Talent gern mit der Kunst eines Gourmetkochs. „Ich schreibe so, dass der Leser meine Worte lustvoll genießen kann, kostet, dann pausiert und schließlich weiter schwelgt.“ Den Hinweis, dass die Komplexität ihrer Sprache außer höchster Konzentration auch wiederholtes Lesen erfordert, quittiert die Autorin lachend: „That, my dear, is called reading.” (Das, meine Liebe, nennt man Lesen.) Nichts liege ihr ferner, als Fast-Food-Literatur zum schnellen Konsum zu produzieren.

Kritiker vergleichen Morrison mit William Faulkner, Amerikas großem Romancier des 20. Jahrhunderts. Ihre Romane, schon seit dem ersten Buchpreis 1977 und dem Pulitzerpreis 1988 höchst erfolgreich, erscheinen in aller Welt in Millionenauflage. Seit 1989 lehrt sie als Professorin für Geisteswissenschaften an der Elite-Universität Princeton (New Jersey).

Morrisons Popularität geht so weit, dass ihre Texte anlässlich der 100-Jahr-Feier der Carnegie Hall in New York in einem Zyklus von Liedern verarbeitet und von André Previn vertont wurden. Die „New York Times“ pries den „Zusammenklang des Poetischen, der Emotionen und der Symbolik“ in ihrem Werk. Das „Time“-Magazin brachte die Autorin auf der Titelseite, und Talk-Show-Queen Oprah Winfrey holte sie ins TV-Studio.

Ihren Roman „Menschenkind“ widmete Morrison jenen „60 Millionen und mehr“, die dem Sklavenhandel einst zum Opfer fielen. Dabei sei das afroamerikanische Element „eine prägende Substanz Amerikas, seiner Modernität“, sagte sie der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor Jahren bei einem Besuch in Hamburg. Beispiel Jazz: „Das war unsere Musik, als man sie noch als niedrig, dumm, unmusikalisch und primitiv verurteilte.“ Erst als Berlin und Paris den Jazz rückimportierten, wurde er auch in seiner Heimat USA ernst genommen.

In „Sehr blaue Augen“ erzählt die Autorin 1970, damals bereits Mutter von zwei Kindern und geschieden, von dem kleinen schwarzen Mädchen Pecola, das sich nichts sehnlicher wünscht als eben diese Augenfarbe. 1974 folgt der Roman „Sula“, 1977 das schwarze Familienepos „Salomons Lied“. Ihr viertes Buch „Teerbaby“ (1983) führt zwar auf eine Insel in der Karibik, bleibt aber durch die Auseinandersetzung seiner Hauptfiguren mit ihrer schwarzen Herkunft, sozialen Stellung und Identität dem zentralen Thema treu.

Mit dem Sklavenroman „Menschenskind“ begann Morrison 1987 eine Trilogie. Ihm folgten neben Essays und anderen kleineren Arbeiten 1992 der Roman „Jazz“ und das 500-Seiten-Werk „Paradies“. Es wurde von Kritikern als das komplizierte, aber auch „beste (Buch) dieser außergewöhnlichen Autorin“ gefeiert. In „Liebe“ (2004) beschrieb sie noch einmal Liebe, Eifersucht und Abhängigkeit in der „Community“ der schwarzen Stadtbewohner. Morrison selbst lebt mal in einer Wohnung mitten in New York und mal in einem Haus im malerischen Hudson Valley nördlich der City.

 


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