Fröhlich, ANNA KATHARINA: Kream Korner, Berlin Verlag, Berlin 2011, 170 S., 19,90 €.
Von Christina Horsten
„Kream Korner“, das ist ein kleines Restaurant auf dem Dach eines heruntergekommenen siebenstöckigen Zementbunkers irgendwo in Indien. Keine Brüstung, keine Mauer, kein Gitter. Zur Toilette muss der Gast über einen Stahlgrat zu einem klapprigen Verschlag balancieren. Die Tische sind dreckig und zur Auswahl stehen lediglich zwei Gerichte. Aber „Kream Korner“ ist auch noch etwas anderes, wie Anna Katharina Fröhlich in ihrem gleichnamigen neuen Roman einen kleinen Jungen sagen lässt: „Kream Korner is dream Korner.“
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Wie schon in ihrem ersten Roman „Wilde Orangen“ lässt Fröhlich auch diesmal ihre Protagonisten reisen - oder zumindest vom Reisen träumen. Die Ich-Erzählerin lebt mit Onkel und Tante auf einem Anwesen auf dem Land in Südfrankreich – „wo ich seit dem Tag, an dem sich meine Eltern dem Tod verschrieben hatten, seit meinem siebten Lebensjahr, untergebracht war“. Und sie lebt gerne dort - auch wenn das ungeheizte Haus im Winter zugig-kalt ist und selten Besuch kommt.
„Ich hatte (...) die richtige Wahl getroffen, und es war klug von mir gewesen, mich schon in jungen Jahren dem Landleben zu verschreiben und meine Kräfte in das Pflanzen von Kartoffeln und Karotten zu legen, nicht in Akten oder gar Aktien in Glasbüros.“ Schon jetzt weiß die junge Frau, dass sie unter ihrer senffarbenen Steppdecke einmal das Zeitliche segnen wird.
Aber trotz allem - das Fernweh bleibt und wird nach dem Tod des Onkels immer schlimmer. Gemeinsam studieren Tante und Nichte Heiratsanzeigen, aber die Ansprüche der beiden vielbelesenen Eigenbrötlerinnen sind hoch. „Welcher Mann aber hätte mich am Abend noch unterhalten können, wenn ich den Nachmittag mit Herodot oder Sologub zugebracht hatte?“
Bleibt als letzter Ausweg aller Sehnsüchte nur Indien, wo eine befreundete, sehr reiche Familie lebt. Tante und Nichte machen sich auf den Weg und schwelgen in exotischen Gefühlswelten. „Geruch von Weizen, Senf und Sesam, Geruch von Ziegenfell, Schlamm und Steinstaub, von Früchten und Jasmin drang in die offenen Fenster“ und in einem lachenden Rikschafahrer erkennen sie die „die Schönheit des göttlichen Lebens.“ Fazit: „Der Versuch zu begreifen, weshalb man Indien liebt, ist ebenso sinnlos wie der Versuch zu erklären, weshalb man das Leben liebt.“
Fröhlich versucht sich trotzdem an Erklärungen und schwelgt in Beschreibungen von Land, Leuten, Gerüchen, Speisen, Pflanzen und Kleidung. Das alles in einer - wie der Verlag es nennt - „herzerfrischend uncoolen Sprache“. Fröhlich will nicht „cool“ sein, ihr Held ist Gustave Flaubert, der französische Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert. Beschreiben kann die 1971 in Bad Hersfeld geborene Schriftstellerin - aber die Geschichte bringt sie damit nicht voran. Es passiert so gut wie gar nichts in „Kream Korner“. Trotzdem ließt es sich rasch und angenehm.
Schon Fröhlichs Vater war Schriftsteller. Der 1986 gestorbene Hans-Jürgen Fröhlich schrieb zahlreiche Romane und erhielt dafür unter anderem den Rom-Preis der Villa Massimo und den Sonderpreis der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises.
Weblink: Berin Verlag