MARBACH AM NECKAR (BLK) - Andere Länder und Kulturen haben nach Ansicht des deutsch-bulgarischen Autors Ilija Trojanow („Der Weltensammler“) großen Einfluss auf die deutsche Literatur der vergangenen Jahrzehnte genommen. Eine eigenständige sogenannte Migranten-Literatur gebe es aber nicht mehr. Werke von Autoren unterschiedlichster Herkunft, die mit der Ankunft der sogenannten Gastarbeiter begonnen hätten, seien heute ein fester und „kosmopolitischer“ Teil der deutschen Literatur, sagte Trojanow im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Marbach am Neckar.
Im Deutschen Literaturarchiv Marbach debattierten Literaturwissenschaftler und Autoren jetzt bei einem Symposium über die sogenannte Chamisso-Literatur oder auch Migranten-Literatur: deutschsprachige Werke von Dichtern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Diese ausländischen Schriftsteller, die auf Deutsch schreiben, hätten die Rolle übernommen, die einst der deutsch-jüdischen Literatur zustand, sagte der 44-Jährige. Die Werke von Autoren wie Terézia Mora und Emine Özdamar erfülle eine „Brückenfunktion“, sie mache die deutsche Kultur weltgewandter.
Auch wenn gerade jetzt der Literaturnobelpreis mit Herta Müller an eine nach Deutschland eingewanderte Schriftstellerin gegangen ist, sieht Trojanow keinen „Trend“, solche Autoren zu entdecken. Schon Goethe habe sich intensiv mit dem Islam befasst, Hermann Hesse oder Thomas Mann mit Indien. „Es gab selten große Geister, die völlig im eigenen Saft schmorten.“
Umgekehrt werde die deutsche Literatur der jüngeren Generation auch stärker im Ausland rezipiert. „Ich habe aber erlebt, dass meine Verleger im Ausland das ´deutscher` vor Autor ganz klein geschrieben haben, weil sie mit deutscher Literatur eine langweilige, Ich-bezogene und zu intellektuelle Nabelschau verbinden.“ In den 1960er bis 1980er Jahren sei es aber auch erschreckend gewesen, wie „kleingeistig“ sich viele deutsche Schriftsteller mit „fremden“ Kulturen auseinandergesetzt hätten – „umso besser ist es zu sehen, wie sich heutige Werke lesen“, sagte der 44-Jährige. (dpa/wer)