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Truman Capotes Idol: Willa Cather

Vier ihrer Romane sind nun in der deutschen Übersetzung zu haben

© Die Berliner Literaturkritik, 12.02.10

Von Alexander Kluy

Am 24. August 1984 fragte Truman Capote seine enge Freundin Joanne Carson, was sie sich von ihm denn zum Geburtstag wünschen würde. „Truman“, will sie gesagt haben, „ich möchte, dass du schreibst. Wenn du schreibst, bin ich glücklich.“ Der 59-jährige Autor, der damals seit neun Jahren nichts mehr zu Papier gebracht hatte, nahm einen Kugelschreiber und einen Block, setzte sich auf die Terrasse und schrieb. Auf vierzehn Seiten schilderte er seine Zufallsbegegnung mit der Schriftstellerin Willa Cather in der New York Public Library.

Es war Winter 1942, er war 18 Jahre alt, für die damaligen Zeiten ungewöhnlich offen homosexuell und Redaktionsbote beim „New Yorker“, sie war Pulitzer-Preisträgerin, Ende 60 und das große Vorbild des ätherischen jungen Mannes, der schon früh wusste, was er werden wollte – Schriftsteller. Nur Schriftsteller. Sie standen gemeinsam unter dem Vordach, kamen ins Gespräch, gingen in ein Kaffeehaus. Erst im Lauf der Unterhaltung wurde Capote klar, dass die stämmige, dunkelhaarige Frau Willa Cather war, eines seiner literarischen Idole.

Am nächsten Tag, dem 25. August 1984, starb Capote, den Inhalt und Erfolg seines Buches „Kaltblütig“ buchstäblich überwältigt hatten, an einer Überdosis Tabletten in Carsons Haus. Das Manuskript „Remembering Willa Cather“ blieb 22 Jahre unveröffentlicht.

Wer war Willa Cather, die am Anfang und am Ende des Lebens von Truman Capote stand, dieses großen amerikanischen Autors? In der Library of America, der nordamerikanischen Literaturedition, die alle großen Autoren der USA der letzten 200 Jahre, von Henry Adams über William Faulkner bis zu Philip Roth versammelt, ist Willa Cather mit einer dreibändigen, 3400 Seiten starken Gesamtausgabe vertreten.

Doch hierzulande ist sie erst seit kurzem zu entdecken. Weshalb dieses mangelhafte Interesse? Immerhin wird ihre Prosa zum Bedeutendsten gezählt, was die amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts hervorbrachte. Leon Edel, einer der wichtigen US-Literaturkritiker, meinte: „Die Zeit wird kommen, da man sie über Hemingway stellen wird.“ Liegt es daran, dass ihre Romane zumeist im Mittleren Westen der USA spielen? Daran, dass sie sich avantgardistischen Techniken à la Gertrude Stein konsequent verweigerte? Dass sie sich nicht wie Virginia Woolf als Ikone des Feminismus eignete? Oder daran, dass sie mit ihrer lesbischen Neigung dezent umging und zudem alle ihre Briefe eigenhändig vernichtete und auch jene zur Vernichtung zurückforderte, die sie anderen geschickt hatte?

1873 wurde Willa Cather in Virginia geboren und kam mit zehn Jahren nach Red Cloud in Nebraska. Dieser Ort, Bevölkerungszahl: 2.700 Seelen, ein Jahr vor Cathers Geburt gegründet, lag am Rand der Welt, mitten in der Prärie. „Anderswo ist der Himmel das Dach der Welt, aber hier war die Erde der Boden des Himmels“, schrieb sie. In ihrem Roman „Meine Antonia“, in dessen Mittelpunkt eine so zauberhafte wie bezaubernde Tochter böhmischer Einwanderer steht, finden sich hinreißende, entflammte Beschreibungen der Prärie, die in Farbrauschkaskaden kulminieren (und in „Schatten auf dem Fels“, dem historischen, in Kanada angesiedelten Roman der Protestantin über den Katholizismus, liest man einige der berückendsten Wetterskizzen der Weltliteratur). Dabei gerät aber nie das extrem harte Leben der Menschen aus dem Blick. Aus der Sicht eines Freundes wird das Leben Antonia Shimerdas vor dem Hintergrund der Besiedlung des Mittleren Westens nach 1870 geschildert, wobei der Amerikanische Traum sich allerdings als keineswegs euphorisierend erweist. So sieht etwa Antonias Vater für sich nur einen Ausweg: Selbstmord. Zentrales Motiv ist hier wie so häufig bei Cather die Flucht, die Flucht vom Land und aus bitterer Armut in die Stadt – zugleich Cathers eigener Weg. Mit Mitte 20 war sie erst in Pittsburgh, später in New York eine erfolgreiche Journalistin und Redakteurin.

1922 notierte Willa Cather in einem ihrer berühmtesten Aufsätze, in „The novel démeublé“: „Wie wunderbar wäre es, wenn wir all die Möbel aus dem Fenster werfen könnten; und damit auch all die bedeutungslosen Wiederholungen in Bezug auf die Gefühle, die langweiligen alten Bilder, und den Raum so kahl wie die Bühne eines griechischen Theaters lassen könnten.“ Dies war auf ihren scheinbar kunstlosen Stil ebenso gemünzt wie auf ihre Figurenpsychologie. Sie folgte ihren Protagonistinnen nicht in die letzten Seelenverästelungen, ließ ihnen Geheimnisse und Überraschendes. Deshalb ist etwa Lucy Gayheart, eine Musikerin, von deren erster großer tragischer Liebe sie flirrend leicht erzählt, noch heute so lebendig in ihrer Sympathie, ihrem emotionalen Überschwang, ihrer Verwirrung. Eben deshalb ist auch Myra Driscoll in dem harschen Unliebeskurzroman „Mein ärgster Feind“ so unausschöpfbar mysteriös. Schon als die Erzählerin Nellie sie in New York besucht, trifft Myra die ernüchterte Aussage: „Die Liebe selbst bringt doch schon fast alles Unglück dieser Welt über eine Frau.“ Es ist zu hoffen, dass bald auch eine von Stefanie Kremer übersetzte Auswahl der Erzählungen Willa Cathers, dieser eindrucksvollen Autorin, folgt.

 

Literaturangabe:

CATHER, WILLA: Schatten auf dem Fels. Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schnack. Manesse Verlag, Zürich 2009. 416 S., 19,90 €.

CATHER, WILLA: Meine Antonia. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Kremer. btb Verlag, München 2009,. 320 S., 9 €.

CATHER, WILLA: Mein ärgster Feind. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Kremer. Knaus Verlag, München 2008. 112 S., 14,95 €.

CATHER, WILLA: Lucy Gayheart. Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schnack. Manesse Verlag, Zürich 2008, 352 S., 19,90.

 

Weblink:

Manesse Verlag

Knaus Verlag

btb Verlag


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