Von Thomas Borchert
Wie löst man sich als US-Bürger in London in Luft auf, um nicht einen Mord angehängt zu bekommen? Die alte Existenz samt Geburtsnamen sofort aufgeben, niemals ein Handy benutzen, nie eine Kreditkarte und am besten ohne feste Adresse in einem geschützten Brachland-Gestrüpp an der Themse campieren, sagt sich Adam Kindred. Er bricht sein Akademiker-Leben als Klimatologe mit einem Schlag ab und verwandelt sich in kurzer Zeit in einen bettelnden Clochard. Aber was nützt das alles, wenn auf der anderen Seite finstere Killer mit Kriegserfahrung aus dem Irak im Auftrag einer Pharma-Mafia hinter ihm her sind, weil er ungewollt Betrügereien mit einem neuen Asthmamittel auf die Spur gekommen ist?
Der Brite William Boyd erzählt das Duell zwischen Jägern und Gejagtem in seinem Thriller „Einfache Gewitter“ aus ständig wechselnden Perspektiven. Da ist die Prostituierte Mhouse, die Kindred abwechselnd ausnimmt und ihm hilft. Am Ende wird sie für ihre Hilfsbereitschaft teuer bezahlen. Statt der erhofften Kopfprämie bekommt auch der angeheuerte Killer und Ex-Soldat eine unerwartete Rechnung präsentiert, weil er immer wieder unglücklich stolpert, wenn er Adam ins Jenseits befördern will.
Ganz anders, aber ebenfalls mit einem hohen Preis bezahlt der Unternehmenschef, regelmäßige Hurenkunde und Potenzmittelbenutzer, Ingram Fryzer für seine Raffgier beim Einsacken von Pharmaprofiten. Er stößt auf noch raffgierigere, vor allem aber mächtigere Kontrahenten. Alle zusammen sind in einem multiethnischen London voller Zuwanderer und fein säuberlich getrennten Klassen hinter dem armen Adam Kindred her.
Boyd (57), vor drei Jahren mit „Ruhelos“ auch in Deutschland erfolgreich, hat einen überwiegend munteren und unterhaltsamen Thriller geschrieben. Mit ein paar richtig guten, weil total verblüffenden Kehrtwendungen der Geschichte, allerdings auch einer am Ende dann eher faden Auflösung des Plots. Dass das Campieren im Brachland vielleicht doch nicht die Lösung aller existenziellen Probleme sein muss, zeigt Adam ausgerechnet eine Polizistin namens Rita. Am Ende fragt er sich, ob er mit Ritas Hilfe vielleicht wieder sein altes Leben zurückerobern kann.
Literaturangabe:
BOYD, WILLIAM: Einfache Gewitter. Berlin Verlag, Berlin 2009. 592 S., 25 €.
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