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Über wahre Werte

Susanna Tamaro hat einen märchenhaften Roman geschrieben

© Die Berliner Literaturkritik, 06.11.09

MÜNCHEN (BLK) – Der Roman „Ein Tannenbaum“ von Susanna Tamaro ist von Maja Pflug aus dem Italienischen übersetzt worden und im November im Bertelsmann Verlag erschienen.

Klappentext: In einer Waldlichtung wächst ein Tannensprössling heran. Neugierig lernt er die Tier- und Pflanzenwelt kennen, denkt über die Menschen nach und freundet sich mit dem Eichhörnchen Crik an. Als die Tanne riesengroß geworden ist, wird sie eines Tages gefällt. Zusammen mit dem im Gezweig versteckten Eichhörnchen bringt man sie als Weihnachtsbaum auf den Petersplatz. Crik ist untröstlich, und auch die entwurzelte Tanne leidet in Rom. Das Eichhörnchen will ihr unbedingt helfen und entwirft einen raffinierten Plan, wie die Tanne in die Heimat zurückkehren kann. Susanna Tamaro beschreibt in ihrem modernen Märchen mit liebevollen Details die Lebenswelt der Bäume und Tiere und erzählt von den wahren Werten von Weihnachten.

Susanna Tamaro gehört seit ihrem Roman „Geh, wohin dein Herz dich trägt“(1994) sicher zu den meistgelesenen italienischen Autoren. Die Großnichte von Italo Svevo ist 1957 in Trieste geboren. Seit 1989 hat Tamaro etliche Romane veröffentlicht, welche in zahlreiche Sprachen übersetzt worden sind. Heute lebt und arbeitet Susanna Tamaro in Rom und bei Orvieto, Umbrien. (wer)

Leseprobe:

                                                    © C. Bertelsmann Verlag ©

Diese Geschichte beginnt vor vielen, vielen Jahren, als sich aus einem am Zweig hängenden Tannenzapfen ein kleiner geflügelter Samen löste, eine Weile gemächlich durch die Luft trudelte und dann in die Mitte einer großen Lichtung schwebte. Es war ein Morgen im späten Frühling, von den hohen Wipfeln kam noch ein eisiger Hauch, und die Bäche flossen von der Schneeschmelze geschwellt zu Tal. Im Sonnenaufgang sangen die Vögel wie ein einziges großartiges Orchester. Rotkehlchen, Zeisige, Finken, Gimpel, Dompfaffen wetteiferten miteinander um die Solostimme. Bald würde die Luft sich mit Insekten füllen: Es war also Zeit, sich eine Gefährtin zu suchen und die Grenzen des zukünftigen kleinen Reichs der Familie abzustecken. Tagsüber flogen die Paare hektisch über die Weiden. Bei Blättern und Flechten zögerten die Jüngsten: Passte dieses Zweiglein, war es lang genug? Und wenn wir auch noch diesen schönen Wollfaden nähmen, das Rosshaar, das sich dort in den Dornen verfangen hat? Zum ersten Mal einen Hausstand zu gründen, machte immer ein bisschen Angst. Werden die Eier es hier warm genug haben? Und wird es für die Kleinen, wenn sie heranwachsen, nicht zu eng werden? Und wenn mehr auf die Welt kämen als vorgesehen? Die alterfahrenen Paare waren gerührt angesichts so vieler Befürchtungen. „Macht euch keine Sorgen“, sagten sie zu den Jüngeren, während sie geschickt Moos und dürre Ästchen verflochten, „habt Vertrauen! Euer Herz weiß schon alles.“ Nach einer Woche gab es keinen Baum und keinen Strauch im Wald, in dem sich nicht ein gemütliches, bauchiges kleines Nest verbarg. Manche waren rund und winzig: außen weiches Moos, innen kuschelige Wolle. Andere, größere, bestanden nur aus ineinander geflochtenem Reisig. Wieder andere – ein Knäuel aus Flechten, trockenen Blättern und Zweiglein – hingen von den Bäumen wie Nikolausstrümpfe. Jedes war nach den Bedürfnissen des kommenden Nachwuchses geplant und gebaut worden, mit hohen, stabilen Rändern, um in den noch kalten Nächten die laue Wärme zu speichern, die Ungezogenheiten der unternehmungslustigsten Küken auszuhalten und sie gleichzeitig vor dem Auge der Raubvögel zu schützen. Eines schönen Tages folgte im Wald auf die rege Beschäftigkeit des Nestbaus die zärtliche Stille des Brütens. Während die Männchen auf der Suche nach Nahrung für ihre Bräute unterwegs waren, gab es stürmische Regentage. Der Regen peitschte Bäume und Wiesen, machte die Stämme nass und nährte den Boden, und die Samen, die geduldig in der Erde warteten, begannen anzuschwellen. Nach dem Regen schien wieder die Sonne, und das Häutchen, das die Samen wie ein zu enges Kleid umschloss, zerriss. Auch der kleine geflügelte Samen ging auf, verankerte sich mit einer winzigen Wurzel im Boden und schickte ein zartes Federchen nach oben auf der Suche nach Licht.

                                                      © C. Bertelsmann Verlag ©

Literaturangabe:

TAMARO, SUSANNA: Ein Tannenbaum. Das Märchen einer Freundschaft. Übersetzt aus dem Italienischen von Maja Pflug. C. Bertelsmann Verlag, München 2009. 128 S., 10 €.

Weblink:

Susanna Tamaro

C. Bertelsmann Verlag


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