Werbung

Werbung

Werbung

Übersetzer hadern mit Grass

Das neue Werk „Grimms Wörter“ löst Übersetzungsdilemma aus

© Die Berliner Literaturkritik, 16.03.11

Von Dorothea Hülsmeier

STRAELEN (BLK) – „Ach, alter Adam!“ - Das seufzt wohl so mancher Übersetzer, der sich an das neue Werk „Grimms Wörter“ von Literaturnobelpreisträger Günter Grass heranwagt. Wie konnte der Schriftsteller überhaupt das 32-bändige „Deutsche Wörterbuch“ – von den Brüdern Grimm 1838 begonnen, fertiggestellt erst 1961 - in einen literarischen Text fassen? „Von A wie Anfang bis Z wie Zettelkram“ wird der Leser in Grass' Werk durch die deutsche Sprach-, Wort- und Literaturgeschichte geführt.

Unterstützen Sie dieses Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen - es geht ganz einfach und ist ab 10 Euro versandkostenfrei! Vielen Dank!   

Trübsal, Labsal, Scheusal - warum enden diese Wörter alle auf "-al"? Was ist ein Angstrad? Und immer das Wörtchen „es“: „Es tagt“, „es zieht“, „Es ist ein Ros' entsprungen.“ Oili Suominen aus Finnland kapituliert. Sie hat Grimms Märchen und mehr als ein Dutzend Werke von Grass ins Finnische übersetzt. Nun gibt sie auf. „Unser Alphabet geht von A bis Ö, und es gibt keine finnischen Wörter mit Z“, sagt sie bei einem Kolloquium von Grass mit Übersetzern im niederrheinischen Straelen.

Seit mehr als 30 Jahren trifft sich Grass nach jedem neuen Buch mit seinen Übersetzern und diskutiert mit ihnen tage- und nächtelang. Silvia Brice aus Lettland scheitert am althochdeutschen „Aphul“, aus dem der „Apfel“ wurde. Ljubomir Iliev aus Bulgarien hat sich dagegen die literarische Freiheit erlaubt und den Essay über den Buchstaben „F“ mit Wortspielen rund um das Wort „Flug“ in eine Hommage an den Buchstaben „P“ im Bulgarischen verwandelt.

Ganz einfach machte es sich der Amerikaner Michael Henry Heim. Er verzichtete komplett auf die Übersetzung von Wortspielen wie „Bausch und Bogen“ oder „Gift und Galle“ und schrieb in Klammern wortreich Erklärungen auf Englisch. Das Problem: Der Text quillt über von Klammern. Und dass sich in der Rückübersetzung aus dem Spanischen „Ach greiser Adam!“ nicht so schön anhört wie das Original „Ach, alter Adam“, merken auch Laien. Es gebe aber nun mal kein spanisches Wort für „alt“, das auch mit „a“ anfange, sagt Übersetzerin Grita Loebsack.

Grass selbst hat bereits angekündigt, dass sein neues Buch kaum übersetzbar sei - jedenfalls nicht mit „herkömmlichen Mitteln“. Genüsslich Pfeife schmauchend ermuntert er seine Übersetzer, bei der Übertragung doch selber als Autor tätig zu werden. Den Text des Nobelpreisträgers eigenmächtig literarisch zu verändern, trauen sie sich aber nicht zu. „Wir sollen Grass spielen?“, sagt Loebsack skeptisch. Grass ist entspannt: „Wenn eines Tages die chinesische Übersetzung vorliegt, werden manche Übersetzer wohl darüber nachdenken.“

Der Steidl-Verlag hat angesichts des Übersetzungsdilemmas ein Moratorium auf die Lizenzvergabe verhängt. „Es scheint so, dass es in einigen Sprachen nie 'Grimms Wörter' geben wird“, sagt Verlagsmanager Jan Menkens. Das wird wohl nicht für die Niederlande gelten. Übersetzer Jan Gielkens hat dem „Grimm“ vergleichbare holländische Wörterbücher zur Hand. Und außerdem muss man im Nachbarland mit der verwandten Sprache etwa deutsche Volkslieder gar nicht übersetzen. Die kennt man dort.


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: