Von Dorothée Junkers
Gebildet, eloquent, humorvoll und selbstbewusst: Seit Wahlkampfbeginn zieht Amerikas neue „First Lady“ die Massen in ihren Bann. Michelle Obama ist aber auch umstritten: Mit Äußerungen wie der anlässlich der Nominierung ihres Mannes Barack, sie sei nun „zum ersten Mal stolz“ auf ihr Land, hat Michelle Obama Kritik auf sich gezogen. Wer ist die Frau, die jetzt mit den zwei Töchtern ins Weiße Haus eingezogen ist und von ihrem Gatten als „der Boss“ bezeichnet wird? Die Journalistin Liza Mundy hat in ihrer Biografie, die jetzt auch auf Deutsch erschienen ist, ein umfassendes und schlüssiges Bild gezeichnet.
Mundy, die zum Stab der Hauptstadtjournalisten der renommierten Zeitung „Washington Post“ zählt, hat nach Verlagsangaben mit mehr als 100 Weggefährten, Freunden und Bekannten der Obamas sowie mit beiden einzeln gesprochen. Ihr flüssig geschriebenes Porträt zeichnet nicht nur den ungewöhnlichen Weg der gebürtigen Michelle Robinson aus einem Chicagoer Schwarzenviertel auf die angesehenste Jurafakultät des Landes und schließlich in eine große Kanzlei nach. Der Leser erhält auch einen interessant wenngleich zwangsweise groben Überblick über die Bürgerrechtsbewegung sowie Herkunft und Werdegang Barack Obamas. Im Mittelpunkt aber steht Michelle, die Nachfahrin von Sklaven, die so vielen Schwarzen und vor allem Frauen zum Vorbild wurde.
Es ist unklar, ob Barack Obama – geboren auf Hawaii als Kind eines Schwarzen und einer Weißen – auch ohne Michelles Unterstützung Präsident geworden wäre. Dass er grundsätzlich als „Schwarzer“ gilt, liegt auch an seiner Frau. Sie flankiert ihn, hält authentische Reden, aus denen Wut und Betroffenheit klingen, über die fehlende Gesundheitsversorgung oder Familienprobleme. Wortreich spricht sie über die Schwierigkeiten eines schwarzen Kindes aus Chicago – nach dem Motto: „Ich hätte eigentlich nicht hier stehen dürfen.“
Dass sie es mit ihren Klagen auch überzogen hat, wird in Mundys Buch deutlich – schließlich hat sie es auf zwei Eliteuniversitäten geschafft und wurde schließlich Vizepräsidentin der Kliniken der Universitäten von Chicago. „Mrs. Grievance“ – „Frau Beschwerde“ wird sie im Wahlkampf genannt, und „Amerikas unglücklichste Millionärin“. Teilweise, schreibt Mundy, seien die „Presseangriffe“ auch aus der Luft gegriffen, diffamierend, „durch und durch rassistisch“ gewesen.
„Trotzdem war die Frage berechtigt, warum sie offensichtlich ihren eigenen, sehr amerikanischen Erfolg so wenig schätzte“, fügt Mundy aber hinzu – und gibt als Antwort ein differenziertes Bild einer Frau, die „überheblich und fast wehleidig klingen“ kann, aber eben auch „anscheinend immer noch verwundert“ ist über ihren eigenen Aufstieg. Und vor allem: „Sie empfindet immer noch eine große Verpflichtung gegenüber all jenen in der schwarzen Gemeinschaft, die es nicht so gut getroffen haben wie sie.“
Geboren wurde Michelle LaVaughn Robinson am 17. Januar 1964. Um sie herum toste das rassisch segregierte (geteilte) Chicago, dessen Alltag weiter geprägt war von Rassismus und Diskriminierung. Doch das Mädchen wuchs behütet in der Mittelschicht auf, ihre Schutzhülle waren ihre Familie und die Nachbarschaft im Schwarzenviertel „South Side“. Der Familie ging es gut, der Vater hatte einen Job bei der Stadt. Zu einem Zeitpunkt, als es noch keine Antidiskriminierungsgesetze gab, ging das nur mittels Patronage – ein Grund für Michelles Skepsis gegenüber der Politik. Die wichtige Rolle, die ihre Familie früher für Michelle spielte, ist der Grund, weshalb sie heute für ihre beiden Töchter eine bodenständige und präsente Mutter sein will und dafür auch ihren Job aufgegeben hat – Michelle Obama wirkt fortschrittlich und konservativ zugleich.
Michelle genoss eine hervorragende Ausbildung, die sie mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit verfolgt hat. Nach vier Jahren Princeton wechselt sie als 21-Jährige an die Harvard Law School. Ihre Hautfarbe ist – wie auch heute noch – wichtiger Teil ihrer Identität. Sie arbeitet für das „Blackletter Journal“ und ist Mitglied der „Vereinigung schwarzer Jurastudenten“. Doch während ihre Kommilitonen – ob schwarz oder weiß – zum Beispiel wegen der Diskriminierung von Minderheiten zur damaligen Zeit regelrecht auf die Barrikaden gegangen sind, engagiert sich die zurückhaltende Michelle lieber sozial. Gut 20 Stunden pro Woche bietet sie Armen Rechtsberatung.
Über die Ehe der Obamas weiß Mundy Einzelheiten über das Kennenlernen und die frühe Beziehung, Rollenverteilung und Organisation zu berichten. Ein Schlüsselroman ist es freilich nicht. Die Entscheidung, dass Michelle ihren Job aufgeben und damit der Karriere ihres Mannes grünes Licht geben sollte, war für beide Ehepartner keine einfache. „Ja, klar“, antwortet Michelle auf die Frage, ob sie sich manchmal wie eine alleinerziehende Mutter fühle.
Ob Michelle nach dem Vorbild der heutigen Außenministerin und früheren First Lady Hillary Rodham Clinton einmal in die Politik gehen wird, darüber kann man auch nach der Lektüre nur spekulieren. Offen politisch hat sie sich nie gegeben. Klar ist aber, dass Michelle Obama aufgrund ihrer Bildung und ihres Charismas hohe Ämter offen stehen. Diese Biografie dürfte nicht die letzte gewesen sein.
Literaturangaben:
MUNDY, LIZA: Michelle Obama. Fackelträger Verlag, Köln 2009. 320 S., 19,95 €.
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