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Umstrittenes Mohammed-Buch: Provokation oder Märchen?

„Aisha. Das Juwel von Medina“ von Sherry Jones

© Die Berliner Literaturkritik, 27.10.08

 

Von Frauke Kaberka

An diesem Buch scheiden sich die Geister. Unmittelbar vor der Veröffentlichung des Mohammed-Romans „Aisha. Das Juwel von Medina“ von Sherry Jones machte der renommierte US-Verlag Random House aus Angst vor islamistischen Terroranschlägen einen Rückzieher. Ein New Yorker Verlagshaus sprang ein, zog aber aus denselben Befürchtungen die Veröffentlichung vor. Anschläge auf einen Londoner Verleger sowie auf Buchhandlungen in Großbritannien und Griechenland sollten den Verkauf be- oder verhindern. Der Grund: Die amerikanische Autorin hat es gewagt, das Leben Aishas, der Lieblingsfrau des Propheten, an seiner Seite zu skizzieren – sehr frei, aber mit authentischem Hintergrund.

Ausgerechnet die Islamwissenschaftlerin Denise Spellberg, die Jones um ein paar Worte für den Klappentext gebeten hatte, löste mit ihrer Weigerung, für einen „pornografischen Roman“ zu werben, der zudem die nationale Sicherheit bedrohen könne, eine Hysterie aus, die sowohl protestierende Freidenker einerseits als auch islamistische Fundamentalisten andererseits auf den Plan rief. Von gefährdeter Pressefreiheit über Sinn oder Unsinn der Zensur bis hin zur schweren Beleidigung des Propheten war die Rede. Nun ist das umstrittene Buch auch auf dem deutschen Büchermarkt. Für den herausgebenden Münchner Pendo Verlag nach eigenen Angaben kein Problem – bislang.

Pornografisch ist das Buch keineswegs, denn für den Vollzug der Ehe zwischen dem Kind Aisha und dem Mittfünfziger Mohammed findet Jones sanfte Worte der Umschreibung. Dass sie dabei die pädophilen Gepflogenheiten der Männer jener Zeit – vor mehr als 1370 Jahren – beim Namen nennt, ist kein Vergehen. Der Umstand, dass damals wie heute noch in einigen Ländern heranwachsende Mädchen mit älteren Männern zwangsverheiratet werden, ist allerdings furchtbar. Ein Dorn im Auge vieler Muslime ist vor allem, dass Jones es gewagt hat, sich dem Religionsstifter zu sehr zu nähern, ihn mit menschlichen und männlichen Schwächen auszustatten. Stichwort: Mohammed-Karikaturen. Der Roman ist für Eiferer ebenso ein Sakrileg, das bestraft werden muss, wie die Zeichnungen in der dänischen Zeitung „Jylland-Posten“ aus dem Jahr 2005.

Aisha bint Abi Bakr (613–678) wird im Alter von sechs Jahren mit Mohammed (um 570–632) verlobt und drei Jahre später verheiratet. Das ist Tatsache. Wie vieles in dem Roman. Um die überlieferten Fakten spinnt Sherry Jones eine Geschichte, wie sie sich durchaus zugetragen haben könnte. Das Leiden des kleinen Mädchens beginnt mit der Verlobung. Fortan ist die Sechsjährige im Haus eingesperrt, vor den Blicken anderer Männer verborgen. Nichts ist schlimmer für Aisha, die – von Natur aus wild, kämpferisch und mit einem enormen Freiheitsdrang ausgestattet – gegen die strengen Regeln im Elternhaus und später im Harem ihres Mannes aufbegehrt. Teilweise mit Erfolg, denn Mohammed ist gütig, tolerant und begegnet im Gegensatz zu den meisten anderen Männern in seinem Umfeld Frauen mit Achtung.

Das Mädchen weiß, dass es ihm vergleichsweise gut geht und beginnt den großen Mann zu lieben. Aber es verletzt sie, dass er sich immer neue Frauen nimmt. Sie, die dritte Ehefrau, muss sich seine Zuneigung später mit zwölf anderen Angetrauten und Konkubinen teilen. Seinen Gefolgsleuten gestattet Mohammed allerdings nur vier Frauen. Eifersüchteleien, Missgunst und Neid, ihre Rechtlosigkeit, die Unterdrückung und Verachtung der Männer machen den Frauen, vor allem aber der rebellischen Aisha, das Leben schwer. Manchmal findet sie Trost und Wärme bei ihrem Mann, manchmal nur Unverständnis und Abweisung. Und doch ist sie diejenige, die ihm am nächsten steht, deren Rat er mitunter sucht und in deren Armen er stirbt. Auch das ist nach Überlieferungen Tatsache.

Jones zeichnet mit Hintergrundwissen und Fantasie nicht nur von Aisha, sondern auch von Mohammed ein vielschichtiges Bild. Meist setzt der Prophet Milde vor Strafe. Seine Offenbarungen lässt er durchaus diskutieren: Als Allah ihm zu verstehen gibt, dass sich Frauen vor Männern zu verbergen haben, „erlaubt“ er nach Aishas Intervention, dass sie sich wenigstens verschleiert zeigen dürfen, anstatt sich nur noch hinter Wandschirmen im Haus abschotten zu müssen. Auslöser dieser Offenbarung ist übrigens seine eigene Wollust. Interessant auch seine allmähliche Wandlung vom friedliebenden, zunächst andere Religionen tolerierenden Oberhaupt und Verteidiger der eigenen neuen Lehre zum kriegerischen Missionar, der aber auch Zweifel und Ängste kennt.

Aisha. Das Juwel von Medina“ liest sich mitunter wie ein Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“, manchmal wie ein bunter Abenteuerroman oder ein spannender Historienschinken, in dem Kriege eher beiläufig behandelt werden, ebenso die zahlreichen Toten im Namen der Religion. Auf keinen Fall aber ist es ein respektloses Buch. Und schon gar keins, auf das mit Terrordrohungen und Anschlägen von Islamisten geantwortet werden darf. Im Gegenteil: Es weckt Sympathie und Verständnis für eine Religion, die den gleichen Ursprung wie die christliche hat und uns doch häufig noch so fremd ist.

Literaturangaben:
JONES, SHERRY: Aisha. Das Juwel von Medina. Pendo Verlag, München 2008. 441S., 19,95 €.

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