Von Frauke Kaberka
Obwohl die Rolling Stones ihr 1966 ein musikalisches Denkmal setzten, wird Lady Jane wohl für immer eher unbekannt bleiben. In der Thronfolge von Heinrich VIII. nur an die vierte Stelle gesetzt, hatte sie doch noch vor den bekannten Töchtern des britischen Königs, Maria und Elizabeth, die Krone auf dem Haupt.
Wenn auch nur für neun Tage. Wer war diese Lady Jane Grey, die auf Betreiben ihrer Cousine Maria schon im Teenie-Alter von 16 Jahren Kopf und Krone verlor? Diese und andere Fragen beantwortet der Autor und Publizist Helge Hesse in seinem Buch „Unbekannte Helden der Weltgeschichte“.
Nebenbei bemerkt: Auch Maria war nur kurze Zeit Herrscherin von England, bevor sie von ihrer Halbschwester Elizabeth I. abgelöst wurde. Und die ist - anders als Lady Jane - als bedeutende Königin in die Annalen eingegangen. Bedeutende Taten hat Lady Jane nicht vorzuweisen, dafür aber bemerkenswerte Haltung bewahrt und Mut bewiesen, als man sie gegen ihren Willen verheiratete, zur Königin machte und schließlich zum Richtblock führte. Und so sind auch nicht alle der 20 von Hesse beschriebene Helden Heroen in des Wortes eigentlicher Bedeutung.
Manche aber schon. Und zu denen zählt beispielsweise der Pole Witold Pilecki, der sich freiwillig nach Auschwitz verschleppen ließ, um dort eine Untergrundbewegung aufzubauen und das Vernichtungslager von innen zu zerstören. Oder der deutsche Leutnant Friedrich Lengfeld, der während des Zweiten Weltkriegs in der Schlacht im Hürtgenwald beim Versuch, einem feindlichen Amerikaner das Leben zu retten, das eigene verlor. An dieser Schlacht, so erfährt man bei Hesse, nahmen auf amerikanischer Seite übrigens zwei Prominente teil:
Ernest Hemingway, der Eindrücke aus der Eifel in seinem Roman „Über den Fluss und in die Wälder“ einfließen ließ. Der andere war Jerome D. Salinger, der in den Kampfpausen die ersten Kapitel seines Welterfolgs „Der Fänger im Roggen“ niederschrieb.
Die Verknüpfungen der Hesse-Helden mit prominenteren Persönlichkeiten der Weltgeschichte machen das Buch noch interessanter, als es ohnehin schon ist: Da ist zum Beispiel die schwarze Harriet Tubman, die als mutige Untergrundkämpferin unzähligen Sklaven noch vor dem amerikanischen Bürgerkrieg zur Freiheit verhalf. Ihr Name sagt nur wenigen etwas. Viel bekannter ist der Radikal-Abolitionist John Brown, dessen Weg sie kreuzt. Im direkten Helden-Vergleich macht Harriet die weitaus bessere Figur.
Die wahren Geschichten sind chronologisch geordnet und beginnen im Jahr 401 vor Christus mit dem Philosophen Xenophon, einem Schüler Sokrates' und Mitschüler Platons. Sie enden mit dem erschütternden Bericht eines gewissen Hugh Thompsons vom Schauplatz My Lai im Vietnamkrieg. Mutig rettete er Frauen und Kinder vor seinen amerikanischen Kameraden, in dem er sich einfach zwischen sie stellte. Und: Dem Hubschrauberpiloten ist es zu verdanken, dass das grausige Massaker der Amerikaner an der vietnamesischen Zivilbevölkerung 1967 überhaupt ans Licht der Öffentlichkeit kam.
Übrigens, auch in dieser Geschichte taucht eine bekannte Persönlichkeit am Rande auf - in einer allerdings eher unrühmlichen Rolle: Der damalige amerikanische Präsident Richard Nixon begnadigte den zu lebenslanger Haft verurteilten Haupttäter, auf dessen Konto ein paar hundert Tote gehen, schon kurz nach dem Urteilsspruch.
Hesses „Unbekannte Helden“ sind eine lehrreiche, aber auch unterhaltende und stets fesselnde Lektüre.
Literaturangabe:
HESSE, HELGE: Unbekannte Helden der Weltgeschichte. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 255 S., 19,95 €.
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