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Und überhaupt und sowieso

Wilhelm Busch zum 100. Todestag

© Die Berliner Literaturkritik, 13.07.09

MÜNCHEN (BLK) – Im Dezember 2007 ist bei dtv die Sammlung von Wilhelm Busch-Gedichten „Und überhaupt und sowieso“ erschienen, herausgegeben von Günter Stolzenberger.

Klappentext: Seine Bildergeschichten sind weltberühmt, Wilhelm Busch als Dichter aber geriet darüber etwas in Vergessenheit. Daher sind in dieser Sammlung von ‚Reimweisheiten’ neben vertrauten Versen auch viele unbekanntere Gedichte zu entdecken. Das Menschliche und Allzumenschliche aufzuspießen – sei es als Zeichner oder Lyriker – war für diesen Künstler das zentrale Thema seines Lebens. Doch der große Menschenbeobachter und Moralist serviert seine Ansichten und Einsichten so heiter und witzig, dass sie bis heute lehrreich und vergnüglich sind.

Wilhelm Busch, geboren am 15. April 1832 in Wiedensahl bei Hannover, gestorben am 9. Januar 1908 in Mechtshausen im Harz, studierte nach dem Willen des Vaters Maschinenbau, wechselte dann aber an die Kunstakademie Düsseldorf. Als dichtender Zeichner gewann er seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinen kritisch-humoristischen Geschichten die bis heute anhaltende Gunst des Publikums.
Der Herausgeber Günter Stolzenberger lebt als wissenschaftlicher Autor in Frankfurt am Main und hat bereits zahlreiche Anthologien veröffentlicht. (ber/rud)

Leseprobe:

©dtv©

 
Es stand vor eines Hauses Tor

Ein Esel mit gespitztem Ohr,

Der käute sich ein Bündel Heu

Gedankenvoll und still entzwei. –

 
Nun kommen da und bleiben stehn

Der naseweisen Buben zween,

Die auch sogleich, indem sie lachen,

Verhaßte Redensarten machen,

 
Womit man denn bezwecken wollte,

Daß sich der Esel ärgern sollte. –

 
Doch dieser hocherfahrne Greis

Beschrieb nur einen halben Kreis,

Verhielt sich stumm und zeigte itzt

Die Seite, wo der Wedel sitzt.

Kritik des Herzens


Wankelmut

 
Was bin ich alter Bösewicht

So wankelig von Sinne.

Ein leeres Glas gefällt mir nicht,

Ich will, daß was darinne.


Das ist mir so ein dürr Geklirr;

He, Kellnerin, erscheine!

Laß dieses öde Trinkgeschirr

Befeuchtet sein von Weine!

 
Nun will mir aber dieses auch

Nur kurze Zeit gefallen;

Hinunter muß es durch den Schlauch

Zur dunklen Tiefe wallen. –

 
So schwank ich ohne Unterlaß

Hinwieder zwischen beiden.

Ein volles Glas, ein leeres Glas

Mag ich nicht lange leiden.

 
Ich bin gerade so als wie

Der Erzbischof von Köllen,

Er leert sein Gläslein wuppheidi

Und läßt es wieder völlen.

Dideldum

 

Gemartert


Ein gutes Tier

Ist das Klavier,

Still, friedlich und bescheiden,

Und muß dabei

Doch vielerlei

Erdulden und erleiden.

 
Der Virtuos

Stürzt darauf los

Mit hochgesträubter Mähne.

Er öffnet ihm

Voll Ungestüm

Den Leib, gleich der Hyäne.

 
Und rasend wild,

Das Herz erfüllt

Von mörderlicher Freude,

Durchwühlt er dann,

Soweit er kann,

Des Opfers Eingeweide.

 
Wie es da schrie,

Das arme Vieh,

Und unter Angstgewimmer

Bald hoch, bald tief

Um Hilfe rief,

Vergess’ ich nie und nimmer.

Zu guter Letzt


Kinder, lasset uns besingen,

Aber ohne allen Neid,

Onkel Kaspers rote Nase,

Die uns schon so oft erfreut.

 
Einst ward sie als zarte Pflanze

Ihm von der Natur geschenkt;

Fleißig hat er sie begossen,

Sie mit Wein und Schnaps getränkt.

 
Bald bemerkte er mit Freuden,

Daß die junge Knospe schwoll,

Bis es eine Rose wurde,

Dunkelrot und wundervoll.

 
Alle Rosen haben Dornen,

Diese Rose hat sie nicht,

Hat nur so ein Büschel Haare,

Welches keinen Menschen sticht.

 
Ihrem Kelch entströmen süße

Wohlgerüche, mit Verlaub:

Aus der wohlbekannten Dose

Schöpft sie ihren Blütenstaub.

 
Oft an einem frischen Morgen

Zeigt sie uns ein duftig Blau,

Und an ihrem Herzensblatte

Blinkt ein Tröpfchen Perlentau.

 
Wenn die andern Blumen welken,

Wenn’s im Winter rauh und kalt,

Dann hat diese Wunderrose

Erst die rechte Wohlgestalt.

 
Drum zu ihrem Preis und Ruhme

Singen wir dies schöne Lied.

Vivat Onkel Kaspers Nase,

Die zu allen Zeiten blüht!

Kritik des Herzens

 

Die Eier

 
Das weiß ein jeder, wer’s auch sei,

Gesund und stärkend ist das Ei. –

Nicht nur in allerlei Gebäck,

Wo es bescheiden im Versteck;

Nicht nur in Soßen ist’s beliebt,

Weil es denselben Rundung gibt;

Nicht eben dieserhalben nur –

Nein, auch in leiblicher Statur,

Gerechtermaßen abgesotten,

Zu Pellkartoffeln, Butterbroten,

Erregt dasselbe fast bei allen

Ein ungeteiltes Wohlgefallen;

Der Geburtstag oder Die Partikularisten

 

Schreckliche Folgen eines Bleistifts

Ballade

 
1. O Madrid, ich muß dich hassen,

Denn du hast ihn schnöd verkannt,

Den Murillo seinen besten

Schüler stets mit Stolz genannt.

 
Keiner hatte wie Pedrillo

Dieses lange Lockenspiel,

Keiner trug Hispaniens Mantel

Mit so vielem Kunstgefühl.

 
Keiner wiegte auf dem Haupte

Solchen hohen, spitzen Hut,

Und das edle Bleistiftspitzen

Konnt’ er aus dem Grunde gut.

 
Meistens nahm er Nro. 7

Und mit kunstgeübter Hand

Spitzt’ er ihn an beiden Enden,

Weil er dieses praktisch fand.

 
Einstmals merkte dies Murillo

Und er sprach mit ernstem Ton:

„Was ich eben da bemerke,

Das gefällt mir nicht, mein Sohn;

 
Denn ich glaube, daß du hierin

Sehr auf falschem Wege bist,

Weil es erstens sehr gefährlich,

Zweitens auch nicht nötig ist.“

 
Doch Pedrillo (wie gewöhnlich

Diese jungen Leute sind)

Schlug Murillos weise Lehre –

Lirum, larum! in den Wind.

 
2. Übrigens (das muß man sagen)

Was die edle Kunst betraf,

Überhaupt in seinem Fache,

War Pedrillo wirklich brav.

 
So z.B. die Madonna;

Ja, wer hätte das gedacht?

Selbst der große Don Murillo

Hätte Beßres nicht gemacht.

 
Aber so was kostet Mühe

Und es kostet auch noch Geld,

Denn Pedrillo hatte häufig

Sich dazu Modell bestellt.

 
Sie war eine Schneiderstochter

Aus der Vorstadt von Madrid,

Schwarze Augen, blonde Flechten

Brachte dieses Mädchen mit.

 
Als Pedrillo nun gemalet

Dieses Mädchen als Porträt,

War der große Don Murillo

Auch nicht ungern in der Näh’.

 
Früh vom Morgen bis zum Abend

Unterweist der Meister ihn

Und Pedrillo folgte willig

Stets mit eifrigem Bemühn.

 
Aber abends, wo ein jeder

Gerne seine Ruhe hat,

Führt’ Pedrillo jenes Mädchen

Oft spazieren vor die Stadt.

 
Einstmals merkte dies Murillo

Und er sprach mit ernstem Ton:

„Was ich eben da bemerke,

Das gefällt mir nicht, mein Sohn;

 
Denn ich glaube, daß du hierin

Sehr auf falschem Wege bist,

Weil es erstens sehr gefährlich,

Zweitens auch nicht nötig ist.“

 
Doch Pedrillo (wie gewöhnlich

Diese jungen Leute sind)

Schlug Murillos weise Lehre –

Lirum, larum! in den Wind.

 
3. Schon am nächsten Donnerstage,

Als ein schöner Abend war,

Sah man draußen vor dem Tore

Dieses pflichtvergess’ne Paar.

 
Zu dem dort’gen Myrtenhaine

Gingen sie im Mondeslicht,

Aber keiner sah sie wieder,

Wenigstens lebendig nicht.

 
Denn es sprach zu ihr Pedrillo:

„Sprich, Geliebte, liebst du mich?“

Und sie preßt ihn an den Busen,

Sprechend: „Ja, ich liebe dich!“

 
„Au!“ schrie plötzlich da Pedrillo,

Und das Mädchen schrie es auch;

Tödlich fielen beide nieder

Unter einem Myrtenstrauch.

 
Keiner wußte, was geschehen,

Bis des Morgens in der Früh;

Denn da kam ein alter Klausner

Durch den Wald und merkte sie.

 
Und als er die beiden Leichen

In der Nähe sich besah,

Fand er alles sehr natürlich,

Denn – ach Gott! – was fand er da?

 
Ach! ein Bleistift Nro. 7,

Den Pedrillo zugespitzt,

Zugespitzt an beiden Enden,

Hatte dieses Blut verspritzt.

 
Als Murillo dies vernommen,

Sprach er sanft und weinte sehr:

„Ach! O Jüngling, spitze niemals

Einen harten Bleistift mehr!

 
Führe Mädchen nie spazieren,

Denn dies Beispiel zeigt es klar,

Daß es erstens sehr gefährlich,

Zweitens auch nicht nötig war.“

Fliegende Blätter

 

Romanze vom nützlichen Soldaten

 
Rieke näht auf die Maschine;

Nischke ist bei’s Militär,

Dennoch aber ließ sie ihne

Niemals nahe bei sich her.

 
Wozu, fragte sie verächtlich,

Wozu hilft mich der Soldat,

Wenn man bloß durch ihn hauptsächlich

So viel hohe Steuern hat? –

 
Einstmals ging sie in das Holze,

Nischke wollte gerne mit;

Aber nein, partu nicht wollt se,

Daß er ihr dahin beglitt.

 
Plötzlich springt aus das Gebüsche

Auf ihr zu ein alter Strolch;

Stiere Augen, wie die Fische,

Kalte Hände, wie der Molch.

 
Runter, schreit er, mit die Kleider,

Denn Sie lebt in Überfluß,

Da ich ein Fabrikarbeiter,

Der sich was verdienen muß.

 
Weinend fällt das Kleid und Röckchen,

Zitternd löst sich der Turnür,

Nur ein kurzes Unterglöckchen

Schützt vor Scham und Kälte ihr.

 
Bauz! Da fällt ein Schuß mit Schroten.

Fluchend lauft der Vagabund

Mit verletztem Hosenboden

In des Waldes Hintergrund.

 
Das tat Nischke, der trotz allen

Rieken heimlich nachgeschleicht,

Die sich unter Dankeslallen

Jetzt um seinen Hals verzweigt.

 
O ihr Mädchens, laßt euch raten,

Ehrt und liebet den Soldat;

Weil er sonst vor seine Taten

Nicht viel zu verzehren hat.

Einzelne Gedichte

 

Wirklich, er war unentbehrlich!

Überall, wo was geschah

Zu dem Wohle der Gemeinde,

Er war tätig, er war da.

 
Schützenfest, Kasinobälle,

Pferderennen, Preisgericht,

Liedertafel, Spritzenprobe,

Ohne ihn da ging es nicht.

 
Ohne ihn war nichts zu machen,

Keine Stunde hatt er frei.

Gestern, als sie ihn begruben,

War er richtig auch dabei.

Kritik des Herzens

 

Bis auf weiters

 
Das Messer blitzt, die Schweine schrein,

Man muß sie halt benutzen,

Denn jeder denkt: „Wozu das Schwein,

Wenn wir es nicht verputzen?“

 
Und jeder schmunzelt, jeder nagt

Nach Art der Kannibalen,

Bis man dereinst Pfui Teufel! sagt

Zum Schinken aus Westfalen.

Schein und Sein

 

©dtv©

 
Literaturangabe:

STOLZENBERGER, GÜNTER (Hg.): Wilhelm Busch. Und überhaupt und sowieso. dtv, München 2007, 160 S., 5,90 €.

Weblink:

dtv


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