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„Unfun“ - Tarantinoeske Dramaturgie in Skandinavien

Matias Faldbakken beendet seine „Skandinavische Misanthropie“

© Die Berliner Literaturkritik, 25.06.09

Im zweiten Teil von Quentin Tarantinos Filmreihe „Kill Bill“ (2004) kommt es irgendwann zum Showdown zwischen der Braut (Uma Thurman) und O-Ren Ishii (Lucy Liu). Auf dem Weg zu O-Ren zerschneidet die Braut mit einem Hattori-Hanzō-Schwert zahllose von O-Rens Handlangern. Die Szene ist so blutig, dass der Film während der Schlachterei von Farbe zu Schwarzweiß wechselt. Bücher des norwegischen Autors Matias Faldbakken sind dieser Szene sehr ähnlich. Tarantinoeske Dramaturgie, viel Blut und scharfe Klingen.

Mit seinem Roman „Unfun“ – dem dritten Teil seiner „Skandinavischen Misanthropie“, zuvor erschienen „The Cocka Hola Company“ und „Macht und Rebel“ – ist Faldbakken zugleich Teil drei von „Kill Bill“ geglückt. Slaktus, Lucy und deren beiden Söhne Atal und Wataman stolpern in „Unfun“ durch ihr Leben, auf der Suche nach Abenteuer, Alkohol, Drogen, Erfolg oder schlicht einer Antwort auf die Frage, ob und wenn ja, was das Leben bedeutet.

Faldbakken lässt außerdem Homer-Simpson-Synchronsprecher Dan Castellaneta auftreten, der bei einem Unfall seine Frau verloren hat und im Rollstuhl gelandet ist. Castellaneta soll der Hauptfigur von Slaktus’ Computerspiel „Deathbox“, das er gerade entwirft, seine Stimme leihen. Hauptfigur ist der Afrikaner Mbo, ein Straßenarbeiter in Paris, der mit einer Steinsäge Passanten zerschneidet. Modell für Mbo ist der afrikanische Schauspieler Taiwo, ein großer, breiter und muskelbepackter Schwarzer.

Die Geschichte für sich genommen enthielte einigen Reiz. Faldbakken wäre aber nicht Faldbakken, wenn er der Handlung nicht noch die desaströse Geschichte der ehemaligen Familie zugrunde legte: Slaktus ist ein gewalttätiger Misanthrop, der Lucy, als sie noch zusammen waren, regelmäßig geschlagen hat. Seine Söhne sind bei einer Beinah-Vergewaltigung entstanden – „Rape light“, wie Lucy es nennt. Atal und Wataman drucken ihr eigenes Geld, weil sie verstanden haben, dass die Welt einfacher funktioniert, wenn man die nötigen finanziellen Mittel besitzt. Und Lucy schließlich hat sich in die Homosexualität geflüchtet – weg von der Notwendigkeit der Penetration.

Faldbakken erzählt die Geschichte von Menschen, die einmal so etwas wie eine Familie waren, heute aber so weit davon entfernt sind, dass sie für einander wenig bis gar nichts übrig haben. Und so wenig, wie das für Slaktus verheißungsvolle Computerspiel realisiert wird, so sehr muss am Ende alles in der Katastrophe kulminieren, einer Art kathartischer Auflösung. Ist es bei Tarantino ein Hattori-Hanzō-Schwert und bei „Deathbox“ eine Steinsäge – bei Lucy ist es ein Küchenmesser, mit dem sie sich den Weg freischneidet. Heraus aus der Unterdrückung, der Regungslosigkeit – hinein in eine Welt voller Konsequenzen, Reaktionen.

Ohne Zweifel hat Faldbakken mit „Unfun“ das beste seiner bisher drei Bücher vorgelegt. In den klaffenden Wunden – den vernarbten von einst oder den von Lucys Messer verursachten – kann man lesen. Und es ist keine gute Zukunft, die da zu sehen ist. Aber ein fantastischer Roman.

Von Martin Spieß

Literaturangabe:

FALDBAKKEN, MATIAS: Unfun. Übersetz aus dem Norwegischen von Max Stadler. Blumenbar Verlag, München 2009. 270 S., 19,90 €.

Weblink:

Blumenbar Verlag


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