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Ungewissheiten eines Lebensweges

William Shakespeare — Die Biographie

© Die Berliner Literaturkritik, 11.06.09

MÜNCHEN (BLK) — Im Oktober 2008 ist im Albrecht Knaus Verlag das Buch „Shakespeare. Eine Biographie“ erschienen.

Klappentext: Das Leben des begnadeten Dramatikers und Dichters William Shakespeare (1564-1616) gibt bis heute zu Spekulationen Anlass. Kaum Persönliches ist überliefert. Nur das Werk ist ein Vermächtnis von zeitloser Genialität. Peter Ackroyd lässt sich weder von der Fülle der Shakespeare-Literatur noch von den Ungewissheiten seines Lebensweges abschrecken. Wahlverwandt und souverän findet er Spuren in Dramen und Sonetten, bei Zeitgenossen und Nachfahren. Er gesellt sich zu dem glücklichen Kind aus wohlgeordneten Verhältnissen, das den Fluss liebte und den freien Flug der Vögel, begleitet den Dichter als warmherzigen, kühnen und selbstbewussten jungen Mann, der süchtig war nach Experimenten jeder Art und sich durch nichts aufhalten ließ. Mit überschäumender Vitalität entwickelte sich Shakespeare schnell zu einem sehr guten Schauspieler und Autor. Der tägliche Kontakt mit seinem Publikum, das aus allen Gesellschaftsschichten kam, floss unmittelbar in seine Stücke ein. Sie waren theaterwirksam und ganz nah am Leben. Shakespeare predigte nicht und lieferte keine Regeln; er bildete die Welt in ihrem Widerspruch ab, so dass sich Menschen bis heute in seinen Stücken erkennen.

Peter Ackroyd, geboren 1949 in London, wo er bis heute lebt. Er studierte Literaturwissenschaft in Yale und Cambridge und arbeitete viele Jahre für den „Spectator“ und die „Times“. Mit seinen Romanen, Theaterstücken und Biographien gehört er zu den wichtigsten britischen Gegenwartsautoren. Er erhielt unter anderem den Somerset Maugham Award und den Whitbread Award. Zuletzt veröffentlichte der Knaus Verlag seine Biographie über Shakespeare. (mül/köh)

Leseprobe:

©Albrecht Knaus Verlag©

Shakespeare ist fünf Jahre nach der Krönung Elisabeths I. geboren, und sein Leben spielte sich die meiste Zeit im Rahmen der Zwänge und Unsicherheiten ihrer höchst eigenwilligen Regentschaft ab. Da die Hauptsorge der Königin stets der Stabilität und Solvenz ihres Reiches galt, setzte sie ihren ganzen gebieterischen Charakter und ihren Einfallsreichtum ein, um Unruhen im Landesinneren und Konflikte mit fremden Mächten zu vermeiden. Unordnung fürchtete sie mehr als alles andere, und sie ließ sich nur dann auf einen Krieg ein, wenn es unumgänglich war. Als unverheiratete Herrscherin förderte sie aber von Natur aus die Instabilität des Staates, besonders auch deswegen, weil sie an ihrem Hofe „Günstlinge“ züchtete, die miteinander wetteiferten. Dennoch gelang es Elisabeth, zahlreiche gegen ihren Thron gerichtete Verschwörungen zu vereiteln oder abzuwenden. Unter ihrer ungeduldigen, oft unentschlossenen Herrschaft weitete sich der Horizont ihres Landes aus. Es war ein Zeitalter der Entdeckungen, das dem Handel und auch der Literatur zu neuer Blüte verhalf. Im Rückblick bezeichnete man es sogar als das Zeitalter Shakespeares. Dennoch gibt es keinerlei Grund zu der Annahme, Shakespeare habe die Königin gemocht oder bewundert. Als Kind gehörte er natürlich sowieso einer eigenen, ganz anderen Welt an.

Stratford liegt am Nordufer des Avon. In der baumbestandenen Landschaft mit Obstwiesen und Gärten war der Fluss das vertrauteste Element. Bei Hochwasser konnte man ihn, sommers wie winters, in jeder Gasse hören. Wenn „der Avon sich erhoben hatte“, wie es Leland ausdrückte, bestand für Menschen, die ihn zu überqueren versuchten, „allerhöchste Gefahr für Leib und Leben“. Im Sommer 1588 etwa stieg er acht Stunden lang stündlich um einen Meter an. Ein prominenter Bürger der Stadt, Sir Hugh Clopton, finanzierte den Bau der bis heute bestehenden Steinbrücke. Aber der Hochwasser führende Fluss hat noch ein anderes wichtiges Denkmal erhalten. Kein anderer elisabethanischer Dramatiker beschwört einen Fluss öfter herauf als Shakespeare. Neunundfünfzigmal erwähnt er ihn in seinem Werk, und dabei geht es in sechsundzwanzig Fällen um den Fluss bei Hochwasser. Der Avon war ein Teil seiner Phantasiewelt. In Lukretia gibt es ein besonders merkwürdiges Bild von einem Wasserstrudel, der von der Strömung mit Gewalt in eben die Richtung zurückgetrieben wird, aus der er kam. Dieses Phänomen kann man vom achtzehnten Bogen der Steinbrücke in Stratford aus tatsächlich beobachten. Von der Brücke führte ein mit Mauern gesäumter Damm auf die mitten durch die Stadt verlaufende Bridge Street. Letztere bildete mit weiteren sechs oder sieben Straßen ein Raster, das 217 Häusern und zweihundert Familien einen Rahmen gab.

Schätzungsweise belief sich die Bevölkerung von Stratford im späten 16. Jahrhundert auf annähernd 1.900 Menschen. Die Straßen selbst hatten ihre mittelalterliche Bestimmung nicht verloren, von der Namen wie Sheep Street, Wood Street und Mill Lane heute noch künden. Die Rother Street war nach den Rother benannt, einer in dieser Gegend verbreiteten Schwarzrindrasse, mit der hier gehandelt wurde. Und doch war die Mehrzahl der Häuser von der Konstruktion her noch relativ jung. Man hatte sie erst im 15. Jahrhundert in Rähmbauweise, einer Fachwerktechnik, errichtet. Die Balken waren aus Eiche, die man im angrenzenden Wald fällte, den Holzrahmen füllte man mit dem üblichen Flechtwerk, das mit Lehm beworfen wurde. Die Fundamente bestanden aus Schwarzjurasteinen, die man im Nachbardorf Wilmcote — Mary Ardens Heimatort — brach. Die Dächer waren aus Stroh, die Fenster nicht verglast, sondern durch dicke hölzerne Stangen versperrt. Diese Bauten fügten sich in jeder Hinsicht in ihre natürliche Umgebung ein.

Dank der vielen Bäche und Rinnsale, die durch die Straßen liefen, war die Stadt gut mit Wasser versorgt. Obendrein gab es noch Brunnen, Teiche und Tümpel. Das übernächste Haus neben dem der Shakespeares war eine Schmiede, die sich das Wasser eines Rinnsals namens Mere zunutze machte. Shakespeare war mit anderen Worten in seiner Jugend nie sehr weit vom Geräusch des Wassers entfernt. Die Stratforder Straßen waren so breit, dass zwei Karren aneinander vorbeikamen, damit aber eigentlich immer noch nicht breit genug. Auf Schritt und Tritt wurde man von Misthaufen, Rinnsteinen, Gräben und Lehmmauern behindert. Zwar waren die Gassen an den Seiten mit Kopfsteinen gepflastert, doch in der Mittelrinne konnte alles mögliche Unangenehme daherkommen. Und immer wieder mussten sich die Straßen gegen von links und rechts andrängende unbebaute Flächen behaupten, durch die sich unbefestigte Wege zogen.

©Albrecht Knaus Verlag©

Literaturangabe: ACKROYD, PETER: Shakespeare. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Michael Müller und Otto Lucian. Albrecht Knaus Verlag, München 2008. 656 S., 28 €.

Weblink: 

Albrecht Knaus Verlag


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