„Feldmans Frauen“ rechnen mit einem Toten
Ein Toter steht im Mittelpunkt des herrlich vergnüglichen Romans „Feldmans Frauen“ von Kate Christensen. Dieser Tote, der Maler Oscar Feldman aus New York, war Spezialist für weibliche Akt-Gemälde, seine Werke hängen in allen Museen. Grund genug für eine Biografie, denken sich unabhängig voneinander zwei Journalisten und interviewen die drei Frauen, die Feldman am nächsten standen: seine stets von Eifersucht geplagte Schwester, auch sie eine Malerin, seine langjährige Ehefrau und seine Geliebte, mit der er zwei gemeinsame Töchter hat. Sie alle sind inzwischen über 70, dennoch stecken sie voller Übermut, Lebenshunger und Eigensinn. Die Recherchen für die geplanten Bücher nutzen die drei älteren Damen, um mit dem Mythos des gestorbenen Bruders, Mannes, des sexbesessenen Liebhabers aufzuräumen. Und sie treffen sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu dritt. So gelingt Christensen ein schöner Schmunzel-Roman über die Liebe und den Verlust, über das Alter und den Sex über 70. Für das Buch erhielt sie den Pen Faulkner Award
Nir Baram erfindet Traumwelten in Tel Aviv
Auf einer düsteren literarischen Bühne lässt Nir Baram seine Figuren im Roman „Der Wiederträumer“ auftreten: Ein Jahrhundertsturm wütet in Tel Aviv, die Stadt steht vor dem Kollaps. Gescheiterte Existenzen treten auf: Joel und die schlafkranke und traumsüchtige Rachel oder die Zwillinge Lior und Alon - allesamt psychologisch fein gezeichnete und spannende Charaktere. Sie haben böse Erinnerungen an die Kindheit, die in Rückblenden und faszinierend beschriebenen Träumen ans Licht gezerrt wird. Vor allem Joel erweist sich als Meister der Traumwelten: Er dringt in die Träume anderer ein, saugt die Bilder auf und gibt sie schließlich den Schlafenden zurück. Alon dagegen verschläft den Tag und treibt sich in der Nacht als gebrochener und verlassener Mensch auf den Straßen herum. Nur schwer sind Traum und Wirklichkeit in Barams vielschichtigen und herausfordernden, melancholischen und skurrilen Werk zu unterscheiden, immer wieder verschwimmen die Zeitebenen und die Welten
Jakob Hein nimmt Ostberlin erneut urkomisch ins Visier
Es ist ein Jammer mit dem dauerverliebten Sascha: Jede Frau, mit der er etwas anfangen möchte, sieht ihn nur als Kumpel. „Mein Freund hat mich verlassen, warum schauen die Männer mir immer auf meinen Busen, warum liebt keiner meine Seele, waren so die Hauptfragen, die man als beste Freundin mit Penis zu beantworten hatte“, bilanziert Sascha frustriert in Jakob Heins unterhaltsamer und tragikomischer Lektüre „Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“. Im Ostberlin der in Agonie liegenden DDR trifft er zwar viele attraktive Frauen, kommt aber trotzdem nicht zum Zug. Sascha fühlt sich zunehmend unverstanden und einsam, bis er merkt, dass er selbst das Problem ist. Schadenfreude vermeidet Hein, wenn er seine Leser mit einer guten Prise Ironie und lakonischem Blick auf eine kurzweilige Reise in die letzten Jahre der DDR mitnimmt. Bekannt ist Hein vor allem durch sein Debüt „Mein erstes T-Shirt“, in dem er bereits die skurrilen Auswirkungen des sozialistischen Alltags höchst komisch unter die Lupe nahm
Doris Gerckes Spurensuche nach einem Mord in „Pasewalk“
Bekannt ist Doris Gercke vor allem für ihre Kriminalromane, darunter auch Geschichten mit der Detektivin Bella Block in der Hauptrolle. In ihrem neuen Werk „Pasewalk“ erzählt sie von der jungen Anwältin Lisa, die ihre Großmutter Dora verachtet. Die alte Frau saß lange wegen Mordes hinter Gittern, nun zieht sie ins Haus der Enkelin. Um die Tat zu verstehen, fährt Lisa auf Bitten der Großmutter in das vorpommersche Kaff Pasewalk, in die Heimat der Familie. Hier herrscht auch nach dem Krieg dieselbe Nazidumpfheit vor wie ehemals. Lisa sucht und findet die Gründe für den Mord und muss sich entscheiden, ob sie die Vergangenheit ihrer Verwandten annehmen wird. Gercke macht zum einen die Sprachlosigkeit in der Familie zu einem nachvollziehbaren und eindringlich beschriebenen Thema. Zum anderen sucht sie in einer kargen Sprache nach einer Erklärung für den Erfolg der Nazis und des Rechtsextremismus heute.
Literaturangaben:
CHRISTENSEN, KATE: Feldmans Frauen. Droemer Knaur Verlag, München 2009. 352 S., 16,95 €.
BARAM, NIR: Der Wiederträumer. Schöffling Verlag, Frankfurt 2009. 480 S., 24,90 €.
HEIN, JAKOB: Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand. Piper Verlag, München 2009. 170 S., 14,95 €.
GERCKE, DORIS: Pasewalk. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009. 160 S., 17 €.
Weblinks: