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Unterkühlte Gefühle aus Grönland

Schriftsteller Kim Leine veröffentlicht seinen neuen Roman „Die

Untreue der Grönländer“

© Die Berliner Literaturkritik, 11.06.11

LEINE, KIM: Die Untreue der Grönländer, mareverlag, Hamburg 2011, 333 S., 22,00 €.

Grönland liegt am Rande der Weltkarte und kommt in der Literatur etwa ebenso häufig vor wie Alaska oder der Südpol. Diese Regionen sind zwar schon entdeckt, aber noch nicht wirklich erschlossen. Der Däne Kim Leine wirft jetzt mit seinem Roman „Die Untreue der Grönländer“ ein Schlaglicht auf diese Region, die mehrere Monate im Jahr im Dämmerlicht liegt. Um es vorwegzunehmen: In dem Lichtkegel seiner Beschreibungen erfährt der Leser zwar manches über die Grönländer, doch wirklich nahe kommt er ihnen nicht.

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Der deutsche Verlag hat den Titel etwas aufgepeppt. Er soll wohl an die Geschichten der Nordpolentdecker erinnern, denen die Eskimos aus Gastfreundschaft ihre Frauen zuführten. Dass sich einige Frauen in diesem Buch mit mehr als nur einem Mann das Bett teilen, spielt allerdings eher eine untergeordnete Rolle. Im Dänischen ist das Buch schlicht „Tunu“ überschrieben, nach einer Region in Grönland.

Kim Leine folgt in jedem Kapitel einem der Bewohner in dem kleinen Ort an der Ostküste Grönlands. Da sind Sejer Enoksen, Gemeinderat, verheiratet und verliebt in Justine, die HIV hat, die schwer kranken Cousins Justus und Emanuel, der Lebenskünstler Asser, der ein Verhältnis mit seiner verheirateten Nachbarin hat, die kleinwüchsige Eleonara, die mit einem Dänen ein uneheliches Kind bekommt, Salomon, der mitten in der Eiswüste eine Diskothek eröffnet und der Jäger Gedion, der die Verfolgung einer Robbe fast mit dem Leben bezahlt.

Verbindender Ort dieser Menschen ist die Krankenstation, die von dem jungen dänischen Pfleger Jesper geführt wird. Er ist mit seiner alten Welt über Emails in Kontakt, in denen er etwa seiner Schwester beichtet, dass er ein Verhältnis mit einer Minderjährigen hat. Er ist ein Fremdkörper in dieser fernen Welt, verfällt in der dunklen Jahreszeit in Depressionen, verliebt und entliebt sich und wird kurzzeitig zur lustvollen Anlaufstelle für etliche reifere Grönländerinnen. Am Ende verlässt er entnervt den Ort.

 Das Geschichten-Puzzle entwirft ein Stimmungsbild aus einer Gemeinschaft, die zwischen Tradition und moderner Wegwerfgesellschaft steht. Stoisch nehmen die Menschen die Urgewalten Sturm und See hin, die immer wieder ihren Häusern zusetzen und Leben kosten. Die medizinische Versorgung ist rudimentär. Das nächste Krankenhaus ist nur per Hubschrauber oder Schiff zu erreichen - und das nur bei schönem Wetter.

Frauen und Männer, so scheint es, leben nebeneinander her. Die Frauen sind selbstbewusst und nehmen ihre Belange selbst in die Hand. So sieht es zumindest für den Besucher Kim Leine aus. Was die Grönländer lieben und fühlen, ob und warum sie untreu sind, das bleibt auch nach der Lektüre ein Rätsel. (swe/dpa)

Weblink: mareverlag


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