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Vatikan, was ist das?

Augias Corrados: „Die Geheimnisse des Vatikan“

© Die Berliner Literaturkritik, 20.06.11

CORRADO, AUGIAS: Die Geheimnisse des Vatikan, C.H.Beck Verlag, München 2011, 496 S., 22,95 €.

In Italien ist der 1935 geborene Corrado Augias als Zeitungskommentator, Fernsehmoderator und Buchautor ein bekannter Mann. Und ein leidenschaftlicher Römer, der die Geheimnisse der „ewigen Stadt“ beschrieben hat und nun „Die Geheimnisse des Vatikans“. Seit Dan Brown mit seinem Schmöker über den „Da-Vinci-Code“ die Beststellerlisten stürmte, hat auch bei Nicht-Katholiken das Interesse an solchen Geheimnissen zugenommen. Haben doch die Apostel Petrus und Paulus aus einer eher obskuren orientalischen Sekte von Rom aus eine „Weltkirche“ gezimmert, die mächtig genug wurde, einen großen Teil Italiens über Jahrhunderte zu beherrschen und noch heute, nach der Einigung Italiens geschrumpft auf die Größe eines Stadtteils (aber gleichwohl völkerrechtliches Subjekt mit Botschaftern in aller Welt), mitzureden – dank der Macht, die der Papst mit seiner Fähigkeit „zu binden und zu lösen“ über viele Millionen Katholiken hat. Die „Geheimnisse“, die dort womöglich gehütet werden, sind schon ein Buch wert. (Eines der zahllosen aus den letzten Jahrhunderten.)

Augias verzichtet auf eine „Geschichte“ der Päpste und des Vatikans, er beschreibt, was nicht sonnenklar klar ist: anekdotisch, kenntnisreich und nicht durchweg freundlich. Dabei verzichtet er auf die offensichtlichen Skandale, der machthungrige und vom Sex besessene Borgia-Papst Alexander IV. kommt nur am Rande vor, samt seiner Entourage, dem mordlüsternen Condottiere Cesare und der berüchtigten Lucrezia, die in ihren älteren Tagen noch eine kluge Fürstin von Ferrara wurde. Das Sittenleben der Renaissance-Päpste wird nur gestreift: Man kennt das ja. Augias beginnt seinen Bericht mit einem anderen Sittenstrolch, dem römischen Kaiser Nero, der auf dem heutigen Gebiet des Vatikans seinen Palast errichtete, beim Brand der Stadt die Leier schlug und sich durch grausame  Christenverfolgungen hervortat. Aber bevor er mit der Fälschung der „Konstantinischen Schenkung“, die den Papst zum Oberhaupt der Welt erklärte, den Beginn der Machtgeschichte zeigt, macht er mit der Leibgarde des Papstes – diesem letzten, dekorativen Überrest einstiger Heeresmacht – bekannt, und mit einem Skandal aus jüngster Zeit, bei dem es um den nie vollends aufgeklärten Mord am Chef der Schweizergarde geht. Da sind wir schon in der unmittelbaren Gegenwart. Was an dieser Geschichte typisch ist: die Geheimniskrämerei der vatikanischen Behörden. Sie ist für Augias paradigmatisch und kommt in zahlreichen Variationen quer durch die Jahrhunderte immer wieder: als Geschichte des Petersdoms und als kurzer Abriss des tragischen Schicksals des Templer-Ordens, dem Philipp von Burgund den Garaus machte, als Inquisition und Darstellung zweier Orden, der Jesuiten und der in alle Ganglien des Machtgefüges einer militanten Laienschaft eingesickerten „Opus Dei“, einer in Spanien von dem leidenschaftlichen Franco-Anhänger José Escrivá gegründeten Art von katholischer Freimaurerei, der vom polnischen Papst Woityla gar heilig gesprochen wurde. Augias nimmt sich der bis heute nicht vollends aufgeklärten Rolle von Papst Pius XII. bei der Verfolgung der Juden durch die Nazis an, die zwar komplizierter verlaufen ist, als es Hochhuth im „Stellvertreter“ auf die Bühne gebracht hat, aber nicht weniger trostlos.

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Es geht im Grunde bei allen Geschichten – es sind viele, die Augias zu erzählen weiß – um dasselbe: den Widerspruch zwischen jener Religion der Liebe, die der Mann auf dem Esel in Palästina wollte und den Machtansprüchen, die eine „Amtskirche“ bis heute behauptet. Augias wäre kein Römer, wenn er nicht dazwischen auch auf die kulturellen Hervorbringungen des Vatikans einginge: Michelangelos Sixtinische Kapelle und den lebenslangen Streit zwischen zwei großen Barock-Architekten: Bernini und Borromini. (Eine kunstgeschichtliche Bildersammlung und ein Stadtplan empfiehlt sich bei der Lektüre dieser Kapitel.) Aber dann widmet Augias doch wieder den reichlich irdischen Geschäften der vom Papst geschützten Vatikan-Bürokratie, für die die Bank IOR steht. Kenner der Materie werden manches vermissen, was „auch dazugehört“, aber Augias ist mehr daran gelegen, Geschichten zu erzählen als eine durchgehende (politische, religiöse, soziale) Historie. Er mäandert zwischen Themen und Figuren hin und her und deckt dabei in der Tat auch ein paar „Geheimnisse“ auf. Eher die kleinen als die großen. Manchmal benennt er sie auch nur als ungeklärt.

Weblink: Beck Verlag


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