BERLIN (BLK) – Die „FAZ“ bespricht Lars Brandts Debütroman „Gold und Silber“ und Peer Hultbergs „Eines Nachts“, die „FR“ berichtet über Jeremy Scahills investigatives Sachbuch „Blackwater“. Die „NZZ“ rezensiert Gabriel Rosenstocks Gedichtband „Ein Archivar großer Taten“ und die „SZ“ bespricht John Burnsides Roman „Die Spur des Teufels“.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Lars Brandts Debütroman „Gold und Silber“ beginnt mit der reizvollen Ausgangsidee, das „Verschwinden eines Künstlermythos mit dem Verschwinden der alten Bundesrepublik zu verschalten“, schreibt die „FAZ“. Es ginge um eine Gruppe von künstlerischen „Möchtegern-Avantgardisten“, die Ende der neunziger Jahre in Bonn leben und allesamt von einem „jugendhaft-trotzigen Größenwahn“ vereinnahmt werden – in ihrem Scheitern liege „etwas Charmant-Heroisches“. Rezensentin Gisa Funk hätte es allerdings spannender gefunden, wenn Brandt weniger auf seinen „Bildungsstolz“ und mehr auf den „Mut zur tragischen Fallhöhe“ gesetzt hätte.
Peer Hultbergs (1935-2007) nachgelassener Roman „Eines Nachts“ erscheint in deutscher Übersetzung noch vor der Publikation des dänischen Originals, berichtet die „FAZ“. Beschrieben werde der „Verfall einer Familie“, der sich in der Nacht vom 24. auf den 25 Juli 1975 vollzieht. Dabei scheint es dem Rezensent, als wolle Hultberg den Dreischritt „Erfolg, Rückzug, Panik“ an mehreren Beispielen durchexerzieren. Es handle sich um einen schonungslosen Roman: „je auswegsloser die Beziehungen sind, desto insistierender, quälender und länger werden die Sätze“.
Mit guter Laune wühlt sich der Linguist Christoph Gutknecht in seiner „kleinen Fibel“ „Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit“ durch deutsche Alltagsphrasen, meldet die „FAZ“. „Dummdeutschen“ Wörtern stelle er „erhellend ihre Ursprungsbedeutung entgegen“. Gutknechts „Wörterbuch“ sei wenig belehrend und dafür umso lehrreicher.
„Frankfurter Rundschau“
Mit „Blackwater“ von Jeremy Scahill könne der Leser auf „anschauliche und spannende Art“ die grundlegenden Züge von Sicherheitsfirmen kennen lernen, meint die „FR“. Blackwater International sei eine der bekanntesten amerikanischen Sicherheitsfirmen, die neben Engagements im Irak und Afghanistan „unter anderem auch in Aserbaidschan“ reichlich zu tun habe. Scahills „Glanzstück des investigativen Journalismus“ liefere ein „aufschlussreiches Beispiel“ für die Rolle der privaten Militärbranche in Gegenwart und Zukunft, urteilt Rezensent Rolf Wiggershaus.
„Neue Zürcher Zeitung“
Beatrix Langner bespricht Lorenz Schröters zweiten Roman „Das Buch der Liebe“ in der „NZZ“ und fasst diesen als „schweren Fall von Elvis-Presley-Häresie“ zusammen. In dem Poproman träfen „deutscher Kleinstadtmuff“ und eine „Plasticpopband“ wie Paralleluniversen aufeinander. Schröter erzähle mit „überwältigender Phantasie, viel Spass am Spiel mit den Elementen einer gnadenlos globalisierten Medienkultur und einem kleinen sentimentalen Kick am Ende“, schreibt die Rezensentin. Trotzdem sei dieser Poproman nur „begrenzt haltbar“.
Die Gedichte Gabriel Rosenstocks seien nun in „Ein Archivar großer Taten“ in einer stilsicheren Übersetzung durch Hans-Christian Oeser erschienen, berichtet Jürgen Brôcan für die „NZZ“. Rosenstocks Augenmerk gelte dem Alltag, den gewöhnlichen Fährnissen menschlicher Kommunikation und den bizarren Kleinigkeiten, die er mit Hilfe von „feinsinniger Ironie und zuweilen hemdsärmlig derben Scherz“ erzähle. Sein Humor scheine nichts anderes als eine überwundene Form der Trauer zu sein, meint der Rezensent. So halte die „Metamorphose in schwarzen Humor“ die lichtesten Momente bereit, würdigt Brôcan.
Der Rezensent H.D. Kittsteiner rezensiert zwei Werke über Friedrich den Großen (1712-1786) in der „NZZ“. Die „Potsdamer Ausgabe. Werke in 12 Bänden“ Friedrich des Großen erscheint nun in einer neuen zweisprachigen Edition und in moderner Übersetzung. Was nach Meinung des Rezensenten sehr zu begrüßen sei, da man dieses Werk zuvor nur noch in Antiquariaten und Bibliotheken und auch lediglich auf Französisch oder in wilhelminischer Fassung finden konnte. Es handle sich hierbei jedoch um keine historisch-kritische Ausgabe. Das erste „Probestück“ sei der nun erschienene „Band VI: Philosophische Schriften“. Er enthalte kleinere moraltheoretische Essays und den „Antimachiavell“. Der Rezensent bemängelt die Scheu vor Fußnoten und die zum Teil nutzlosen Kommentare. Auch fehle eine generelle Einleitung der Herausgeber und es frappiere, dass diese Friedrich zum „französischen Intellektuellen outre Rhin“ erklären, denn das war er nach Meinung des Rezensenten nicht nur. Peter-Michael Hahns Monographie „Friedrich der Große und die deutsche Nation“ sei ein Buch über Geschichtswissenschaft, politische Korrektheit vergangener Zeiten und über Geschichtspolitik sowie die Geschichtsschreibung, die ihr diene. Der Reiz stecke hier im Detail, findet der Rezensent Kittsteiner. Außerdem setze sich der Autor auch mit der Person Friedrichs auseinandergesetzt. So beschäftige den Autor beispielsweise die Doppelkonfiguration von historischem Akteur und Geschichtsschreiber.
„Süddeutsche Zeitung“
Die „SZ“ rezensiert die Neuübersetzung von Percy Bysshe Shelleys (1792-1822) Frühwerk „Zastrozzi“. Der Schauerroman könne als „erster Ausdruck von Shelleys philosophischem und politischem Radikalismus“ angesehen werden, meint der Rezensent Ralf Hertel. Schon in diesem Buch lasse sich die Faszination des Autors für Individuen erkennen, die „sich von den gängigen Moralvorstellungen und vom religiösen Glauben“ lossagen. Den Übersetzern – Studenten der Freien Universität Berlin – sei es zu verdanken, dass der „bisweilen penetrant pathetische Ton“ Shelleys in der Neuausgabe etwas nüchterner erscheine. Letztere haben für ihre Übertragung des Originals ins Deutsche „einen glücklichen Mittelweg gefunden“, welcher das Pathos des Dichters abschwäche und seinen Schreibstil nicht allzu archaisch erscheinen lasse.
In John Burnsides Roman „Die Spur des Teufels“ dominiere die „Perspektive des traumwandlerischen Ich-Erzählers“, schreibt die „SZ“. Am meisten überzeugen „die lyrisch gefärbten Szenen“, in welchen der Protagonist „von etwas Unsagbarem angerührt und in seiner Identität erschüttert wird“, findet Rezensent Christoph Haas. Der Grundton des Buches könne am ehesten als „dunkel“ und abgründig bezeichnet werden. Leider fallen die Anspielungen auf Vladimir Nabokovs (1899–1977) „Lolita“ zu deutlich aus, wodurch Burnsides Geschichte konstruiert und plakativ wirke. „Interessanter“ als die „Lolita-Handlung“ seien die dieser vorangestellten „Rückblenden in die Kindheit und Jugend“ der Hauptfigur.
Hannelore Schlaffer bespricht für die „SZ“ Klaus Lüderssens Essay „Eichendorff und das Recht“. Schon der Titel des Buches sei irreführend, denn der Autor widme den größten Teil seiner Ausführungen dem Rechtsgelehrten Karl von Savigny (1771-1861), welcher als Begründer der „Historischen Rechtsschule“ gelte. Zudem sei der Text ausnahmslos nach streng wissenschaftlichen Schemata verfasst, was dem Leser „ebenso viel Sachlichkeit und Ernst“ abverlange, wie Lüderssen beim Verfassen seines Essays aufgebracht haben müsse. Vom Einfluss des politischen Denkens Joseph von Eichendorffs (1788-1857) auf seine lyrischen Schriften sei dagegen „wenig die Rede“. Demnach sei das Buch „eher für Juristern als für literarisch interessierte Leser geschrieben“, konstatiert Schlaffer.
In dem postum veröffentlichten Sammelband „Zur gleichen Zeit“ sind Aufsätze und Reden aus dem Nachlass von Susan Sontag (1933-2004) vereint, berichtet die „SZ“. Wie Rezensent Andreas Dorschel findet, hätte der Band auch „vor dem unbestechlichen Urteil der Autorin bestanden“, denn er vereine Sontags eminenteste Qualitäten: „Neugier, Klarheit, Intelligenz“. Für einen „schlechten Scherz“ hält er hingegen Reinhard Kaisers Leistung als Übersetzer: einige Passagen gelängen nicht „unbeschädigt ins Deutsche“. (car/mik/win/wip)
Literaturangaben:
BRANDT, LARS: Gold und Silber. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2008. 303 S., 21,50 €.
BURNSIDE, JOHN: Die Spur des Teufels. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Albrecht Knaus Verlag, München 2008. 255 S., 18 €.
FRIEDRICH DER GROSSE: Potsdamer Ausgabe. Werke in 12 Bänden. Französisch-deutsch. Herausgegeben von Anne Baillot, Günther Lottes und Brunhilde Wehinger. Band VI: Philosophische Schriften / Œuvres philosophiques. Aus dem Französischen von Brunhilde Wehinger. Akademie-Verlag, Berlin 2007. 524 S., 49,80 €.
GUTKNECHT, CHRISTOPH: Von Treppenwitz zu Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. C.H. Beck Verlag, München 2008. 238 S., 9,95 €.
HAHN, PETER-MICHAEL: Friedrich der Große und die deutsche Nation. Geschichte als politisches Argument. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2007. 258 S., 28 €.
HULTBERG, PEER: Eines Nachts. Roman. Aus dem Dänischen von Angelika Gundlach. Jung und Jung Verlag, Salzburg und Wien 2007. 232 S., 24 €.
LÜDERSSEN, KLAUS: Eichendorff und das Recht. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 102 S., 14,80 €.
ROSENSTOCK, GABRIEL: Ein Archivar großer Taten. Ausgewählte Gedichte. Aus dem Irischen von Hans-Christian Oeser. Edition Rugerup, Hörby/Schweden 2007. 112 S., 16,90 €.
SCAHILL, JEREMY: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt. Aus dem Englischen von Bernhard Jendricke und Rita Seuss. Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 352 S., 22 €.
SCHRÖTER, LORENZ: Das Buch der Liebe. Roman. Verlag Antje Kunstmann, München 2007. 190 S., 16,90 €.
SHELLEY, PERCY BYSSHE: Zastrozzi, eine Romanze und andere Frühschriften. Aus dem Englischen übersetzt von einem anglistischen Studententeam der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Manfred Pfister. Verlag Karl Stutz, Passau 2007. 224 S., 17,80 €.
SONTAG, SUSAN: Zur gleichen Zeit. Aufsätze und Reden. Herausgegeben von Paolo Dilonardo und Anne Jump. Vorwort von David Rieff. Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser. Carl Hanser Verlag, München 2008. 296 S., 21,50 €.
Presseschau vom 2. April 2008
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