ZÜRICH (BLK) – Der Hamburger Germanist Hans-Harald Müller habe nun nach längerer Beschäftigung mit dem österreichischen Autor „eine 400 Seiten starke Perutz-Biografie vorgelegt“, berichtet Oliver Pfohlmann für die „Neue Zürcher Zeitung“. Leo Perutz (1882-1957) sei einer von „Europas „forgotten writers“. Vor seiner Vertreibung nach Palästina habe Perutz „mit raffiniert konstruierten Psychothrillern wie „Zwischen neun und neun“ „ein Millionenpublikum erreicht“. Brecht sowie Tucholsky zählten beispielsweise zu seinen Bewunderern. Nach dem Krieg habe Perutz jedoch seine literarische Laufbahn langsam beendet.
„Als Verehrer von Karl Kraus plädierte Perutz für die strikte Trennung von Leben und Werk“ und somit habe es Müller mit der Suche nach autobiographischen Quellen schwer gehabt. Aus diesem Grund dienten lediglich Erinnerungen von Freunden und hauptsächlich Perutz’ Taschenkalender als wichtigste Hinweise auf sein äußeres Leben. Die Kindheit des Autors sei eine „ohne Spuren“ gewesen, darauf folgen ein Studium der Versicherungsmathematik, eine Stellung, die er jedoch 1923 für das Autorenleben aufgab, eine Heirat und ein späteres Leben als Witwer. Leo Perutz habe ein geselliges Leben geführt, das zumeist aus Tarockspielen und Kaffeehausrunden bestand. Seine Spielernatur soll sich auch in seinem Liebesleben niedergeschlagen haben. Der Österreicher habe vor allem „Sinn für makaberen Humor“ besessen, der sich in seinem gesellschaftlichen sowie politischen Leben, aber auch in seinem Werk niederschlug. Abschließend gelinge Müller nach Oliver Pfohlmann „ein überaus lebendiges plastisches Portrait dieses Erben E. T. A. Hoffmanns und E. A. Poes“ und dieses sei „kein geringes Kunststück, wenn man die desolate Quellenlage bedenkt“.
„Bei Perutz guckte stets, nach dem Wort seines Freundes Richard A. Bermann, der Mathematiker dem Dichter des Phantastischen über die Schultern.“ So ergaben sich „raffinierte Erzählkonstruktionen“, die laut Rezensent „beunruhigenden Vexierbildern“ gleichen sollen. Leo Perutz’ neu herausgegebener Roman „St. Petri-Schnee“ zeige „den Autor auf dem Höhepunkt seines Könnens“, darin führe er „die Entstehung von Religion und Massenhysterie auf einen Getreidepilz zurück“. Der Rezensent vergleicht ihn mit Schnitzler: „So ökonomisch wie sein an Arthur Schnitzler geschulter Stil, so trocken sind seine sich aufs Faktische beschränkenden Notizen.“ (car/wip)
Literaturangaben:
MÜLLER, HANS-HARALD: Leo Perutz. Biographie. Zsolnay-Verlag, Wien 2007. 408 S., 24,90 €.
PERUTZ, LEO: St. Petri-Schnee. Roman. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller. Zsolnay-Verlag, Wien 2007. 208 S., 19,90 €.
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