MÜNCHEN (BLK) – Im Juli 2011 erscheint bei Blanvalet Sandra Browns neuester Thriller unter dem Titel „Ewige Treue“. Aus dem Englischen von Christoph Göhler.
Klappentext: Griff Burkett steckt tief in der Klemme: Er hat kein Geld, keinen Job, keine Fans mehr. Der ehemals umjubelte Footballspieler steht nach seiner Haftentlassung vor dem Nichts. Zu allem Überfluss weicht ein rachsüchtiger Polizist nicht von seiner Seite und sähe ihn am liebsten sofort wieder hinter Schloss und Riegel. Da schlägt der Millionär Foster Speakman Griff einen lukrativen – und skandalösen – Deal vor: Er soll ein Kind mit Fosters Frau zeugen, da der Millionär seit einem Autounfall vor zwei Jahren querschnittsgelähmt ist. Seine Frau Laura fuhr damals den Wagen und fühlt sich bis heute schuldig. Griff lässt sich in seiner Not auf das unmoralische Angebot ein. Nach einigen Treffen passiert, was nie hätte passieren sollen: Laura und Griff verlieben sich ineinander. Und nach einigen Monaten wird Laura schwanger. Da stirbt Foster auf unerklärliche Weise. War es Mord? Mit einem Mal ist Griff der Hauptverdächtige und muss feststellen, dass er sich auf ein Spiel eingelassen hat, in dem es um alles geht: Seine Zukunft, sein Herz – und das Leben der Frau, die er liebt …
Die amerikanische Bestseller-Autorin Sandra Brown wurde 1948 in Texas geboren. Sie arbeitete zunächst als Fernsehjournalistin und Schauspielerin und veröffentlichte bereits unter mehreren Pseudonymen. Brown ist Dauergast auf den Bestsellerlisten der New York Times, nachdem sie mit dem Thriller „Trügerischer Spiegel“ ihren Durchbruch schaffte.
Leseprobe:
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„Das ist alles?“
„Das ist alles.“ Griff Burkett warf eine kleine Reisetasche auf den Rücksitz und setzte sich dann auf den Beifahrersitz. „Ich hatte nicht viel dabei. Und ich nehme hundertprozentig keine Souvenirs mit.“ Er wollte garantiert keine Erinnerungsstücke an seinen Aufenthalt im BIG – dem offiziellen Kürzel für die Bundesjustizvollzugsanstalt in Big Spring, Texas.
Er sank in die weichen Lederpolster, richtete die Düse der Aircondition auf seinen Bauch, merkte, dass sie nicht losfuhren, und sah daraufhin den Fahrer an.
„Der Gurt.“
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„Ach so. Stimmt.“ Griff zog den Gurt über seinen Bauch und ließ ihn einrasten. Dann meinte er viel sagend: „Wir wollen doch keine Gesetze brechen.“
Für einen Anwalt war Wyatt Turner ganz in Ordnung. Aber falls er auch nur einen Funken Humor besaß, ließ er sich das nicht anmerken. Griffs trockene Bemerkung entlockte ihm nicht einmal ein Lächeln.
„Mann, Turner, was soll die Leichenmiene?“, fragte Griff. „Heute ist ein Feiertag.“
„Leider sind wir nicht die Einzigen, die ihn begehen.“
Turner lenkte Griffs Blick auf einen hässlichen, olivgrünen Wagen, der auf einem Behindertenparkplatz stand. Unberechtigt, wie es aussah, denn am Rückspiegel hing kein Behindertenzeichen. Griff erkannte weder Marke noch Modell, weil der Wagen noch keine fünf Jahre alt war. Die langweilige Limousine hob sich allein dadurch hervor, dass ein Mann am Lenkrad saß.
Griff fluchte leise. „Was will der denn hier?“
„Dass Sie heute entlassen werden, war in allen Zeitungen zu lesen, ich glaube nicht, dass er Champagner mitgebracht hat.“
„Warum ist er dann so weit gefahren, um mich zu sehen?“
„Ich nehme an, er will dort anknüpfen, wo Sie beide aufgehört haben.“
„Aha.“
Der Gegenstand ihrer Unterhaltung, Stanley Rodarte, hatte so geparkt, dass er nicht zu übersehen war. Griff sollte ihn bemerken. Und Griff hätte ihn überall erkannt, weil Stanley Rodarte ein echt hässlicher Hurensohn war. Sein Gesicht sah aus wie mit einer Kettensäge aus einer alten Eiche geschnitzt, ohne dass sich der Schnitzer die Zeit genommen hätte, die Kanten abzuschmirgeln. Die Wangenknochen waren scharf wie Messerschneiden und legten strenge Schatten auf seine gerötete, aknenarbige Haut. Seine Haare hatten Farbe und Fasson von staubigem Stroh. Hinter den Gläsern seiner verspiegelten Sonnenbrille waren die – gelblichen, wie Griff sich erinnerte – Augen mit einer Feindseligkeit auf Griff gerichtet, die selbst nach fünf Jahren kein bisschen verblasst war.
Griff zuckte scheinbar gleichgültig mit den Achseln. „Wenn er unbedingt seine Zeit vergeuden will.“
Woraufhin Turner mit Weltuntergangsstimme entgegnete: „Er sieht das offensichtlich anders.“
Als sie an dem anderen Wagen vorbeirollten, grinste Griff Rodarte feixend an und zeigte ihm den Mittelfinger.
„Mann, Griff.“ Turner beschleunigte auf das Gefängnistor zu. „Was ist mit Ihnen nur los?“
„Mir macht er keine Angst.“
„Das sollte er aber. Falls Sie nur einen Funken Verstand hätten, würden Sie sich vor Angst in die Hose machen. Ganz offensichtlich hat er Bandy nicht vergessen. Halten Sie sich von ihm fern. Im Ernst. Haben Sie verstanden? Legen Sie sich nicht mit ihm an.“
„Schicken Sie mir für diesen unerbetenen Rat eine Rechnung?“
„Nein, dieser Rat geht aufs Haus. Damit versuche ich nicht nur Sie zu schützen, sondern auch mich.“
Trotz der blasenden Aircondition ließ Griff das Fenster herunter, als Turner durch das Tor der Bundesstrafanstalt fuhr, die während der letzten fünf Jahre sein Heim gewesen war. Der Bereich, in dem er eingesessen hatte, war als gelockerter Vollzug eingestuft, aber es war trotz alledem ein Gefängnis.
„Nichts gegen die Bewohner von Big Spring, aber mir kann dieses Kaff ein für alle Mal gestohlen bleiben“, bemerkte er, als sie den Ort im Westen von Texas hinter sich ließen und auf der Interstate 20 nach Osten fuhren.
Die Luft war heiß, trocken und staubig, und sie roch nach den Diesel- und Benzinabgasen auf der viel befahrenen Autobahn, aber es war freie Luft, die erste, die Griff seit eintausendachthundertundfünfundzwanzig Tagen schmeckte. Er saugte sie tief in die Lunge.
„Ein gutes Gefühl, wieder draußen zu sein?“, fragte der Anwalt.
„Sie haben gar keine Ahnung.“
Nach kurzem Schweigen bemerkte Turner: „Das mit Rodarte war mein Ernst.“
Der sandige Wind peitschte über Griffs Gesicht und drückte die Haare an seinen Kopf. „Entspannen Sie sich, Turner“, rief er gegen das Dröhnen eines stinkenden Viehtransporters an, der eben vorbeizog. „Ich werde Rodarte schon nicht auf die Zehen treten. Und keinem anderen. Die Sache ist gegessen. Geschichte. Ich habe meine Strafe abgesessen und meine Schuld gegenüber der Gesellschaft zurückgezahlt. Sie haben einen rehabilitierten, geläuterten Mann vor sich.“
„Freut mich zu hören“, antwortete der Anwalt mit unüberhörbarer Skepsis.
Griff hatte Rodarte im Außenrückspiegel beobachtet. Er war ihnen durch Big Spring gefolgt und fuhr ihnen immer noch hinterher, wobei er mindestens drei Wagen zurückblieb. Falls Wyatt Turner gemerkt hatte, dass Rodarte sich an sie gehängt hatte, sagte er nichts dazu. Griff wollte schon eine Bemerkung machen, aber dann dachte er, dass sein Anwalt manche Dinge nicht zu wissen brauchte. Dinge, die ihm nur Sorgen machen würden.
Dreihundert Meilen später stand Griff im Wohnbereich seines neuen Apartments, wobei Wohnbereich eine lachhafte Übertreibung war. Man konnte hier vielleicht überleben, aber als wohnen konnte man das nicht bezeichnen. Der Raum war so schummrig, dass es schon fast gespenstisch war, doch die erbärmliche Beleuchtung schmeichelte der Umgebung sogar. An einer Wand zog sich wie ein gezackter Blitz ein fingerbreiter Riss von der Decke bis zum Boden. Der Teppich war klebrig. Die Aircondition keuchte asthmatisch, und die modrige Luft, die sie ins Zimmer pumpte, roch wie aus dem Dunstabzug einer chinesischen Schnellküche.
„Es ist nichts Besonderes“, sagte Turner.
„Ach was.“
„Aber sie verlangen keine Kaution. Die Miete ist monatlich fällig. Betrachten Sie es als Zwischenlösung, bis Sie was Besseres gefunden haben.“
„In Big Spring war’s wenigstens sauber.“
„Wollen Sie zurück?“
Vielleicht hatte Turner doch Humor.
Griff ließ die Reisetasche auf das Sofa fallen. Es sah nicht nur unbequem aus, er wollte auch lieber nicht wissen, was das für Flecken auf dem Bezug waren. Bedauernd dachte er an das Penthouse in der angesagten Turtle Creek Area in Dallas zurück, in dem er früher gewohnt hatte. Tagsüber lichtdurchflutet und abends mit einem spektakulären Blick auf die Skyline gesegnet. Mit zahllosen Annehmlichkeiten ausstaffiert. Bei der Hälfte der Apparate und Gerätschaften hatte er nicht mal gewusst, wozu sie gut waren, oder wie er sie bedienen musste. Wichtig war nur gewesen, dass er sie besaß.
„Haben Sie gar nichts von meinen Sachen behalten können, als Sie meine Wohnung verkauft haben?“
„Kleider. Ein paar persönliche Dinge. Bilder. Solche Sachen. Die befinden sich in einem Lager. Aber der Rest …“ Turner schüttelte den Kopf und klimperte nervös mit den Schlüsseln, als könnte er es kaum erwarten, wieder ins Auto zu steigen, obwohl sie fünf Stunden gefahren waren und nur eine kurze Pause gemacht hatten. „Die Sachen in der Spielkiste habe ich zuerst liquidiert.“
So hatte Griff die Zweitgarage bezeichnet, die er für seine Erwachsenenspielsachen angemietet hatte: Ski, Tauchausrüstung, Motorrad – eine Indian –, ein schnittiges Angelboot mit Außenbordmotor, das genau einmal im Wasser gewesen war. Zeug, das er vor allem gekauft hatte, weil er es sich leisten konnte.
„Danach waren der Escalade und der Porsche dran. Den Lexus habe ich erst verkauft, als ich musste. Danach habe ich das Apartment geleert. Ich musste alles verkaufen, Griff. Um die Geldstrafe zu bezahlen. Das Anwaltshonorar.“
„Ihr Honorar.“
Turner hörte mit dem Schlüsselklimpern auf. Unter anderen Umständen hätte die Kampfposition, die er einnahm, nur komisch gewirkt. Griff war fast zwanzig Zentimeter größer als er und hatte in der Haft nicht mit seinen Workouts nachgelassen. Wenn überhaupt, war er inzwischen noch fitter als bei seinem Haftantritt.
Wyatt Turner hatte hingegen den bleichen Teint eines Mannes, der jeden Tag zwölf Stunden am Schreibtisch verbringt. Für ihn bestand ein Workout bestenfalls aus einer Runde Golf, die er mit dem Golfmobil abfuhr, gefolgt von zwei Cocktails im Clubhaus. Mit seinen gut vierzig Jahren hatte er vorn bereits ein weiches Bäuchlein und hinten einen Hängehintern entwickelt.
„Ja, Griff, mein Honorar“, verkündete er trotzig. „Ich werde dafür bezahlt, dass ich meinen Job tue. Das werden Sie auch.“
Griff sah ihn nachdenklich an und sagte dann leise: „Das wurde ich. Das wurde ich auch.“
Turner legte das Gefieder wieder an, wandte sich leicht beschämt über seinen gehässigen Ausbruch ab und ließ einen zweiten Schlüsselsatz auf den Resopal-Couchtisch fallen. „Unser Zweitwagen. Er steht draußen. Nicht zu übersehen. Ein Honda, zwei Türen, blassrot. Hätte sich nicht gelohnt, ihn in Zahlung zu geben, darum haben wir ihn für Notfälle behalten, als Susan den Range Rover bekam. Er läuft. Ich habe das Öl wechseln und die Reifen prüfen lassen. Sie können ihn haben, solange Sie ihn brauchen.“
„Kommt die Mietgebühr auch auf meine Rechnung?“
Turner wurde wieder böse. „Warum führen Sie sich wie ein Arschloch auf? Ich will Ihnen nur helfen.“
„Sie hätten mir vor fünf Jahren helfen sollen, dass ich nicht in diesen Scheißknast muss.“
„Ich habe alles für Sie getan, was ich konnte“, feuerte Turner zurück. „Sie waren einfach fällig. Wer ein Verbrechen begeht, muss irgendwann seine Zeit absitzen.“
„Mann, das muss ich mir aufschreiben.“ Griff tätschelte seine Taschen, als würde er nach einem Stift tasten.
„Mir reicht’s.“
Turner war schon auf dem Weg zur Tür, doch Griff hielt ihn auf.
„Okay, okay, Sie sind ein Prinz unter den Anwälten, und ich bin ein Arschloch, das Sie nicht verdient hat. Was noch?“ Er ließ Turner ein paar Sekunden Zeit, Dampf abzulassen, dann wiederholte er deutlich versöhnlicher: „Was haben Sie noch für mich getan?“
„Ich habe einen Teil Ihrer Anziehsachen in den Schrank im Schlafzimmer gehängt.“ Er deutete auf eine offene Tür am anderen Ende des Raumes. „Jeans und Pullover sind immer noch modern. Außerdem habe ich preiswertes Bettzeug und Handtücher besorgt. Waschsachen haben Sie doch?“
„In der Reisetasche.“
„Im Kühlschrank finden Sie Mineralwasser, Milch und Eier. Und Brot. Ich dachte mir, dass in der Speisekammer Kakerlaken sein könnten.“
„Anzunehmen.“
„Hören Sie, Griff, ich weiß, es ist kein Palast, aber …“
„Palast?“, wiederholte er lachend. „Ich glaube nicht, dass irgendwer diese Müllkippe für einen Palast halten könnte.“ Dann fügte er an, um nicht undankbar zu wirken: „Aber wie gesagt, es ist nur eine Zwischenstation. Gibt es auch ein Telefon?“
„Im Schlafzimmer. Ich habe es für Sie angemeldet. Auf meinen Namen. Wir können den Anschluss wieder abmelden, sobald Sie ein eigenes Telefon haben.“ „Danke. Wie ist die Nummer?“
Turner sagte sie ihm. „Wollen Sie sich das nicht aufschreiben?“
„Ich hatte früher ein paar hundert Spielzüge im Kopf. Zehn Ziffern kann ich mir gerade noch merken.“
„Hmm. Stimmt. Vergessen Sie nicht, sich bei Ihrem Bewährungshelfer zu melden. Er muss wissen, wie er Sie erreichen kann.“
„Der erste Punkt auf meiner Liste. Jerry Arnold anrufen.“ Griff machte mit dem Zeigefinger ein Häkchen in der Luft.
Turner reichte ihm einen Bankumschlag. „Hier haben Sie etwas Bargeld, bis Sie eine Kreditkarte bekommen können. Ihr Führerschein ist auch drin. Die Adresse stimmt natürlich nicht mehr, aber er läuft erst an Ihrem nächsten Geburtstag aus, und bis dahin sind Sie bestimmt wieder umgezogen.“
„Danke.“ Griff ließ den Umschlag auf den Tisch neben die Schlüssel für das geliehene Auto fallen. Sich von seinem Anwalt aushalten zu lassen, war fast so demütigend wie der erste Tag im Gefängnis, als man ihm die Regeln und die Strafen für jeden Verstoß erläutert hatte.
„Also, ich schätze, das wäre vorerst alles.“ Der Anwalt schlug ihm auf die Schulter, eine Geste, die bei ihm unnatürlich und ungewohnt wirkte. Er wandte sich schnell wieder ab, doch an der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. „Griff … äh … die Leute sind immer noch sauer auf Sie. Für viele Menschen haben Sie eine Kardinalsünde begangen. Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Ihnen jemand dumm kommt. Halten Sie die andere Wange hin, okay?“
Griff antwortete nicht. Er würde nichts versprechen, was er nicht halten konnte.
Turner zögerte und sah ihn besorgt an. „Rauszukommen, das ist eine Mordsumstellung.“
„Immer noch besser, als drinzubleiben.“
„Diese Kurse für die Insassen, die demnächst entlassen werden…“
„Das Release Preparation Programm?“
„Genau. Hat das was gebracht?“
„Na klar. Jetzt weiß ich, wie ich ein Bewerbungsformular ausfüllen muss. Und dass ich mich beim Vorstellungsgespräch nicht am Hintern kratzen oder in der Nase bohren soll.“
Turner wirkte verärgert. „Haben Sie schon eine Vorstellung, was Sie jetzt machen werden?“
„Einen Job suchen.“
„Keine Frage. Ich meine, haben Sie schon irgendwas in Aussicht?“
„Kennen Sie vielleicht ein professionelles Footballteam, das einen Starting Quarterback sucht?“ Turners Gesicht entgleiste dermaßen, dass Griff zu lachen begann. „Das war ein Witz.“
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Literaturangabe:
BROWN, SANDRA: Ewige Treue. Übersetzt aus dem Englischen von Christoph Göhler. Blanvalet Verlag, München 2011. 512 S., 8,99 €.
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