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Verlags-Marketingchef: Rowohlt war als Verleger ein Besessener

Ein Interview mit dem Marketing-Geschäftsführer des Rowohlt Verlags

© Die Berliner Literaturkritik, 27.03.08

 

HAMBURG (BLK) – Der Rowohlt Verlag in Reinbek bei Hamburg ist einer der bedeutendsten deutschen Verlage – Heimat von Schriftstellern wie Kurt Tucholsky, Franz Kafka, Ernest Hemingway, Peter Rühmkorf, Elfriede Jelinek, Martin Walser, John Updike und Daniel Kehlmann. Zum 100-jährigen Jubiläum hat die dpa ein Interview mit Marketing-Geschäftsführer Lutz Kettmann geführt.

Interview:

Können Sie die Anfänge des Verlages beschreiben, den der junge Buchhändler-Volontär Ernst Rowohlt 1908 in Leipzig gründete?

Kettmann: „Ich glaube, die Verlagsgründung 1908 war etwas höchst Individuelles. Hier hat ein Mann Ideen gehabt, der besessen davon war, Autoren verlegen zu wollen – und er hat einfach angefangen. Das Verlagsprogramm der ersten Jahrzehnte war sehr vielfältig, man konnte weder sagen, dass er sich besonders für junge deutsche noch für amerikanische Autoren im Besonderen interessiert hat. Ich glaube, Ernst Rowohlt hat die Autoren verlegt, die ihm Spaß machten, mit denen er gut umgehen konnte und deren Bücher ihn interessierten. Das war auch so etwas wie die Selbstverwirklichung eines jungen Mannes.“

Dabei hat er sehr viel Geschick bewiesen. Schon nach kurzer Zeit war aus dem jungen Haus ein gewichtiger Verlag geworden.

Kettmann: „Ernst Rowohlt hatte wohl die Fähigkeit, die Qualität von Autoren zu erkennen und an sich zu binden, die später einmal eine führende Rolle in der Literatur spielen sollten. Es gab sicherlich andere Verlage zu der Zeit, die eher die Klassiker der Moderne gepflegt haben, aber Rowohlt liebte das Unkonventionelle. Da gab es Autoren wie Arnolt Bronnen, aber auch Kurt Tucholsky. Er verlegte alles, was ihm interessant erschien und er muss auch sehr schnell eine Anziehungskraft auf Autoren ausgeübt haben, die dann gerne zu ihm gekommen sind. So ging es dann von Jahr zu Jahr weiter und der Verlag wuchs und wuchs.“

Kann man sagen, welche Autoren von Rowohlt entdeckt wurden?

Kettmann: „Autoren wie der genannte Arnolt Bronnen, Emil Ludwig, Mascha Kaléko, Robert Musil oder Hans Fallada, einer der ersten Rowohlt-Autoren. Kurt Tucholsky natürlich. Dann kamen schon sehr früh, Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre die ersten amerikanischen Autoren hinzu. Das ist das Verdienst von Ernst Rowohlt, dass er diese Autoren in Deutschland bekanntgemacht hat. Damit wurde die amerikanische Tradition bei Rowohlt begründet, die bis heute noch eine der stärksten Programmlinien des Verlages ist. In den 30er Jahren kamen Autoren wie Ernest Hemingway, Sinclair Lewis, William Faulkner, Thomas Wolfe dazu, die alle heute noch lieferbar sind.“

Von Erich Kästner stammt ja das Zitat: „Rowohlt-Autoren trinken und rauchen.“ Gibt es den typischen Rowohlt-Autor?

Kettmann: „Das ist auf die Zeit der 20er und 30er Jahre zu beziehen. Ernst Rowohlt muss ein sehr vitaler, lebenslustiger, trinkfester, lauter Mann gewesen sein, der die Leute anzog und die sich gerne mit ihm unterhalten haben - und das galt sicher für die Autoren seiner Zeit. Es scheint mir so zu sein, dass in den ersten zwei, drei Jahrzehnten der Rowohlt Verlag eine ausgesprochene Männergesellschaft gewesen sein muss. Das waren oft feucht-fröhliche Herrenrunden. Den typischen Rowohlt-Autor gibt es sicher nicht. Typisch für Rowohlt ist heute eher die angelsächsische Autorin, der Autor aus England, oder Amerika und natürlich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viele junge, deutsche Autoren.“

Nach 1945 ist dann Ernst Rowohlts Sohn Heinrich Maria Ledig-Rowohlt in den Verlag eingetreten. Hat sich mit dem Sohn viel geändert – oder hat er die Tradition des Vaters fortgesetzt?

Kettmann: „Natürlich war Ernst Rowohlt ein Verleger, der eher mit deutschen Autoren zu tun hatte. Umso erstaunlicher und umso größer das Verdienst, dass er schon früh die ersten Amerikaner geholt hat. Ledig-Rowohlt war internationaler. Er liebte die angelsächsische Literatur und unter Ledig-Rowohlt sind noch einmal sehr viel mehr angelsächsische Autoren zum Verlag gekommen. Einer seiner liebsten Autoren war John Irving mit dem Buch ‚Garp und wie er die Welt sah’. Es gibt dieses legendäre Foto von ihm, vorne im Verlag in der Halle mit der Tischtennisplatte, wo er mit Henry Miller Ping-pong spielt. Das sagt eigentlich, welche Autoren Ledig liebte.“

Und wie steht der Verlag heute da?

Kettmann: „Man muss sehen, dass der Buchmarkt in Deutschland heute einerseits sehr gut funktioniert, es gibt sehr gute Möglichkeiten für Verlage, auch mit Hilfe der Medien Autoren bekanntzumachen und Bücher zu verkaufen. Gleichzeitig ist es ein schwieriger Markt. Wir haben sowohl auf Verlagsseite, wie auch auf Buchhandelsseite eine sehr starke Konkurrenz und Verlage sind eben auch Wirtschaftsbetriebe, die Geld verdienen müssen. Man kann mit der Verlegerei nicht reich werden, aber niemand will Geld verlieren, das heißt, auch für Traditionsverlage wie Rowohlt ist es wichtig, dass man wirtschaftlich arbeitet und die Fähigkeit hat, zu investieren und in die Zukunft zu planen Und das kann relativ leicht aus dem Lot geraten, wenn einige Dinge nicht mehr stimmen. Das musste der Rowohlt Verlag auch um das Jahr 2000 herum erfahren.“

Was ist da passiert?

Kettmann: „Wenn Verlagsprogramme zu umfangreich werden, wenn sie ausufern, zu viele Titel produziert werden. Daraus muss man dann die Konsequenzen ziehen. Auch wir haben vor acht oder neun Jahren die Anzahl der Neuerscheinungen deutlich zurückgefahren, mit dem Ziel, uns mehr auf die Autoren zu konzentrieren, die Unterstützung brauchen und die auch ein Potenzial haben, die erfolgreich sein können. Und der Erfolg hat uns Recht gegeben. Schiere Titelbreite allein ist noch kein Garant für Erfolg.“

Sie blicken also optimistisch in die Zukunft?

Kettmann: „Ja, absolut. Der Verlag hat in den vergangenen Jahren viele neue Autoren gewonnen, das ist eine gute Gewähr dafür, auch in Zukunft erfolgreich zu sein, nichts ist wichtiger als Kontinuität. Und die regelmäßige Nominierung von Autoren unseres Verlages für den Literaturnobelpreis zeigt, dass wir richtig liegen. Wir haben traditionell viele amerikanische Literaturnobelpreisträger, aber auch José Saramago, Imre Kertész, und Elfriede Jelinek. Gleichzeitig ist es für Rowohlt typisch, dass wir nicht nur anspruchsvolle Literatur machen, sondern auch populäre, dafür haben wir das Taschenbuch. Und das müssen wir auch machen. Ein Verlag in dieser Größenordnung kann nur funktionieren, wenn er ein stabiles wirtschaftliches Rückgrat besitzt. Und so ist Rowohlt heute nicht nur einer der größten Literatur-, sondern zugleich auch einer der größten Taschenbuch-Verlage.“

(Interview: Carola Große-Wilde, dpa/wip)


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