BERLIN (BLK) - In Zeiten, in denen renommierte Verlage schließen, schwimmt die Wahlschweizerin Anne Rüffer (52) gegen den Strom: Zum zehnjährigen Jubiläum des kleinen Sachbuchverlags „Rüffer & Rub“ hat sie nun noch den „Römerhof-Verlag“ gegründet, in dem ausschließlich Biografien erscheinen. Noch im ersten Verlag erschien vor gut einem Jahr die Biografie der „medica mondiale“-Gründerin Monika Hauser, die wenige Monate später für ihr Engagement für kriegstraumatisierte, vergewaltigte Frauen den Alternativen Nobelpreis erhielt. Rüffer gründete in der Schweiz eine Stiftung für „medica mondiale“. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa sprach sie über ihre Beweggründe.
Wie kommt man heute auf die Idee, einen neuen Verlag zu gründen?
Rüffer: „Meines Wissens gibt es keinen deutschsprachigen Verlag, in dem ausschließlich Biografien erscheinen. Aber es gibt so viele Leute, deren Lebensgeschichten erzählt werden müssten. Zum Beispiel die lebenden Friedensnobelpreisträgerinnen. Ich hab sie alle getroffen und vor Jahren als Sammelband herausgegeben, den ich stetig ergänze. Ich hoffe, es wird einmal ein Lexikon daraus. Aber bis jetzt sind erst 13 Frauen unter den Preisträgern. Das heißt wohl, Männer sind achtmal friedvoller (lacht). So eine Mission impossible zu haben, ist erheiternd. Ich bin mit heißem Herzen und heiterer Gelassenheit unterwegs.“
Der andere Schwerpunkt sind aufwändig gestaltete Sachbücher, oft zu schwierigen Themen, wie schwerstverbrannten Kindern, Sterbenskranken oder auch Medizinskandalen. Wie wählen Sie Themen aus?
Rüffer: „Wir machen Sachbücher zu Fragen, die eine Antwort verdienen. So ein Buch braucht immer eine übergeordnete Frage, damit die Leute durchhalten, damit sie den Abwehrreflex überwinden, sich auch schweren Themen zu widmen. Ich mag keine Bücher, in denen ein Elend das andere jagt, wo nur auf persönliche Emotionen gesetzt wird. Das sollen andere machen. Aber ich frage mich: Wie sieht die Welt aus der Sicht eines unheilbar kranken Kindes aus? Kann man mit 100 Franken die Welt verändern? Welches Rätsel birgt das Glück? Warum ist Musik unverzichtbar für uns? Und das Buch über brandverletzte Kinder hat sogar einen deutschen Wissenschaftspreis gekriegt.“
Fühlt man sich mit so einem Anspruch als Don Quichotte?
Rüffer: „Nein, dafür erreichen wir zu viel. Es geht immer darum, welchen Erfolg man im Blick hat. Geht es um die Bestsellerlisten? Das schaffen wir nicht. Das eigene Interesse ist ausschlaggebend. Ich bin weder edel, hilfreich noch gut, aber es kommt auch viel zurück. Klar ist allerdings, dass ich noch nebenher arbeiten muss. Ich arbeite als Dokumentarfilmerin und habe mit zwei Kolleginnen eine Firma, die anderen Leuten dabei hilft, ihre eigenen Bücher zu schreiben, die „Manuskriptoase“. Das ist eine sehr schöne Arbeit. Aber manchmal rate ich auch schon nach der ersten Sitzung ab. Das erleichtert viele dann richtig, weil sie nicht etwas hinterherlaufen müssen, das wirklich keine Chance hat. Mein Beispiel ist immer: Wenn einer nach dem Oberarmbruch in der Reha Ton knetet, kommt er ja auch nicht zwingend auf die Idee, damit zur Biennale zu gehen. Also: Ist der Inhalt so wichtig, dass dafür wirklich 100 finnische Bäume sterben müssen?
Interview: Andrea Barthélémy
Weblink: