Von Anne Volkmann
Martina Löw, Professorin für Soziologie an der Universität Darmstadt, stellt in ihrem Buch eine Frage, die nicht nur die Fachöffentlichkeit beschäftigt: Worin unterscheiden sich Städte? Was ist die Differenz zwischen London und New York, zwischen Berlin und München? Und was sind die Gemeinsamkeiten? Eine Frage mit der jedes Schweigen an einer abendlichen Tafel überbrückt werden könne. Löws Anliegen ist es, die Eigenlogik von Städten zu denken, die unterschiedlichen Städte in ihrer Breite und Vielfalt zu erfassen und dabei das Charakteristische einzelner Städte herauszustellen. Darin sieht sie die Aufgabe einer Soziologie der Städte. Der Kritik an diesem Vorhaben – Städte seien untereinander nicht vergleichbar und in sich zu komplex – begegnet sie mit dem Einwand: „Wenn Menschen nicht zu komplex sind, um ‚latente Sinnstrukturen‘ […] ihrer Äußerungen zu analysieren, und nicht zu vielfältig sind, um gruppenspezifische Muster zu isolieren, dann gibt es keinen Grund, das Projekt einer Soziologie der Städte nicht zu wagen.“
Die Unterschiede zwischen Städten haben in der Stadtforschung über lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. In der Stadtpolitik nehmen sie seit einigen Jahrzehnten dafür einen umso größeren Stellenwert ein. Städte grenzen sich gegeneinander ab, werben mit ihren Alleinstellungsmerkmalen und buhlen um Wirtschaftskraft und Bewohner. Löw versucht jedoch zwischen dieser gewollten Differenzierung und einer Eigenlogik der Städte zu unterscheiden. Differenzen sollen dabei nicht „nur auf Imagekampagnen reduziert oder Lokales bloß als widerständiger Rest einer Homogenisierten Welt“ begriffen werden.
In einer überblicksartigen Darstellung zeichnet Löw zunächst die Entwicklung nach, in der die Städte zunehmend zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung geworden sind. Dabei wird das Spannungsfeld der Stadtsoziologie zwischen der Stadt als Ort der Forschung und der Stadt als Gegenstand der Forschung deutlich: „Sie kann viel über die Stadt als Laboratorium der Gesellschaft sagen, aber wenig über die Stadt als distinktes Wissensobjekt […].“ Die strukturellen Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen Städten können jedoch nur herausgestellt werden, wenn die Städte an sich stärker zum Gegenstand der Forschung würden. Dabei müsse den lokalen Spezifika genauso wie den überlokalen Gemeinsamkeiten Aufmerksamkeit zukommen. Durch den individuellen „Stadtcharakter“ lassen sich bei vergleichbaren Strukturen dennoch Unterschiede in der Entwicklung von Städten beobachten. Damit ergibt sich ein lohnenswerter Forschungsgegenstand.
Nach einer theoretischen und methodischen Einordnung der Soziologie der Städte betrachtet Löw auch den Einfluss von Globalisierung und Städtekonkurrenz. Sie stellt dabei die Frage, ob die Städte unter dem Einfluss der Globalisierung ihre spezifischen lokalen Eigenschaften verlieren würden. Mit einem Kapitel über Stadtbilder wird das Thema auf eine recht anschauliche Ebene gebracht, die durch das Fallbeispiel – eine Gegenüberstellung von Berlin und München –ergänzt wird.
Die Lektüre des Buches ist über weite Strecken vor allem für ein wissenschaftlich interessiertes Fachpublikum interessant und verständlich. Allgemein am Thema „Stadt“ interessierte Leser werden vor allem in Hinblick auf die Darstellung und Diskussion von Stadtbildern und -images eine anschauliche und informative Lektüre finden.
Literaturangabe:
LÖW, MARTINA: Soziologie der Städte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 292 S., 22,80 €.
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