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Vier Autorinnen widmen sich vier Künstlerinnen

Meisterinnen des Lichts, herausgegeben von Ingrid Pfeiffer

© Die Berliner Literaturkritik, 31.01.08

 

OSTFILDERN (BLK) – Aus heutiger Sicht erstaunt, wie viele Frauen im Paris des 19. Jahrhunderts bereits als professionelle Künstlerinnen arbeiteten und ausstellten. Dass nur so wenige ihrer Namen im Gedächtnis der Nachwelt präsent sind, liegt vor allem daran, dass auch die Geschichte des Impressionismus von Männern verfasst wurde, die Frauen zumeist nur eine Nebenrolle zuwiesen.

Höchste Zeit, die künstlerische Kraft der vier bedeutendsten dieser Malerinnen zu feiern: Berthe Morisot, Gründungsmitglied der Impressionisten und bei fast allen ihren Ausstellungen vertreten, die Amerikanerin Mary Cassatt, deren beste Arbeiten vom japanischen Holzschnitt beeinflusst waren, Eva Gonzalès, die häufig Frauen porträtierte und früh im Kindbett verstarb, Marie Bracquemond, deren Karriere stark unter dem Neid ihres Mannes litt, der ebenfalls Maler war. Die einzigartigen Gemälde dieser vier Frauen inspirierten vier namhafte Autorinnen zu faszinierenden und einfühlsamen Erzählungen. Sie lassen uns eintauchen in Leben und Psyche dieser Künstlerinnen, die Wegbereiterinnen für ein neues, verändertes Frauenbild waren. (Klappentext) (wag/wip)

 

Leseprobe:

© Hatje & Cantz Verlag ©

Ingrid Pfeiffer

 

Vier Künstlerinnen, vier Stile,

vier Lebensgeschichten

von Erfolg und Misserfolg

 

Kaum eine andere Epoche der Neuzeit kann als so wichtig für das Selbstverständnis von Frauen angesehen werden wie die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Erstmals in der Geschichte ergriffen bürgerliche Frauen aus eigenem Impuls Berufe außerhalb der Familie, die ihnen nicht nur ein eigenes Einkommen sichern, sondern vor allem ihren persönlichen Interessen und Begabungen entsprechen sollten.

Auch wenn diese vier Erzählungen fiktiv sind, so fußen die Geschichten doch auf realen Biografien, die exemplarisch für das Schicksal von Künstlerinnen am Beginn der Moderne stehen. Beschäftigt man sich mit der Kunst von Frauen aus der Zeit des Impressionismus, so geht es nicht mehr nur um die gängige Kunstgeschichte, die Kunst nach den bekannten Stilen, nach Modernität oder Innovation sowie nach Gruppenbildung und Künstlermanifesten einordnet – viel mehr ist die Geschichte der Künstlerinnen auch eine Sozialgeschichte, untrennbar verknüpft mit den besonderen Lebensbedingungen von Frauen vor Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht. Die vier Malerinnen, um die es hier gehen soll – drei Französinnen und eine Amerikanerin – lebten und arbeiteten hauptsächlich in Paris, der damaligen Kunsthauptstadt Europas. Paris im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. war ein Ort, an dem sich die kreativsten Köpfe der Nation versammelten, von Schriftstellern wie Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé und Emile Zola bis zu Vorreitern der Kunst der Moderne wie Eugène Delacroix oder Gustave Courbet. Auf allen Gebieten wurde diese Stadt zum Symbol des Neuen – vom Bau großer repräsentativer Boulevards bis zur rasanten Entwicklung von Industrie, Wirtschaft und neuen Handelswegen. Große Weltausstellungen sowie moderne Straßenbeleuchtung machten Paris weltweit berühmt und zum Inbegriff von Kultur und Modernität. Viele amerikanische Künstler, darunter ein Drittel Frauen, kamen in der Epoche des Impressionismus zum Studium nach Paris.

Für Frauen galten jedoch die neuen Angebote des modernen Lebens in Paris nur bedingt: Anders als für ihre berühmteren männlichen Kollegen wie Monet, Manet, Degas, Renoir oder Pissarro blieben für Morisot, Cassatt, Gonzalès und Bracquemond viele Orte des Alltags verschlossen, denn unverheiratete bürgerliche Frauen durfte das Haus nur in Begleitung verlassen und öffentliche Cafés, Restaurants und Theater nicht alleine betreten, wenn sie nicht ihren guten Ruf verlieren wollte. Ihr Reich war das Haus, der Garten und das familiäre Umfeld, das sich erstmals auch in der Kunst des Impressionismus spiegelt, und zwar sowohl in den Arbeiten der männlichen wie der weiblichen Künstler. Sehr wichtig für die Künstlerinnen war außerdem der Louvre, in dem die Maler und Bildhauer einander beim Kopieren der Meisterwerke professionell begegnen konnten und wo ein Austausch mit Gleichgesinnten möglich war. Bereits bei der Ausbildung galten für begabte Malerinnen oder Bildhauerinnen andere Regeln als für Männer, denn die Akademie, die staatliche Ecole de Beaux-Arts, war für Frauen bis 1897 gesperrt. Allerdings gab es schon früh Malerschulen speziell für Frauen, und einige bekannte Maler nahmen besonders gerne weibliche Schüler in ihre Malklassen auf – allerdings oft gegen die doppelte Gebühr wie für männliche Kollegen. Der Salon, die große jährliche Ausstellung mit rund 3000 Künstlern, ließ zwar Frauen grundsätzlich zu – sofern die Jury ihre Werke als ausstellenswert befand –, doch Medaillen, Preise und Auszeichnungen, die auch wirtschaftlichen Erfolg für die Künstler bedeuteten, wurden fast immer an Männer verliehen.

Da viele Frauen des gehobenen Bürgertums bis zu ihrer Heirat malten, aquarellierten oder musizierten, blieb lange Zeit die Grenze zwischen begabten Dilettantinnen und Berufskünstlerinnen fließend. Es gehörte sowohl ein starkes Durchsetzungsvermögen, als auch eine gewisse Bereitschaft zu persönlichen Opfern dazu, um sich innerhalb dieser engen Grenzen als Künstlerin zu behaupten. So ist es symptomatisch, dass mit den hier ausgewählten vier Künstlerinnen nicht nur vier Stile und individuelle künstlerische Handschriften, sondern auch vier Schicksale vorgestellt werden, allesamt typisch für Frauen im 19. Jahrhundert: Mary Cassatt, die der Kunst zuliebe unverheiratet blieb, Eva Gonzalès, die mit nur 34 Jahren kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes starb, Marie Bracquemond, die von ihrem dominanten Künstler- Ehemann als Konkurrentin betrachtet und so lange unter Druck gesetzt wurde, bis sie ihre Malerei „für den Familienfrieden“ aufgab. Nur Berthe Morisot hatte das für jene Epoche seltene Glück, einen Mann zu finden, der sie auch nach Heirat und Kind in jeder Weise als Künstlerin ermutigte und bei ihrer Arbeit und ihren Ausstellungen unterstützte.

Zola hatte von den Künstlern seiner Epoche gefordert, das „wahre Leben“ zu zeigen – so malten Morisot, Cassatt, Gonzalès und Bracquemond in ähnlicher Weise wie ihre männlichen Kollegen vor allem Alltagsszenen, Porträts, Stillleben und Landschaften. Häufig porträtierten sie ihre Schwestern oder malten mit ihnen gemeinsam, manchmal auch den Ehemann oder das Kind im Garten wie Morisot. Jede von ihnen entwickelte eine eigene Handschrift, genauso modern und unverwechselbar wie die ihrer heute viel berühmteren Kollegen.

© Hatje & Cantz Verlag ©

Literaturangaben:
PFEIFFER, INGRID (Hrsg.):Meisterinnen des Lichts. Einführung von Ingrid Pfeiffer, Text von Diane Broeckhoven, Noëlle Châtelet, Annette Pehnt, Alissa Walser. Hatje & Cantz Verlag, Ostfildern 2007. 96 S., 4 Abbildungen. 9,80 €.

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