Von Gisela Ostwald
NEW YORK (BLK) – Er war bekannt als „Mister No Show“. Einer, der selbst der Verleihung seines Pulitzerpreises fernblieb, Interviews kategorisch ablehnte und keine Lesungen gab. Zehn Romane hat Cormac McCarthy seit 1965 geschrieben, etliche davon Meisterwerke wie „All die schönen Pferde“ und „Die Straße“, sein jüngstes Buch. Doch außer Kollegen, darunter Saul Bellow, zu Lebzeiten einer seiner größten Bewunderer, und einem elitären Fan-Club war er jahrzehntelang nur wenigen ein Begriff.
Das hat Hollywood jetzt grundlegend geändert. Durch den ebenso brillanten wie brutalen Westernthriller „No Country for Old Men“, der auf McCarthys gleichnamigem Roman basiert, war sein Name über Nacht in aller Munde. Die Leinwandadaption durch die Coen-Brüder gewann bei der diesjährigen Oscar-Zeremonie vier Preise, darunter den Oscar für den „Film des Jahres“. Und der sonst meist abwesende Literat ließ es sich nicht nehmen, der Verleihfeier persönlich beizuwohnen.
An diesem Sonntag (20. Juli 2008) wird McCarthy 75. Kritiker vergleichen ihn mit William Faulkner. Manche stellen ihn auch auf eine Stufe mit Thomas Pynchon, Don DeLillo, J.D. Salinger und Philip Roth, den Großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Dabei sind die Romane von McCarthy an Horror und Grausamkeiten kaum zu übertreffen. „Es gibt einfach kein Leben ohne Blutvergießen“, ist seine Überzeugung. „Der Gedanke, unsere Spezies ließe sich so weit verbessern, dass jedermann in Harmonie mit seinem Nächsten auskommen kann, ist gefährlich.“
Ein US-Kritiker ging so weit, sein letztes Werk, „Die Straße“, als die „blutigste Geschichte seit der Ilias“ abzustempeln. Sie folgt einem Vater und seinem Kind durch eine postapokalyptische Welt. Die Verfilmung kommt im November in US-Kinos. Der deutsche Start steht noch nicht fest.
Talkmasterin Oprah Winfrey war von der trostlosen und dennoch inspirierenden Story so berührt, dass sie McCarthy bat, den Roman über ihren Buchclub vertreiben zu dürfen. Jonathan Franzen hatte das gleiche Angebot von Oprah für seine Familiensaga „Die Korrekturen“ naserümpfend zurückgewiesen und sie damit sichtlich verprellt. Doch McCarthy nahm an – zur Überraschung vieler treuer Anhänger. Er gab Amerikas populärer Fernsehwirtin sogar das erste TV-Interview seines Lebens – und sah den Absatz seines Buches in die Hunderttausende schnellen, während frühe Werke sich selten mehr als 5000 Mal verkauften.
Cormac McCarthy, als Sohn eines Staranwalts in Tennessee aufgewachsen und in einer katholischen Schule erzogen, lebt mit seiner dritten Frau und dem gemeinsamen Sohn John (10) bei Santa Fe (US-Bundesstaat Neu-Mexiko). Ein Reporter der „New York Times“ beschrieb ihn einmal als „geselligen Eremiten“. Im krassen Gegensatz zu seinen eigenen Romanfiguren – fast ausnahmslos arme Schlucker, Outlaws der Gesellschaft oder Verbrecher schlimmsten Kalibers – sei McCarthy ein amüsanter Unterhalter, wortgewandt, witzig und schnell am Lachen.
Weniger positiv schildern ihn seine Verflossenen. Ihr Ex habe lieber gehungert als gegen bare Münze einen Vortrag zu halten. Um seine Unabhängigkeit zu bewahren, habe er billige Motelzimmer einem eigenen Heim bevorzugt. Später bot eine Scheune das Dach über dem Kopf, und „geduscht“ wurde im See. Freunde bestätigten der Zeitung, dass McCarthy sich „wie ein Chamäleon an jede Umgebung anpasst, weil er ganz genau weiß, was ihm wichtig ist und was nicht“.
Literaturangaben:
McCARTHY, CORMAC: Die Straße. Roman. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Rowohlt, Reinbek 2008. 252 S., 8,95 €.
---: Kein Land für alte Männer. Roman. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Rowohlt, Reinbek 2008. 288 S., 19,90 €.
---: All die schönen Pferde. Roman. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Hans Wolf. Rowohlt, Reinbek 2001. 317 S., 8,95 €.
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