Von Issio Ehrlich
Es dauerte keine fünf Minuten: Als Technischer Dienst der Telecom getarnt, fuhren Domenico Silano und seine Komplizen auf den Innenhof einer Schweizer Postfiliale. Dort war kurz zuvor ein Geldtransporter angekommen. Angestellte wollten ihn mit 53 Millionen Franken (35 Millionen Euro) beladen. Mit Spielzeugpistolen stürmte Silanos Bande auf den Wagen zu. „Hinlegen, sofort!“, schrie er. Keiner leistete Widerstand, und den Männern gelang der ertragreichste Postraub in der Geschichte der Schweiz. Was sich wie der Anfang eines Gangsterfilms anhört, ist am 1. September 1997 wirklich passiert. In dem jetzt auch in Deutschland erschienen Buch „Silano: Der Jahrhundert-Postraub“, schildert der heute 36 Jahre alte Silano den Beginn und das Ende seiner Gangsterkarriere.
Nur wenige Wochen nach dem Raub wurden die meisten Komplizen Silanos gefasst. Der damals 24 Jahre alte Silano konnte flüchten: 15 Monate lang. Er machte Station in Italien, Frankreich, Venezuela und zuletzt in Miami. Dort lebte er mit gefälschtem Pass als „Alberto Sipone“. „Ich war jetzt also in der Sonnenstube der USA gelandet“, dachte sich Silano, „wo sich Reiche und Neureiche, Stars und Sternchen, Prominente und solche, die es gerne wären, die Klinke in die Hand geben.“ Silano lebte sich schnell ein. Mit einem Teil seiner Beute leistete er sich ein Luxusapartment und edle Anzüge. Aber genauso schnell verflog der Reiz des Geldes und die langen Clubbesuche.
Die Sehnsucht nach seiner Freundin Lina, die er in der Schweiz zurück lassen musste, hielt er nicht aus. Ihretwegen wurde er gefasst und zu fast fünf Jahren Haft verurteilt. Auch den Großteil seiner Beute verlor er.
Mit seinem Buch scheint der gescheiterte Posträuber gleich zwei Geschichten erzählen zu wollen. Die des coolen und abgeklärten Gangsters, der in Miamis High-Society mit Fotomodels und Champagner von einer Party zur nächsten tanzte. Und die des gutmütigen Freundes, der die Trennung von seiner Liebe und Familie nicht verkraften konnte. Silano, der das Buch mit dem Autor Patrik Maillard schrieb, gelang es nur eine der beiden Geschichten zu erzählen.
Für die Liebesgeschichte von Silano und seiner Freundin finden die Autoren nicht den richtigen Ton. Unzählige Sätze klingen allzu kitschig. „Die Idee eines Treffens mit meiner großen Liebe wurde zur Besessenheit“, heißt es zum Beispiel, „dann endlich fuhren wir zu mir nach Hause, wo unsere innere Glut ein Feuer der Freuden entfachte.“
Geschickt flechten Maillard und Silano dagegen die Erinnerungen des Posträubers mit unzähligen Zeitungsberichten zusammen. Dem Buch gelingt es so, die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der „das Spiel seines Lebens spielte“ — und verlor. Als Silano 2002 in Miami von einem Sondereinsatzkommando gefasst wurde, sagte er nichts als: „Good job, man“, „gute Arbeit“.
Literaturangabe:
SILANO, DOMENICO & MAILLARD, PATRIK: Silano. Der Jahrhundert-Postraub. Salis Verlag, Zürich 2009. 224 S., 19,90 €.
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