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Vom Ruhrgebietskind zur „Literaturpäpstin“: Elke Heidenreich wird 65

Schon als Kind in Essen war Lesen ihr „großes Glück“

© Die Berliner Literaturkritik, 15.02.08

 

Von Christoph Driessen

KÖLN (BLK) – Elke Heidenreich will über alles reden. Über ihren Krach mit Günter Grass, dessen erotische Gedichte sie eklig findet. Über ihre Abneigung gegen Harald Schmidts neue Show mit Oliver Pocher. Oder über ihre Unzufriedenheit mit dem späten Sendetermin von „Lesen!“. Aber bei einem Thema blockt sie ab. Auf ihren 65. Geburtstag an diesem Freitag (15. Februar 2008) angesprochen, sagt sie nur: „Red ich nicht drüber. Geburtstag – was ist das schon? Geburtstag hat jeder.“

Vielleicht ist es ja ihre Art von Geburtstagsbewältigung, dass sie auf Wunsch bereitwillig ihr Leben Revue passieren lässt. Sie sitzt entspannt und gut gelaunt in einer hässlichen grauen Polsterecke der Kölner Oper und erzählt über ihren Weg vom Ruhrgebietskind aus einfachen Verhältnissen zur „mächtigsten Person des deutschen Literaturbetriebs“, zur „Literaturpäpstin“. So nennt man sie seit Beginn ihrer „Lesen!“-Sendung vor fünf Jahren.

Selbst würde sie diese Bezeichnungen nie verwenden, aber überrascht hat sie ihr Erfolg nun auch wieder nicht. Von Anfang an hat sie damit gerechnet, dass die von ihr empfohlenen Bücher Bestseller werden könnten. „Ich hätte sogar noch mehr erwartet. Leute, die lesen, aber sich nicht totsuchen wollen, brauchen jemanden, der ihnen Orientierung gibt. Und das bin ich, weil sie mich schon so lange kennen. Sie haben Vertrauen zu mir.“ Die Feuilletons seien zu abgehoben und bedienten nur die eigene Klientel.

Und so arbeitet sich Elke Heidenreich in ihrer Kölner Wohnung jeden Tag durch Stapel von Literatur. In jedem Zimmer stehen Bücherregale. Oft liest sie die ganze Nacht im Bett. Nie, so beteuert sie, würde sie ein Buch als Freundschaftsdienst empfehlen: „Es muss mir wirklich gefallen. Das wissen inzwischen aber auch alle.“

Von den zahllosen Bänden, die ihr zugeschickt werden, behält sie ein paar und gibt die anderen an eine von der Schließung bedrohte Bücherei. Eingesandte Manuskripte schaut sie nie an. Wenn sie mal genug vom Lesen hat, dreht sie draußen eine Runde und trifft vielleicht den in der Nachbarschaft wohnenden Harald Schmidt mit seinen Kindern, der auch gleich wieder mit ihr über Neuerscheinungen plaudert, und zwar durchaus unironisch, wie sie betont: „Er ist nicht immer so wie im Fernsehen.“

Schon als Kind in Essen war Lesen ihr „großes Glück“, mehr noch als heute, denn mittlerweile, so sagt sie, ist die Musik ihr noch wichtiger. Als Kind las sie, um die Welt um sich herum zu vergessen. Schon früh gab es Förderinnen: ihre Mutter und die Lehrerin, die anordnete: „Alles häkelt, Elke liest!“ Der Vater war Automechaniker und warnte sie, dass Jaguars immer liegen bleiben. Heute hat sie selbst einen und weiß: „Er hatte Recht.“

Ihr Lieblingsbuch war „Doktor Dolittle“. Seitdem mag sie die Tiere so, dass sie „fleischarm“ isst und nur noch bei Mettwürstchen schwach wird: „Ruhrgebiet eben.“ Später hat sie selbst ein Tierbuch geschrieben, „Nero Corleone“ über ihren aus Italien importierten Kater. An zwei Nachmittagen entstanden, wurde es in 23 Sprachen übersetzt. Seitdem arbeitet sie nicht mehr, um Geld zu verdienen. Neros Katzenfreundin ist mittlerweile 14 Jahre alt und lebt immer noch bei ihr in Köln, der „frechen, undisziplinierten, dreckigen“ Stadt, die ihr ans Herz gewachsen ist.

Die Aufzeichnung für die nächste „Lesen!“-Folge beginnt. Elke Heidenreich sitzt an ihrem Tisch auf der Bühne der Kölner Kinderoper, der Countdown läuft. „Warum mach ich das hier?“, fragt sie mit einem Anflug von Nervosität. Und dann zum Publikum: „Für euch.“ Kurze Pause, dann lächelt sie: „Nee, macht Spaß. Macht echt Spaß.“


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