MAYRÖCKER, FRIEDERIKE: vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannwahnsinn. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 41 S., 14,90 €.
Von Dorothee Arndt
Man hat das Gefühl, dass im Leben der österreichischen Schriftstellerin Friederike Mayröcker nichts verloren geht - zumindest nichts, das sich im Netz der Sprache noch irgendwie auffangen lässt. Jeder einzelne ihrer Sätze birgt eine rückhaltlose Hingabe zur Musik, zur Poesie, zur Kunst.
Gerade einmal 41 Seiten umfasst ihre neueste Publikation „vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannwahnsinn“ und ist dennoch alles andere als eine kurzweilige Lektüre. Friederike Mayröcker ist sich treu geblieben und auch im Zurückblicken weiterhin dem experimentellen Schreiben und damit der Bewegung nach vorn verpflichtet. Ebenso radikal wie ergreifend näherte sie sich in ihrem vorangegangenen Prosawerk bereits dem Alter, als der letzten körperlichen Stufe des Lebens.
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Über Schumanns letztes kompositorisches Werk, die „Geistervariationen“, sucht sie nun Zugang zu den Ausgesparten. Die Ausgesparten, das sind natürlich Clara und Robert Schumann, aber auch der im Juni 2000 verstorbene Lebensgefährte der Schriftstellerin, Ernst Jandl. Es begegnen sich auf diesem Wege zwei Paare in einer fragilen Zusammenkunft von Ungleichzeitigem. So sehr verdichtet sich die Sprache der nun 86-jährigen Autorin, dass man entweder schwindelnd das Buch zur Seite legt oder sich hineinziehen lässt in diesen Trichter der Imagination.
Im Wiener Projekt „Tonspur“ liegt bereits eine Klangmontage vor, in der Mayröcker Teile ihres Buches liest und anhand von 92 Texteinschüben durch Bodo Hell begleitet wird. Ähnlich dem Phänomen Bachmann, lohnt es durchaus, sich von Mayröcker selbst ins Buch hineintragen zu lassen. Nicht zuletzt ist es die Klanglichkeit ihrer Sprache, die dem Leser vermittelt, was das reine Schriftbild verschweigt. Leichter wird die Lektüre dadurch jedoch nicht. Mit dem gewaltigen Assoziationsstrom ist es kaum möglich, Schritt zu halten, und man sollte sich wirklich ein besonders ruhiges Eckchen aussuchen, um diesem schmalen Bändchen mit Genuss beizukommen.