Von Stephan Maurer
BERLIN (BLK) - Theater gehen raus auf die Straße, Opernhäuser suchen nach neuen Stoffen, Museen locken mit großen Ausstellungen - in Zeiten knapper Kassen buhlen die Kulturmacher im kommenden Jahr mehr denn je um die Gunst der Besucher. Literatur-Liebhaber können sich auf einen spannenden Bücherfrühling freuen, und im Kino warten neue Abenteuer von Jack Sparrow und Harry Potter. Ein Ausblick auf das Kulturjahr 2011:
GEDENKJAHRE: Zum 200. Mal jährt sich der Todestag des Schriftstellers Heinrich von Kleist, der am 21. November 1811 am Kleinen Wannsee in Berlin erst seine Freundin Henriette Vogel, dann sich selbst erschoss. Kleist, seinerzeit ein literarischer Außenseiter, zählt heute mit Werken wie „Der zerbrochne Krug“ und „Das Käthchen von Heilbronn“ zu den Klassikern der deutschen Literatur. Im Gedenkjahr gibt es eine Reihe von Projekten: „Kleist: Krise und Experiment“ heißt etwa eine Ausstellung im Ephraim-Palais Berlin und im Kleist- Museum in Frankfurt (Oder). Das Maxim Gorki Theater Berlin will innerhalb von zwei Wochen Kleists Dramen komplett präsentieren.
Zugleich wird im kommenden Jahr an den 200. Geburtstag von Franz Liszt erinnert, Komponist eines gewaltigen Werks und begnadeter Klaviervirtuose. Gefeiert wird vor allem in Thüringen - schließlich lebte der Musiker mehr als ein Jahrzehnt in Weimar und erlebte hier seine produktivste Schaffensphase. Das Themenjahr unter dem Leitwort „Franz Liszt. Ein Europäer in Thüringen“ hat etwa 200 Konzerte, Wettbewerbe, Ausstellungen und Installationen im Programm. Liszt - Schwiegervater von Richard Wagner - starb 1886 in Bayreuth, das Jahr 2011 markiert also auch seinen 125. Todestag.
MUSIK: Apropos Bayreuth: Die Richard-Wagner-Festspiele werden am 25. Juli einen neuen „Tannhäuser“ in der Regie von Sebastian Baumgarten präsentieren. Doch fast mehr Interesse könnte rund um den Grünen Hügel das Israelische Kammerorchester erregen, das am 26. Juli ein Konzert mit Wagner-Musik in Bayreuth geben will - trotz viel Kritik aus dem eigenen Land, in dem Wagner wegen antisemitischer Positionen noch immer sehr umstritten ist. Unumstritten dagegen sind die Opernstars Anna Netrebko, Erwin Schrott und Jonas Kaufmann: Gemeinsam stehen sie in München (29. Juli, Königsplatz), Wien (6. August, Stadthalle) und Berlin (16. August, Waldbühne) auf der Bühne.
Dass die Oper nach neuen Stoffen und neuem Publikum sucht, beweist eine Uraufführung am Royal Opera House London: In dem Werk „Anna Nicole“ (Premiere 17. Februar 2011) geht es um das turbulente Leben des blonden Nacktmodels Anna Nicole Smith, die 2007 an einer Medikamentenüberdosis starb. An der Stuttgarter Staatsoper nimmt sich „Skandal-Regisseur“ Calixto Bieito mit Händels „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ („Der Triumph von Zeit und Enttäuschung“, 28. Mai) erstmals eines Barock-Themas an.
SCHAUSPIEL: Neue Wege auch im Schauspiel: Mit den Überlebenden von Amokläufen, der Verantwortung der Medien und der Gesellschaft beschäftigt sich eine Uraufführung am Schauspielhaus in Chemnitz: „Feuer mit mir“ aus der Feder des jungen Dramatikers Oliver Kluck hat am 18. Februar Premiere. Die Münchner Kammerspiele wagen sich 2011 auf die Straße: Der neue Intendant Johan Simons will das Ensemble rausholen aus den großen Theatersälen. So soll beispielsweise „Die Perser“ von Aischylos im Frühsommer in einem Münchner Stadtteil aufgeführt werden - mit älteren Einwohnern als Chor. Unterdessen inszeniert der große alte Mann des Theaters, Claus Peymann, mal wieder seinen alten Burgtheater-Freund und -mitstreiter Thomas Bernhard. „Einfach kompliziert“ hat am 12. Februar am Wiener Burgtheater Premiere und kommt noch im selben Monat ans Berliner Ensemble.
AUSSTELLUNGEN: Ausstellungshöhepunkt des nächsten Jahres dürfte eine große Renaissance-Ausstellung auf der Berliner Museumsinsel werden. Im Bode-Museum ist von August bis November 2011 die Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ zu sehen, eine Schau mit über 150 Meisterwerken der italienischen Porträt-Kunst von Antonello da Messina bis zu Sandro Botticelli. Ein weiteres mit Spannung erwartetes Ereignis ist die Wiedereröffnung des Frankfurter Städels. Nach Umbau und Renovierung wird gleich eine Blockbuster-Schau gezeigt: „Beckmann und Amerika“ (7. Oktober bis 8. Januar 2012) über die bedeutenden letzten Schaffensjahre des in New York gestorbenen Künstlers Max Beckmann (1884-1950) und seine „Idee von Amerika“.
Das Haus der Kunst in München verliert 2011 zwar seinen Direktor Chris Dercon an die Tate Modern in London, bekommt im Frühjahr 2011 aber eine neue Dauerausstellung. 480 Werke der Film- und Videokunst aus der weltweit bedeutenden Sammlung der Münchnerin Ingvild Goetz sollen im Wechsel bis mindestens 2014 in dem Münchner Museum ausgestellt werden. Gleich zwei Ausstellungen zu Starkünstler Gerhard Richter gibt es in Hamburg: Das Bucerius Kunstforum zeigt „Gerhard Richter. Bilder einer Epoche“ (5. Februar bis 15. Mai 2011.). Parallel dazu präsentiert die Kunsthalle die Ausstellung „Unscharf nach Gerhard Richter“ (11. Februar 2011 bis 22. Mai 2011).
LITERATUR: Neue Bücher von Philip Roth, Martin Suter, Arno Geiger, Orhan Pamuk, Siri Hustvedt kündigen die Verlage in ihren Frühjahrsprogrammen an. Martin Walser wird sein neues Werk „Muttersohn“ vorlegen; der neue Roman von Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa „Der Traum des Kelten“ soll im Sommer erscheinen. Neue Sachbücher zu Debattenthemen wie Islamismus, Terrorismus und Klimawandel versprechen einen spannenden Bücherfrühling.
Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2011 (12. bis 16. Oktober) ist Island - unter dem Motto „Sagenhaftes Island“. Dafür will das Land seine berühmten Mittelalter-Sagas neu ins Deutsche übersetzen lassen. Außerdem werden rund 100 Werke isländischer Autoren in deutschen Verlagen erscheinen. Das kleine Island mit seinen nur rund 300 000 Einwohnern gilt als große Literaturnation.
FILM: In den Kinos werden im kommenden Jahr unter anderem einige erfolgreiche Werke fortgesetzt. Vor allem im Sommer können sich Besucher auf einige spektakuläre Fortsetzungen freuen: Für den Frühsommer zum Beispiel ist der neue Teil von „Fluch der Karibik“ angekündigt. Der phänomenal besetzte Johnny Depp bekommt in seiner Rolle als Jack Sparrow die verführerische Penélope Cruz an seine Seite. Einige Wochen später folgen Werke wie „Hangover 2“, „Kung Fu Panda 2“ und „Transformers 3“. Ein besonderes Highlight steht dann für Mitte Juli an: Der vorerst letzte Part der „Harry Potter“-Reihe kommt in die Kinos - sicher ein Publikumsmagnet.
Vom 10. bis 20. Februar 2011 wird vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz wieder der rote Teppich für Schauspieler, Regisseure und Filmproduzenten aus aller Welt ausgerollt. Als weltweit größtes Publikumsfestival werden die 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin natürlich auch viele Filmfans anlocken. Jury-Präsidentin ist die italienische Schauspielerin Isabella Rossellini. Die Retrospektive ist dem schwedischen Regisseur Ingmar Bergman gewidmet.