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Von Präsidentenattentaten und -biographien

Internationale Presseschau vom 6. Juli 2004

© Die Berliner Literaturkritik, 06.07.04

 

BERLIN (BLK) - Das in dieser Woche wohl viel diskutierteste Ereignis auf dem internationalen Buchmarkt war die Ankündigung des New Yorker Hauses Knopf Publishing im August Nicholson Bakers "Checkpoint" zu veröffentlichen. Einer der Protagonisten nenne den amtierenden US-Präsidenten George W. Bush darin einen "nicht vom Volke gewählten Ölmann" und plane ein Attentat auf Bush. Gespalten sind auch die Meinungen zur jüngst erschienen Biographie des amerikanischen Ex-Präsidenten Bill Clinton. Die "New York Times" bezeichnet das Buch als "schlampig" und "selbstnachgiebig", die "Financial Times" spricht vom "besten Präsidenten-Wälzer aller Zeiten". Aufsehen erregend ist auch die von "Libération" besprochene Recherche eines Archivars des Departement Dordogne: Unter dem Regime von Vichy seien allein im Departement Dordogne 1196 sogenannte "Juden" verschleppt worden. Die Analyse des Billigfluganbieters Ryanair deckt ähnlich dunkle Abgründe auf: Mit Tyrannei und Preisdumping habe sich die Fluglinie ihren Platz auf dem Markt erkämpft.

"Washington Post"

"Checkpoint", Nichloson Bakers literarische Kritk an der Regierung Bush, glänze sowohl durch die Klarheit ihrer Aussagen als auch durch die "Nerven des Autoren" und "die Kürze" des Buches: Auf den 115 Seiten des Romans bezeichne der Autor den US-Präsidenten unter anderem einmal als "nicht vom Volke gewählten Ölmann". Die Handlung des Romans bestehe ausschließlich aus einem Dialog zweier Männer: Einer will Bush töten, der andere versucht, ihn davon abzubringen.

Mehr: Die Gedanken sind frei

"New York Times"

Nach verschiedenen Reden Bill Clintons wisse man, dass er sowohl "wunderbar redegewandt und zu visionären Ansichten fähig" ist, als auch zu "betäubender, selbst beweihräuchernder Schwatzhaftigkeit". Bedauerlicherweise ähnle Clintons lang erwartete Autobiografie "My Life" eher dem zweiten Beispiel. "My Life" - welches insgesamt 957 Seiten umfasst - werde am Besten durch die Adjektive "schlampig", "selbstnachgiebig" und "ausdruckslos" charakterisiert.

Mehr: Die Nacherzählung einer Präsidentschaft

"Financial Times"

Unerwartet literarische Qualitäten zeige die Biographie Bill Clintons. Der Rezensent der Zeitung sieht in Clintons Suche nach dem unbekannten Vater einen "Subtext" der sich "allgegenwärtig" wie eine "tiefe Strömung" durch die Autobiographie ziehe und deshalb an Jack Kerouacs "Unterwegs" erinnere. Auch Beschreibungen von Camp David-Treffen, Nordirlands Friedensverhandlungen und Beschlüssen des Obersten Gerichtshofs fasse Clinton auf "atemlose Art und Weise" zusammen.

Mehr: Der beste US-Präsidenten-Wälzer aller Zeiten

In seiner chronologischen Geschichte der Fluglinie Ryanair und ihres Chefs komme Siobhán Creaton zu folgendem Schluss: Der Charismatiker Michael O´Leary sei ein ungehobelter Tyrann, der Kunden mit Reklamationen und Angestellte des Öfteren mit einem "Fuck Off" begrüßt, beziehungsweise verabschiedet habe. Jedoch sei Siobhán Creatons Bericht verständlicherweise nie autorisiert worden.

Mehr: Der Billigflug-Tyrann

"Libération"

In dem vom Archiv des Departements Dordogne herausgegebenen Band "Les juifs en Dordogne 1939-1944" habe sich der Archivar Bernard Reviriego einer umfassenden Wiederaufbereitung der von französischen Kollaborateuren begangenen Kriegsverbrechen gestellt. Dabei trete zu Tage, dass sich die Zahl der während des zweiten Weltkriegs begangenen Deportationen alleine im Departement Dordogne auf 1196 belaufe.

Mehr: 1196 "Juden" von Franzosen deportiert

"L´Express"

Die Vietnamesin Anna Moї hat bei Gallimard ihren Erstling "Riz noir" veröffentlicht. Das Buch behandele das Vietnam der 60er und 70er bald als Ort des Schreckens, bald als Hort der Nostalgie: Während der Erzählung der Geschichte zweier Schwestern, die sich 1968 in einem Gefängnis in Saigon durch das Mittel ihrer Erinnerung den ihnen zugefügten Peinigungen zu entziehen suchten, nähere sich die Sprache der Autorin der Subtilität von Marguerite Duras an.

Mehr: Das dunkle Vietnam von 1968

"The Times Literary Supplement"

Filmkritiker und Biograph Gavin Lambert hat eine Biographie über Natalie Wood verfasst. Die Schauspielerin ist unter anderem ein Begriff wegen ihrer Rolle an der Seite James Deans in "A rebel without a cause". Ihr Leben sei ein von Geheimnissen umwittertes gewesen. So gäbe besonders ihr Tod der Nachwelt ein immer noch vollständig zu bearbeitendes Rätsel auf.

Mehr: Das Leben und Sterben der Natalie Wood

(art/gra)

Zu den Presseschauen vom Dienstag:

Zur Internationalen Presseschau von letzter Woche:

Literaturangaben:
BAKER, NICHOLSON: Checkpoint. Knopf Publishing, New York 2004, 115 S, 18 $
REVIRIEGO, BERNARD: Les juifs Dordogne 1939 -1944. Coédition Arcives Départementales de la Dordogne/Fanlac. 522 S., 28 €.
CLINTON, BILL: My Life. Alfred A. Knopf, New York 2004. 957 S., 35 $.
CREATON, SIOBHÁN: Ryanair. How a small Irish airline conquered the world. Aurum Press. 256
LAMBERT, GAVIN: Natalie Wood. Knopf, New York. 352 S., 25,95 $.
MOÏ, ANNA: Riz noir. Gallimard, Paris 2004. 190 S., 14,50 €.S., 16,95 € ($17,99).


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