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Von Schneeköniginnen und Tannenbäumen

Die Weihnachtsmärchen von Hans Christian Andersen

© Die Berliner Literaturkritik, 12.06.09

BERLIN (BLK) — Antje Erdmann-Degenhardt hat im Jahr 2003 das Buch „Die Schneekönigin. Weihnachten mit Hans Christian Andersen“ im Aufbau-Verlag herausgegeben.

Klappentext: „An diesem Weihnachtsfest sind meine Märchen über ganz Berlin geflattert, überall sehe ich sie ausgelegt.“

Gerade zur Weihnachtszeit beeilte sich Hans Christian Andersen, mit neuen Märchen zur Stelle zu sein. „Der Tannenbaum“, „Die Schneekönigin“, „Der Schneemann“, „Zwölf mit der Post“ erfreuten Kinder und Erwachsene damals wie heute. Die Feiertage verbrachte er gern in dänischen Herrenhäusern oder auf deutschen Schlössern, während er in Italien und Spanien ganz andere Traditionen erlebte. In Briefen und Tagebucheintragungen hat er seine winterlichen Erlebnisse anschaulich geschildert, ob nun im frostkalten Norden oder unter einem Orangenbaum im sommerlich warmen Süden. Immer begleitete den dänischen Erzähler die Sehnsucht nach der Heimat und dem vertrauten Weihnachtsfest.

Hans Christian Andersen, geboren am 2. April 1805 in Odense auf der dänischen Insel Fünen, wuchs in bescheidensten Verhältnissen auf. Nach dem Besuch der Armenschule ging der Vierzehnjährige nach Kopenhagen, wo ihn das Theater lockte. Gefördert durch staatliche und private Zuwendungen, absolvierte er die Lateinschule in Slagelse. Seine Romane, Reisebeschreibungen und Märchen brachten ihm ein jährliches Stipendium auf Lebenszeit ein, das seine Existenz als freier Schriftsteller sicherte. Andersen starb am 4. August 1875 auf einem Gut bei Kopenhagen. (mül/köh)


Leseprobe:

©Aufbau-Verlag©

Wieder Weihnachten in Rom

Es war ein heiteres Weihnachten (1833), warm und mild wie eine Sommernacht im Norden. Und nun derselbe Abend 1840. Keiner hatte an eine Weihnachtsfeier gedacht. Jeder saß für sich allein zu Hause. Das Wetter war kalt. Das Kaminfeuer wollte mein Zimmer nicht erwärmen. Weit flogen die Gedanken umher, sie flogen gen Norden. Jetzt ist, flüsterten sie, dort der Weihnachtsbaum mit hundert bunten Lichtern angezündet, die Kinder jubeln in süßer Glückseligkeit! Jetzt sitzen sie daheim um den Tisch, singen ein Lied und trinken auf die Gesundheit der entfernten Freunde. Leben herrscht in der Stadt, Leben auf dem Lande, auf den alten Rittergütern. Die Flure sind mit Lichtern und Tannen geschmückt, Teppiche liegen auf den Treppen, die geputzten Diener springen geschäftig auf und ab. Die Musik ertönt, der Zug beginnt, es geht in den großen Tanzsaal. — Ja! Weihnachten ist heiter im Norden! Ich verließ die einsame Kammer — das Volk strömte zur Kirche Santa Maria Maggiore. Noch brannten darin nur einzelne Lampen. Männer, Weiber und Kinder, welche aus der Campagna und den Bergen hergewandert waren, saßen und lagen auf den Stufen, die zu den Kapellen und Altären in den Seitengängen führen. Einige der armen Leute waren vor Müdigkeit eingeschlafen, andere beteten einen Rosenkranz. Nun wurden die Lichter angezündet. Die ganze Kirche strahlte in Purpur und Gold, Weihrauch duftete, Musik ertönte, der Gesang verkündete: „Ein Erlöser ist geboren, Halleluja!“ Die alten Kardinäle trugen Christi Krippe auf ihren Schultern durch die Gänge der Kirche, und das Volk erblickte um diese eine Glorie, glänzender als die, welche die tausend Lichter ausströmten. Es war, als ob die Hirten, als ob die Engel sängen; Friede und Trost senkten sich in des Menschen Herz.

An den Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach

Kopenhagen 21. Dezember 1850

Mein lieber, teurer Erbgroßherzog! Weihnachten nähert sich, das kindliche, glückliche Weihnachtsfest; in allen Häusern schmückt man die Bäume; auch in dem großherzoglichen Schloss zu Weimar steht der Christbaum, dann herrscht die Freude bei klein und groß an diesem schönsten Märchen-Abend des Jahres; diesem auch für die Großen echten Kinder-Abend. Dank für Ihre Freundschaft in dem alten Jahre; möge das neue sich hell und glücklich für uns alle gestalten. [...] In diesem Jahre werde ich, zum ersten Male in vielen Jahren, die Weihnachtszeit in Kopenhagen zubringen; früher verlebte ich zu der Zeit acht buntwechselnde schöne Tage beim Grafen Moltke auf Bregentved; jetzt ist da ein Trauerhaus. Ein Sohn, der als freiwilliger Husar diente, ist im Lazarette an Typhus gestorben; er war ein herzlich guter Sohn, ein lieber Junge, bei den Weihnachtsfröhlichkeiten der Fröhlichste. Von dem Weihnachtsbaum in Kopenhagen fliegen meine Gedanken nach dem Schlosse in Weimar, wo glückliche Kinder, glückliche Eltern und Großeltern sich um den Christbaum sammeln. Gott segne und erfreue Sie alle!

Zwölf mit der Post

Es war schneidende Kälte, sternklarer Himmel, kein Lüftchen regte sich. „Bums!“ da wurde ein alter Topf an die Haustür des Nachbarn geworfen. „Piff, paff!“ knallte es da, man begrüßte das neue Jahr, es war Neujahrsnacht; nun schlug die Uhr zwölf. „Taterata!“ da kam die Post. Die große Postkutsche hielt vor dem Stadttor, sie brachte zwölf Personen mit; mehr konnte sie nicht bergen, alle Plätze waren besetzt. „Hurra! Hurra!“ rief man da in den Häusern, wo die Leute Sylvester feierten und sich gerade mit dem gefüllten Glas erhoben hatten, um auf ein glückliches neues Jahre zu trinken. „Prosit Neujahr!“ sagten sie, „Glück und Gesundheit, eine liebe kleine Frau! Viel Geld! Schluss mit dem Ärger!“ Ja, das wünschte man sich gegenseitig, und darauf stieß man an, und — die Post hielt vor dem Stadttor mit den fremden Gästen, den zwölf Reisenden. Was waren das für Leute? Sie hatten Pass und Gepäck bei sich, ja, sie brachten sogar Geschenke mit für dich und mich und alle Menschen in der Stadt. Wer waren diese Fremden? Was wollten sie, und was brachten sie? „Guten Morgen!“ sagten sie zur Schildwache am Tor. „Guten Morgen!“ sagte die Schildwache, denn die Uhr hatte ja zwölf geschlagen. „Ihr Name? Ihr Stand?“ fragte die Schildwache den, der zuerst aus dem Wagen stieg. „Sehen Sie im Pass nach!“ sagte der Mann. „Ich bin ich!“ Es war auch ein ganzer Kerl, angetan mit Bärenpelz und Fellstiefeln. „Ich bin der Mann, in den sehr viele ihre Hoffnung setzen. Komm morgen, dann sollst du ein Neujahrsgeschenk haben! Ich werfe mit Schillingen und Talern umher, mache Geschenke; ja, ich gebe auch Bälle, ganze einunddreißig Bälle, mehr Nächte habe ich nicht zu vergeben. Meine Schiffe sind eingefroren, aber in meinem Kontor ist es warm und gemütlich. Ich bin Großkaufmann und heiße Januar. Ich habe nur Rechnungen bei mir.“ [...]

©Aufbau-Verlag©

Literaturangabe: ANDERSEN, HANS CHRISTIAN: Die Schneekönigin. Weihnachten mit Hans Christian Andersen. Herausgegeben und aus dem Dänischen übersetzt von Antje Erdmann-Degenhardt. Aufbau-Verlag, Berlin 2003. 143 S., 9,95 €.

Weblink:

http://www.aufbau-verlag.de/


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