Werbung

Werbung

Werbung

Wandel angesichts der Krisen zwingend

Wissenschaftler prophezeien „Das Ende der Welt wie wir sie kannten“

© Die Berliner Literaturkritik, 14.09.09

Von Oliver Pietschmann

Klimawandel, schwindende Energieressourcen, Umweltverschmutzung - seit Jahrzehnten türmen sich auf der Welt hausgemachte Krisen auf. In einer hochaktuellen Studie im Vorfeld der Bundestagswahl Ende September und der UN-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen analysieren die Wissenschaftler Claus Leggewie und Harald Welzer die Chancen und Möglichkeiten der westlichen Demokratien für einen dringend notwendigen Politikwandel. In einer aber teils zu wissenschaftlichen und fremdwortverliebten Sprache zeigen sie in ihrem Buch „Das Ende der Welt wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie“ die Notwendigkeit neuer Denkweisen auf und kritisieren mit Blick auf kurzfristige Wahlerfolge die Politik in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise.

Leggewie und Welzer gehen der Frage nach, ob die Demokratien des Westens in der Lage sind, sich so zu modernisieren, dass sie zukunftsfähig werden. Können sie das erreichte Niveau dafür einsetzen, eine Form des Wirtschaftens und Lebens zu finden, die nicht auf Wachstum, sondern auf Gerechtigkeit und Lebensqualität setzt?

Die beiden Wissenschaftler warnen: „Nicht nur Rohstoffe sind endlich, mit ihnen könnten auch die großen Errungenschaften der westlichen Moderne zur Neige gehen, als da sind: Marktwirtschaft, Zivilgesellschaft und Demokratie.“ Obwohl die Ressourcen endlich seien, würden derzeit Strategien und Lebensstile gepflegt, die für eine Welt mit Öl entwickelt worden sind.

In diesem Zusammenhang üben die Autoren heftige Kritik unter anderem an der Abwrackprämie. „Wer die Automobilindustrie päppelt, gibt für Überlebtes Geld aus, das für die Gestaltung einer besseren Zukunft nicht mehr verfügbar ist.“ Es zeuge von Blindheit, angesichts der Wirtschaftskrise die Ansätze in Sachen Klima zu vertagen. „Die Schuldenpolitik auf Kosten der Folgegenerationen wird nicht betrieben, um einen nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft zu finanzieren, sondern um den laufenden maroden Betrieb aufrechtzuerhalten.“ Eigentlich bedürfe es einer demokratischen Vertretung derjenigen, die noch nicht wählen dürfen oder noch gar nicht geboren sind, deren Zukunft aber gerade verbraucht wird.

Eindringlich fordern der Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, Leggewie, und der Forschungsprofessor für Sozialpsychologie in Witten/Herdecke Welzer von der Klimakonferenz in Kopenhagen verbindliche Strategien, um die Erderwärmung zu bremsen. Die Demokratien seien trotz einer Vertrauenskrise in der Lage, den Wandel zu schaffen, bilanzieren die Forscher. Allerdings trauen sie eine neue Politik weniger den etablierten Parteien zu, sondern erhoffen sich vielmehr ein weit größeres Bürgerengagement wie bei der Umwelt- oder der Frauenbewegung. „Die Bürgergesellschaft muss aus der bloß gefühlten Partizipation des Fernsehzuschauers in die Rolle des selbstbewussten Akteurs zurückfinden.“

Literaturangabe:

LEGGEWIE, CLAUS; WELZER, HARALD: Das Ende der Welt wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2009. 192 S., 19,95 €.

Weblink:

S. Fischer Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: