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„Wanderhure“ im Fernsehen

Alexandra Neldel spielt die Rolle der Marie

© Die Berliner Literaturkritik, 13.11.09

Von Kathrin Lauer

BUDAPEST (BLK) - Nun hat sie sich in Rage geredet, ihre Augen werden feucht. Das muss so sein, denn Alexandra Neldel spielt eine emotionale Szene. Die Maskenbildnerin korrigiert nachher schnell das Make-up, damit das Gesicht der Schauspielerin beim nächsten Take wieder genauso aussieht wie vor dem tränenreichen Wutausbruch. Denn die Zuschauer, die im nächsten Herbst den Mittelalter-Krimi „Die Wanderhure“ nach dem gleichnamigen Bestseller von Iny Lorenz in Sat.1 sehen werden, sollen schließlich nicht merken, dass jede Szene mehrmals gedreht und dann am Schneidetisch komponiert wurde.

Neldel - dem Fernsehpublikum bisher bekannt aus TV-Produktionen wie „Verliebt in Berlin“, „Unschuldig“ und „Die Rebellin“ - spielt hier die Titelrolle: Marie, brave Tochter eines Konstanzer Kaufmanns im 15. Jahrhundert, wird durch eine gemeine Verleumdung dazu gezwungen, sich als wandernde Prostituierte durchzuschlagen. In der emotionalen Schlussszene, die heute auf dem Gelände der ungarischen Produktionsfirma Mafilm gedreht wird, hält König Sigismund (Götz Otto) Gericht. Marie will ihre Unschuld beweisen. Zu guter Letzt bekommen die Schurken, die sie in das Hurendasein getrieben hatten, ihre verdiente Strafe.

Ganz wie im Märchen, eine Portion Mittelalter-Light. Schließlich ist der Film (Regie: Hansjörg Thurn), der bei Sat.1 in der Hauptabendzeit laufen soll, jugendfrei. Deswegen wurden auch die grausamen Vergewaltigungsszenen in weniger drastischer Form gedreht, als sie im Roman beschrieben werden. Es ist den Produzenten Andreas Bareiss und Sven Burgemeister wichtig, dass Gewalt hier auf keinen Fall verherrlicht wird. Es gehe darum zu zeigen, mit welcher Kraft sich hier eine Frau gegen die „maximale Erniedrigung“ wehrt und um ihre Rehabilitierung vor sich selbst und vor der Gesellschaft kämpft.

Was hat Neldel an dieser Rolle gereizt? „Es ist eine junge Frau, die sich durchkämpft, die eine Menge durchmacht und trotzdem wieder aufsteht“, sagt sie. „So eine Frauenrolle verkörpern zu dürfen, ist schon etwas Großartiges“. Begeistert ist sie auch von der Arbeit mit Regisseur Hansjörg Thurn, unter anderem weil dieser viele Szenen mit den Schauspielern vor dem Filmen geprobt hat, was bei Dreharbeiten eher nicht üblich ist. „Das war Luxus. Es hat uns allen sehr viel gebracht“, sagt Neldel.

Dass Manche von einem „Karriereknick“ sprechen, weil die TV-Serie „Unschuldig“, in der sie eine engagierte Rechtsanwältin spielt, kein Zuschauererfolg war, weist Neldel zurück. Schließlich hat die gelernte Zahnarzthelferin, die vor zwölf Jahren auf die Schauspielerei umsattelte, gerade für diesen Film 2008 den Bayerischen Fernsehpreis bekommen. Auch bei der „Wanderhure“ richtet sich der Blick der Produzenten natürlich streng auf die Quote. Läuft der Film gut, wird es möglicherweise eine Fortsetzung geben. Die Romanvorlage „Die Kastellanin“ ist schließlich schon längst da.

Dafür hat das hoch produktive Autorenduo Iny Lorenz gesorgt. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich das Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath. Die 60-Jährige und ihr 57-jähriger Mann haben bis vor drei Jahren noch als IT-Programmierer gearbeitet und nebenbei geschrieben. Heute verfassen sie mit viel Leidenschaft und Recherche- Eifer dicke Romane am laufenden Band, wie eine regelrechte Textfabrik. Sie scheren sich nicht darum, dass die Literaturkritiker nichts davon halten.

Allein für den Knaur-Verlag schreiben sie laut Vertrag 14 Romane. „Davon sind sechs schon fertig, nun liefern wir noch acht weitere, bis zum Jahr 2016“, sagt Wohlrath. Für 75 weitere Romane sind schon Kurzexposés fertig. Unter den Pseudonymen Diana Wohlrath, Nicola Marni und Mara Volkers schreibt das Paar auch für drei andere Verlage. „Unsere Literaturagentin sagt immer: Ein Pseudonym ist ein Markenzeichen wie für jede andere Ware“, sagt Wohlrath. Da dürfe es keine Verwechslungen geben. Denn die Mittelalter-Fans unter den Lesern würden es übel nehmen, wenn ihr Lieblingsautor auch Polit-Thriller oder Fantasy schreibt.

Schräge Strahlen schickt die Sonne in das originalgetreu Nachgebaute mittelalterliche Dorf im Studio bei Budapest. Das genau zum Film passende Dekor und die historischen Kulissen hatten die Filmleute hier vorgefunden, ebenso einen „sehr kompetenten“ ungarischen Koproduzenten in Gestalt von László Kántor von der Firma Új Budapest, freut sich Burgemeister. Ungarn gilt wegen seiner Steuervorteile für die Filmproduktionen als besonders attraktiv für die Branche. Der größte Teil der Dreharbeiten findet denn auch in Ungarn statt, der Rest in Österreich. Bald wird es heute zum Filmen kein Licht mehr geben, denn es ist Herbst, die Tage werden immer kürzer. Kurz wird auch die abendliche Geselligkeit, denn am nächsten Drehtag will man wieder jeden natürlichen Lichtstrahl nutzen. Darum müssen alle schon um drei Uhr morgens aus den Federn: vom Star Neldel bis hin zum Scriptgirl.


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