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Warten auf Poirot

Nora Miedler wandert auf Agatha Christies’ Spuren

© Die Berliner Literaturkritik, 10.11.09

HAMBURG (BLK) – Bereits im März 2009 ist „Warten auf Poirot“ von Nora Miedler beim Argument Verlag erschienen und knüpft gekonnt an die Serie der bisherigen Kriminalromane an.

Klappentext: Charlie führt ein ödes Leben und verachtet sich selbst. Der Neujahrs-Kurzurlaub auf einer Berghütte mit vier Jugendfreundinnen bessert die Lage nicht. Dafür erweist sich eine der fünf Frauen als ziemlich kaltblütige Mörderin. Wer und warum, das ist die Frage, die Charlie beantworten muss, ehe sie selbst zum Opfer wird.

Die junge Schriftstellerin Nora Miedler ist gemacht für das Rampenlicht: Bis zur Geburt ihrer Tochter stand sie für etliche Rollen auf der Theaterbühne und spielte unter anderem Shakespeare, Moliere und Nestroy. Zudem war sie in einer Nebenrolle bei „Kommissar Rex“ zu sehen. Nach der Geburt ihrer Tochter hat sich die 32-Jährige jedoch aus dem Showgeschäft zurückgezogen und verweilt nun – zum Vergnügen ihrer Leser - auf den Brettern, die die Literaturwelt bedeuten. (ros/kum)

Leseprobe:

©Argument & Ariadne©

Die Idee, Rita zu töten, kam mir das erste Mal an Heiligabend. Ich stand im Haus meiner Eltern vor dem kleinen Badezimmerspiegel und beobachtete das Wasser in meinen Augen. Es war bereits am Höchststand angelangt - knapp unterhalb der Pupillen. Wenn der Pegel die beiden schwarzen Punkte erreichte, gab es keine Möglichkeit mehr, den Dammbruch aufzuhalten. Charliemaus - heul dich aus. Ich musste zwinkern. Splischhh - die Stauseen wurden zu Tränen, die über meine Wangen liefen und auf jeder Seite einen schwarzen Guss Wimperntusche mitnahmen. Vielleicht würde dasselbe mit mir passieren, wenn ich mich gegen die gelb gekachelte Wand stützte. Einfach nur anlehnen und hinunter rinnen …Doch nein, ich musste da raus, musste plaudern und glücklich sein, denn draußen im Wohnzimmer, dort wo meine Familie seit geschlagenen zwanzig Minuten auf mich wartete, da herrschte Weihnachten. Und war es an so einem Freudentag nicht, verdammt nochmal, meine töchterliche Pflicht, die Christbaumkugeln zu bestaunen, von den Keksen zu naschen und mit strahlendem Gesicht Geschenke auszupacken? Und endlich, endlich Marc aus meinem Kopf zu bekommen. Und vor allem Rita, diese Ringelnatter. Sie wollte ich ja loswerden! Am besten drei Spatenlängen unter die Erde als Festmahl für die Würmer, von mir aus bei lebendigem Leib. Hoppla - wo war der Gedanke plötzlich hergekommen? Normalerweise war ich nicht so makaber. Eher harmlos. Wahrscheinlich sogar viel zu harmlos! Ich schnaufte laut und freute mich darüber, dass es böse klang. Wie ein Bulle in der Arena, der mit dem Huf scharrt, den Kopf senkt und losstartet. Ha, da wäre Rita mal eine andere Art von Trophäe. Aufgespießt, durchgebohrt, ausgelöscht. Und Marc würde zu mir zurückkommen. Vom Einfluss seiner Schwester für immer befreit. Ein klein wenig beunruhigte er mich schon, dieser Wonneschauer, der durch meinen Körper jagte. Dennoch ließ ich es zum ersten Mal zu. Sie wissen schon … Was, wenn ich es wirklich täte? Natürlich ohne Stier, es gab da sicher praktischere Methoden. Und warum schließlich nicht? Im Krieg und in der Liebe war doch alles erlaubt. „Charlie! Was machst du denn so lange da drin? Wir wollen jetzt endlich den Baum anzünden“. „Bitte nur die Kerzen, Mama“. „Ich komm schon, meine Kontaktlinse war nur verrutscht. Bin gleich da“. Mit den Ärmeln meiner Bluse rubbelte ich mir die Wimperntusche von den Wangen. Meine Mundwinkel zwang ich nach oben. Rein mechanisches Dauerlächeln sollte angeblich die Laune verbessern, wussten Sie das? Hatte ich mal auf einem Motivationsseminar gehört, zu dem natürlich Rita mich geschleift hatte. Heute Abend würde ich es ausprobieren. Konnte nur hoffen, dass es klappte. Bereits vor meinem Badezimmerabstecher war die Sorgenfalte auf der Stirn meiner Mutter preisverdächtig gewesen. Kategorie: Beste Tragödie. Kein Wunder, war ja Heiligabend und damit ohnehin eine kritische Zeit für meine Eltern. Meine Krankheit, wie es die Ärzte netterweise genannt hatten, war in unser aller Erinnerung eng mit der Weihnachtszeit verbunden. Ich stand im dunklen Flur, keine zwei Schritte vom Wohnzimmer entfernt, als mich das wohlbekannte Gefühl überkam. Ich widerstand dem Wunsch die Augen zu schließen, wohl wissend, dass das meinen Zustand verschlimmern würde. Atmen, Charlie, atmen … ein … aus … ruhig, langsam … ein … aus … An der Wand suchte ich Halt. Die Raufasertapete fühlte sich angenehm vertraut an. Meine Fingerkuppen strichen auf und ab. Du bist lebendig, Charlie, alles ist gut … alles ist real.

©Argument & Ariadne©

Literaturangabe:

MIEDLER, NORA: Warten auf Poirot. Argument Verlag, Hamburg 2009. 188 S., 9,90 €.

Weblink:

Argument Verlag


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