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Weiblich, jung, sucht – und weiß

Die Kultautorin duftet so lebendig wie die Kirschblüte

© Die Berliner Literaturkritik, 22.07.10

Von Marco Gerhards

Dieser Name ist schon ein Geschenk an sich; exotisch, verführerisch, mystisch und humorvoll klingt er in deutschen Ohren. Banana Yoshimoto, die 1964 in Tokio geborene Kultschriftstellerin von der ostasiatischen Insel, trägt jenen – zugegeben – Künstlernamen zu Recht und macht ihm mit ihren literarischen Kunstwerken alle Ehre. Denn genau so vielfältig, tiefgründig, abenteuerlustig und tragisch-komisch sind ihre Geschichten und Romane, die sie seit über 20 Jahren für ein sie fast schon bedingungslos anbetendes Publikum bereit hält; nicht nur in Nippon, sondern auch in Europa. Karada wa zenbu shitte iru ist der japanische Originaltitel der nun ins Deutsche übersetzten Kurzgeschichtensammlung, die Diogenes mit dem sehr vielsagenden und unheimlich trefflichen Titel „Mein Körper weiß alles“ herausgibt.

Hinter dieser knappen Sentenz verbirgt sich die großartige Gewissheit, dass hier jemand etwas zu erzählen hat, der die weibliche, intuitive und autonome Wahrheit der Natur in sich verkörpert und sie darüber hinaus auszudrücken und auszuleben weiß. Maskuline Vernunftglorifizierer gibt es genügend - deren natürliches und gewichtiges Gegengewicht finden wir hier; wenn Yoshimoto in der Geschichte „Mumie“ ihren Körper stundenlang machen lässt und vor allem mit sich machen lässt, dann ist das kein verblödeter Sex, sondern notwendige Bataillone körperlicher Brutalitäten, die nicht gefährlich, sondern echt sind.

Yoshimoto spürt und weiß, wer hinter der Ecke auftaucht, welche Geister sich an sie heranschleichen und was ihr gerade gut tut und was nicht. Doch auch ihre Mitmenschen kennt sie besser als diese sich selbst kennen. Ihre empathischen Fähigkeiten, die sie nicht nur den Protagonisten in ihren Geschichten unterlegt, sondern die sie auch als Schriftstellerin erster Güte auszeichnet, sind mehr als umwerfend: sie kennt die Hintergründe, offenbart die Intentionen, ihr Körper weiß eben tatsächlich alles. Auch die Körper ihrer Mitbewohner haben ähnliche Fähigkeiten, nur sie sind sich dessen nicht bewusst, umso dringlicher ist der Ratschlag, sich hier sanft aufklären zu lassen.

Doch niemals polemisch, proletenhaft oder bestimmend kommt dieses Know-How daher. Subtil, sublim und seicht ohne dumm zu sein, verschenkt sie ihre Emotionalität an ein ganzes Volk. Yoshimoto hat es geschafft, diese typisch japanische Tiefgründigkeit, die emotionale Wahrheit gedrängt in soziale Technizismen wiederspiegelt, wie keine Zweite auszuziehen und sanft zu streicheln – die unendliche Schar der Bewunderer dankt es ihr mit jeder neuen Veröffentlichung abgöttisch.

Die dreizehn kleinen Sushihäppchen, die jetzt veröffentlicht wurden, sollte man langsam und genüsslich in sich aufnehmen. Denn sie hinterlassen mehr, als es auf den ersten Leseblick offensichtlich ist. Sie wirken nach, sie polen um, sie integrieren den Leser als Mensch, wie er es ursprünglich sein will. Darin liegt die wohl größte Faszination dieser Autorin – aus einer besonders verglasten, betonierten Welt wie der japanischen diese Ursprünglichkeit herauszuwinden, herauszustechen und herauszuschreien ist ihr größter und wundervollster Verdienst.

Literaturangabe:

YOSHIMOTO, BANANA: Mein Körper weiß alles. Diogenes, Zürich 2010. 203 S., 18,90 €.

Weblink:

Diogenes


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