Werbung

Werbung

Werbung

Weltpremiere der „Satanischen Verse“ in Potsdam ohne Zwischenfälle

„Satanische Verse“ ist die Bezeichnung für angeblich gelöschte Koran-Verse

© Die Berliner Literaturkritik, 31.03.08

 

Von Matthias Benirschke

POTSDAM (BLK) – 20 Jahre nach ihrem Erscheinen sind die umstrittenen „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie am Sonntag (30. März 2008) in Potsdam als Theaterstück auf die Bühne gekommen. Die Weltpremiere blieb ohne Zwischenfälle. Nach vier Stunden spendete das Publikum im ausverkauften Hans Otto Thater dem Ensemble und dem Intendanten Uwe Eric Laufenberg freundlichen Beifall. Einige Bravos gab es für die beiden Hauptdarsteller Robert Gallinowski und Tobias Rott.

Gegen den indisch-britischen Autor Rushdie besteht seit 1989 ein religiöses Todesurteil des damaligen iranischen Ayatollah Khomeini, weil er in „Die satanischen Verse“ angeblich den Islam verunglimpft haben soll. Khomeini hatte ein Kopfgeld in Millionenhöhe auf den Schriftsteller ausgesetzt.

Die Polizei hatte vor der Vorstellung in Potsdam nach eigenen Angaben keine Hinweise auf Protestaktionen oder Gefährdungen. Dennoch war sie mit verstärkten Kräften im Einsatz. Rushdie selbst war eingeladen, blieb der Premiere aber wie erwartet fern.

Für die Bühnenversion hat Laufenberg zusammen mit Marcus Mislin den rund 700 Seiten dicken Roman radikal gekürzt. Im Mittelpunkt stehen Glaube und Zweifel. In den lose miteinander verwobenen Szenen und Geschichten geht es auch um das Entstehen von Religionen sowie Migration und Anpassung. Am Beispiel zweier in London lebender Exil-Inder, den Schauspielern Gibril und Saladin, philosophiert Rushdie über die Bedeutung von Religion und Mystik, von Macht und Geld, von Realismus und Utopie, von Liebe und Tod. Die Hauptakteure „überleben“ zu Beginn den Absturz eines von Terroristen gesprengten Flugzeugs – Gibril wird zum Engel, Saladin zum satyrhaften Satan.

„Satanische Verse“ ist die Bezeichnung für angeblich gelöschte Koran-Verse. Darin soll der Prophet Mohammed – im Buch kommt er kaum verhüllt als Religionsverkünder Mahound vor – einer Einflüsterung des Satans erlegen sein und drei Göttinnen aus Mekka neben Allah anerkannt haben. Dies war aber nicht mit dem von ihm vertretenen Monotheismus vereinbar. Mahound erkennt seinen Irrtum: „Die Verse waren nicht göttlich, sie waren satanisch.“

Nachdem Khomeini das Todesurteil (Fatwa) gegen ihn verhängt hatte, musste Rusdie Jahrzehnte im Untergrund leben. In Deutschland wagte zunächst kein Verlag den Roman herauszubringen. Auf mehrere Übersetzer des Buches wurden Anschläge verübt.

Besonders seit den Anschlägen von 11. September 2001 in New York, haben sich die Politik und die Angst vor Terror immer wieder vor die Kultur geschoben. 2006 wurde Mozarts „Idomeneo“ vorsorglich vom Spielplan der Deutschen Oper Berlin abgesetzt. In der Schlussszene war das abgeschlagene Haupt des Propheten Mohammed gezeigt worden. Islamkritische Karikaturen in dänischen und anderen europäischen Zeitungen hatten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Zuletzt war in Berlin eine Ausstellung dänischer Künstler wegen einer Mekka-Karikatur von Muslimen attackiert worden.

Vor der Potsdamer Aufführung hatten die Muslime sich dagegen vorwiegend zurückhaltend geäußert. Der „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ hatte die Bühnenfassung als Provokation abgelehnt. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland riet zur Gelassenheit.

Regisseur Laufenberg sagte, er wolle mit der Inszenierung auf die Aktualität und Brisanz des Romans aufmerksam machen. Viele Menschen hätten das Buch verteufelt, ohne es zu kennen. Als Rechtfertigung für die mögliche Provokation berief er sich auf ein Zitat aus dem Buch: „Die Aufgabe des Künstlers ist, dass Unnennbare zu benennen, Betrug aufzudecken, Stellung zu beziehen, Auseinandersetzungen in Gang zu bringen, die Welt zu gestalten und sie am Einschlafen zu hindern.“

 

Autor Salman Rushdie und seine „Satanischen Verse“

POTSDAM (BLK) – So viel er auch geschrieben hat, Salman Rushdie wird wohl immer mit seinem vor 20 Jahren erschienenen Werk „Die Satanischen Verse“ identifiziert werden. Auch heute noch wird der Schriftsteller wegen dieses vielfach ausgezeichneten Buches verfolgt. Fünf Monate nach der Veröffentlichung 1988 hatte der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ein „Todesurteil“ gegen Rushdie verhängt, weil das Buch Muslime beleidige. Der Autor lebte darauf jahrelang unter extremem Polizeischutz im Londoner und New Yorker Untergrund.

Der Protest in weiten Teilen der islamischen Welt gegen die „Satanischen Verse“ entzündete sich kurz nach deren Publikation. Die Hauptepisoden des Buches spiegeln das Leben der indo-muslimischen Einwanderer in England wider. Das Werk enthält aber auch lose mit der Handlung verwobene Fantasien, darunter die Darstellung der frühen Lebensjahre des Propheten Mohammed. Mit satirischem Unterton beschreibt Rushdie, wie dieser bestimmte Abschnitte aus dem Koran wieder entfernt habe, da sie ihm angeblich vom Teufel eingegeben worden seien.

Im Februar 1989 verhängte Khomeini die Todesdrohung gegen Rushdie und setzte ein millionenschweres Kopfgeld aus. Der Nachfrage nach dem Buch nützten die Schlagzeilen, auch wenn manche Verleger mit der Veröffentlichung zögerten. Im deutschsprachigen Raum bildete sich eigens für das Buch die deutsch-schweizerisch-österreichische Verlegergemeinschaft „Artikel 19“.

Rushdie, am 19. Juni 1947 als Sohn eines wohlhabenden muslimischen Geschäftsmanns in Bombay geboren, ist überzeugter Atheist. Er verbrachte seine Kindheit in Indien bis er in den 60er Jahren nach England ging. Rushdie war viermal verheiratet und hat zwei Söhne von zwei verschiedenen Frauen. (dpa/wip)

Weblink


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: